• Long-Covid-Syndrom: Erlanger Forscher heilen Corona-Langzeit-Erkrankung
  • Ärzteteam der Augenklinik am Universitätsklinikum Erlangen findet heilendes Medikament
  • Patient mit Long-Covid-Symptomen erstmals beschwerdefrei: Klinische Studie in Planung
  • Erst kürzlich entdeckten Erlanger Forscher ein Detail, das die Ursache für Long Covid sein könnte

Long Covid weltweit erstmals geheilt: Dank einem Medikament, das ursprünglich zur Bekämpfung von Herzerkrankungen entwickelt wurde, ist es einem Ärzteteam der Augenklinik des Universitätsklinikums Erlangen nun im Rahmen eines individuellen Heilversuchs erstmals gelungen, dass ein 59-jähriger Mann mit Long-Covid-Syndrom beschwerdefrei wurde. Dies berichtet das Universitätsklinikum Erlangen am Freitag (2. Juli 2021).

Heilung von Long Covid: Veränderte Durchblutung der Augen nach Corona

Die Ärztinnen und Ärzte des Uni-Klinikums Erlangen hatten im Rahmen der "ReCOVer-Studie" im Vorfeld demnach bereits herausgefunden: Wer eine Covid-19-Infektion hinter sich hat, bei dem ist die Durchblutung der Augen auch viele Monate später noch deutlich eingeschränkt. Die veränderte Durchblutung sei sicherlich nicht auf das Auge begrenzt, sondern stehe dann beispielhaft für den gesamten Körper, so die Forscher.

Im Blut von ehemaligen Covid-19-Patienten fand das Ärzteteam gemeinsam mit einem langjährigen Kooperationspartner und ehemaligen Mitarbeiter des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin, Dr. Gerd Wallukat, Monate nach der Infektion bestimmte Eiweißstoffe. Mit diesen beschäftigten sie sich im Zusammenhang mit der Glaukom-Erkrankung (grüner Star) bereits seit vielen Jahren: Autoantikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren.

"Darunter ist zu verstehen, dass sich die per se gute Immunabwehr gegen den eigenen Körper richtet und Stoffe bildet, die schädlich sein können. Das bringt teils schwerwiegende Folgen mit sich“, erklärt Dr. Dr. Bettina Hohberger, Fachärztin der Erlanger Augenklinik. Bildet der Körper vermehrt Autoantikörper, greifen diese möglicherweise unterschiedliche Körperstrukturen an. Bei Blutuntersuchungen fand man heraus, dass Patienten nach einer Corona-Infektion mehrere dieser Autoantikörper aufweisen, die in Zusammenhang mit dem grauen Star bereits bekannt sind.

Long-Covid-Patient braucht Hilfe: Erlanger Forscher heilen 59-Jährigen

Ein langjähriger, an grauem Star erkrankter Patient berichtete von seinen Beschwerden nach einer überstandenen Corona-Infektion. Er klagte über Geschmacksverlust, starke Konzentrationsstörungen und Abgeschlagenheit, die ihn in seinem beruflichen und privaten Leben massiv einschränkten. Das Team der Augenklinik bot ihm seine Hilfe an.

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Durch die langjährige Kooperation mit Dr. Wallukat hatte die Ophthalmologin von einem Präparat erfahren, das die schädlichen Autoantikörper bindet. Damit wäre es möglich, die Autoantikörper unschädlich zu machen und möglicherweise die Durchblutungsstörungen zu verbessern. "Ursprünglich wollte ich damit meinen Glaukom-Patienten helfen“, erinnert sich Dr. Hohberger. "Als wir dann die Ergebnisse sahen, die aus Kooperationsprojekten zu Long Covid entstanden sind, waren es wie viele kleine Puzzlestücke, die für uns zusammenpassten. Es war durchaus denkbar, dass sich auch die Long-Covid-Symptomatik dadurch bessern könnte.“

Im Rahmen eines individuellen Heilversuchs mit dem Präparat mit dem Wirkstoff BC 007 bekam der 59-Jährige dann Hilfe: Per Infusion erhielt er das Medikament und blieb drei Tage stationär am Uni-Klinikum. "Bereits innerhalb weniger Stunden zeigte sich eine Besserung. Bei seiner Entlassung fühlte sich unser Patient schon deutlich erholter als vor der Verabreichung und seine Autoantikörperwerte bestätigten diesen Eindruck“, schildert das Ärzteteam den Verlauf. Auch die Konzentrationsschwierigkeiten verschwanden, die Leistungsfähigkeit des 59-Jährigen stieg wieder an und der Geschmackssinn kehrte zurück.

Von Long Covid geheilt: Kommt das Medikament bald zum Einsatz?

"Insgesamt hat sich die Durchblutung der Kapillaren, die wir am Auge messen können, deutlich verbessert.“ Das Team der Erlanger Augenklinik geht deshalb davon aus, dass die Long-Covid-Beschwerden des Patienten dank der verbesserten Durchblutung verschwunden sind. Ob der Wirkstoff BC 007 auch anderen Betroffenen hilft, soll bald in einer klinischen Studie überprüft werden. "Momentan können wir leider nicht mehr Menschen mit dem Medikament behandeln, da es noch nicht alle Zulassungsstudien durchlaufen hat“, sagt Prof. Dr. Christian Mardin, leitender Oberarzt der Augenklinik. Das teilt die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit.

In Zusammenarbeit mit der Intensivstation der Medizin 1, auf der seit dem Frühjahr 2020 auch Corona-Patienten behandelt werden, und der Medizin 3 untersuchte das Forschungsteam der Augenklinik die Durchblutung der kleinsten Gefäße, der Kapillaren, bei Covid-19-Patienten. Den Blutfluss machten sie mithilfe einer innovativen, schmerzfreien und nicht-invasiven Methode sichtbar: der OCT-Angiografie (optische Kohärenzangiografie). Nur im Auge und am Nagelfalz, dem Übergang zwischen Nagelbett und Finger, ist es möglich, den Blutfluss sichtbar zu machen, ohne beispielsweise Kontrastmittel zu injizieren.

Im Rahmen der "ReCOVer-Studie" können die Augenärztinnen und -ärzte des Uni-Klinikums Erlangen diese Untersuchungsmethode seit 2020 gezielt Patientinnen und Patienten nach ihrer Covid-19-Infektion anbieten. Erste Auswertungen zeigen: Noch Monate nach der Erkrankung ist die Durchblutung innerhalb der Netzhaut deutlich eingeschränkt, auch wenn Betroffene keine Sehbeschwerden haben.

Long Covid: Klinische Patienten-Studie wird fortgeführt

Die klinische Studie mit Patienten nach einer Covid-19-Infektion wird weiterhin fortgeführt. Gemeinsam mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Erlanger Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin und dem Team um Dr. Wallukat werden nun gezielt Mechanismen untersucht, die zu der eingeschränkten Durchblutung führen können und den Wirkmechanismus des erfolgreichen Heilversuches erklären können.

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