Hohlspitzgeschoss
Die Erfindung betrifft ein Hohlspitzgeschoß, das eine zur Geschossspitze hin mündende Ausnehmung mit kantigem Querschnitt aufweist, gemäß Anspruch 1. Im folgenden bedeutet der Begriff "zylindrisch" in aller Allgemeinheit nur, daß alle geraden Erzeugenden der Bohrung zueinander parallel sind. "Kreiszylindrisch" ist ein Zylinder mit kreisförmigem Querschnitt .
Ein solches Geschoß ist aus der WO 93/07 438 AI bekannt. Dieses Geschoß ist ein Hohlspitzgeschoß; die Bohrung in diesem Geschoß mündet an dessen Spitze und hat durchgehend einen Vierkantquerschnitt. Auch die DE 22 28 733 AI zeigt ein Hohlspitzgeschoß mit einer Bohrung, die kanti- gen Querschnitt aufweist, größer ist als die Bohrung der vorgenannten Druckschrift und mit einer Füllung aus Blei oder Kunststoff versehen. Die US 51 31 123 AI betrifft ein Geschoß, das zunächst kreiszylindrisch ist, in dessen Spitze dann ein Keil mit kantigem Querschnitt eingedrückt wird und bei dem dann, nach Entfernen des Keils, die
Spitze durch Pressen geformt wird, so daß eine koaxiale Innenbohrung mit kantigem Querschnitt entsteht, die nach oben hin kurz vor der Spitze nahezu wieder geschlossen ist. Die US 52 59 320 AI ist der vorgenannten Druck- schrift äußerst ähnlich und verwendet auch die gleiche
Zeichnung, wurde aber später eingereicht und richtet sich in erster Linie auf das Zwischenprodukt, das bei der Herstellung des Geschoßes entsteht.
Hohlspitzgeschosse sind schon seit sehr langer Zeit bekannt. Sie verbinden die Vorteile des kleinkalibrigen Mantelgeschosses, wie etwa die gestreckte Flugbahn, mit denen des großkalibrigen Geschosses, wie etwa die Abgabe kinetischer Energie an ein getroffenes Ziel. Im jagdli- chen Bereich bildet man ein zweiteiliges Geschoss, dessen
mit einer Hohlspitze versehener vorderer Teil sich im getroffenen Wildkörper zerlegen soll, während der massive hintere Teil für einen Ausschuß und somit für Blutverlust des Wildes sorgt. Spuren dieses Blutes ermöglichen gege- benenfalls die Machsuche mit einem Hund. Ein solches Geschoß ist in der eingangs genannten DE 22 28 733 beschrieben.
Nachteilig sind allerdings der große Wildbretverlulst , besonders, wenn ein Knochen getroffen wurde und große Teile des Wildkörpers mit Splittern des vorderen Geschossteils durchsetzt sind.
Im Polizeieinsatz gelten völlig andere Regeln: das Geschoss soll eine hinlängliche Aufhaltekraft haben, aber seinen Flug möglichst wenig über den getroffenen Körper hinaus fortsetzen. Bauliche Zerstörungen sollen gering sein; besonders soll ein Geschoß, das etwa auf eine Mauer •trifft, diese möglichst nicht durchschlagen, um nicht in Räumen Schäden zu verursachen, die der Schütze nicht einsehen kann. Daher verwendet man bei der Polizei neben möglichst großkalibrigen Pistolen meist großkalibrige Maschinenpistolen.
Die letztgenannten Maschinenpistolen sind militärisch von geringem Wert, weil sie eine äußerst schlechte Ballistik aufweisen. Ein Scharfschütze kann z. B. mit einer Patrone wenig anfangen, deren Treffpunkt in Abhängigkeit von der Entfernung zu sehr variiert, da er bei jeder Annäherung oder Entfernung seines Ziels im Laufe eines Einsatzes von neuem die Entfernung bestimmen und den Haltepunkt entsprechend ändern muß.
Moderne Gewehrpatronen für Militärgewehre o. dgl . sind sehr kleinkalibrig (ca. 4,5 bis 5,5 mm) . Dies hat unter anderem den Vorteil, daß die schnellen und leichten Geschosse im Anfangsbereich (weniger als etwa 200 m) kaum Höhenunterschiede im Haltepunkt aufweisen. Selbst ein
Scharfschütze muß sich in diesem Bereich kaum darum kümmern, wenn sich ein Ziel einige Meter vor- oder zurückbewegt .
Die Durchschlagkraft solcher moderner Kleinpatronen ist, militärisch gesehen, ausreichend; so wird etwa eine Splitterschutzweste, die im allgemeinen vor Pistolengeschossen schützt, auf 100 m Distanz vorne und hinten durchschlagen. Aber ein solches Geschoss fliegt, nachdem es einen menschlichen Körper durchschlagen hat, noch viele hundert Meter weit. Dagegen ist die kinetische Energie, die an den durchschlagenen Körper abgegeben wurde, recht gering. In anderen Worten, ein Straftäter, der nicht unmittelbar tödlich verletzt wird, muß auch nach Erhalt eines Treffers durchaus noch nicht kampfunfähig sein.
Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Gewehrgeschoß zu finden, dessen Ballistik dem entsprechenden Vollmantelge- schoß mindestens weitgehend entspricht, das aber imstande ist, beim Durchschlagen eines lebenden Körpers erheblich mehr seiner kinetischen Energie an diesen Körper abzugeben, als es das entsprechende, herkömmliche Gewehrgeschoß kann. Dabei darf aber die zerstörende Wirkung nicht grö- ßer sein als bei etwa einem Geschoß aus einer Polizeipistole.
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch den Gegenstand des Anspruchs 1 gelöst, wobei an die Ausnehmung mit kan- tigern Querschnitt zur Geschoßmitte hin eine Ausnehmung mit kreiszylindrischem Querschnitt fortgesetzt wird (Anspruch 1) .
Das erfindungsgemäße Geschoß hat deutliche Vorteile ge- genüber bisherigen Hohlspitzgeschoßen: bei letzteren wird die Mündung aufgeweitet wird und bildet Fahnen aus Geschossmaterial, die ganz oder stückweise abreißen, um den Rest des Geschosses für den Ausschuß sorgen zu lassen.
Beim Erfindungsgegenstand sorgt die Ausnehmung mit kreis- zylindrischem Querschnitt, die an die Ausnehmung mit kantigem Querschnitt angesetzt ist, für einen sanften, weichen Übergang bei der Verformung des Geschosses, so daß das Geschoß zwar Fahnen bildet, diese aber am Geschoß verbleiben. Das Geschoß kann nach seinem Auftreffen seinen Querschnitt vergrößern, und zwar bis zu seinem Vierfachen. Es bleibt aber ein einheitliches Geschoß. Wenn es nötig sein sollte, das Geschoß aus einer getroffenen Per- son operativ zu entfernen, ist dies recht einfach möglich. Das erfindungsgemäße Geschoß kann gegebenenfalls für Sondereinsätze sogar so dimensioniert werden, daß es Trennwände u. dgl . in der Regel nicht durchschlägt.
Der hintere Teil des Geschosses, der bei allen bisherigen Hohlspitzgeschossen für einen zuverlässigen Durchschlag sorgt, verbleibt in jedem Fall an den aufgeweiteten vorderen Teilen und wird so stark abgebremst. Die zerstörende Wirkung, die ein Charakteristikum bisheriger Hohl- spitzgeschosse ist, ist relativ gering und entspricht etwa der eines Revolvergeschosses.
Um zu vermeiden, daß die Fahnen zu tief einreißen, setzt erfindungsgemäß die Ausnehmung mit kreiszylindrischem Querschnitt die mit kantigem Querschnitt fort. Deren Wirkung wird noch verbessert, wenn die Ausnehmung mit kreiszylindrischem Querschnitt einen geringfügig kleineren Durchmesser aufweist, als es der kleinste Durchmesser der Ausnehmung mit kantigem Querschnitt ist (Anspruch 2) . Der Absatz zwischen den beiden Ausnehmungen unterbricht das Einreißen der Fahnen, und der Umstand, daß dieser Absatz nur recht klein ist, bremst zusätzlich das Einreißen weich ab.
Die Deformation der Geschoßspitze läßt sich über die Anzahl der Kanten am Querschnitt regeln. Dies gilt auch im Hinblick auf die Wahl des Geschoßmaterials und des Kalibers. In idealer Weise ist die Ausnehmung mit kantigem
Querschnitt als Innenvierkant ausgebildet (Anspruch 3) .
Die Kanten sind demnach um jeweils 90° längs des Innenum- fangs voneinander getrennt. Bei einer derartigen Ausbildung treten die oben beschriebenen Vorzüge besonders deutlich und unverfälscht hervor. Bei weniger als 4 Kanten am Querschnitt ist die Deformation erschwert, bei mehr als 4 Kanten ist sie erleichtert.
Bestimmte Abmessungen für die Ausnehmungen haben sich be- sonders bewährt: es ist besonders vorteilhaft, daß die mit kreiszylindrischem Querschnitt kürzer ist als die Ausnehmung mit kantigem Querschnitt (Anspruch 4) . So wird eine gute Wirkung zusammen mit einem noch ausreichenden Geschoßgewicht erreicht .
Dabei ist es besonders vorteilhaft, daß die Ausnehmung mit kreiszylindrischem Querschnitt etwa halb so lang ist wie die mit kantigem Querschnitt (Anspruch 5) .
Besonders zweckmäßig ist es, daß die Ausnehmung mit kantigem Querschnitt sich nur über die Länge der Geschoßspitze erstreckt, bevor das Geschoß Kalibergröße hat (Anspruch 6) . Dabei wird ein leichte Einreißen der Geschossspitze erreicht, aber fortlaufend immer mehr er- schwert, bis der Beginn der Ausnehmung mit kreiszylindrischem Querschnitt einen milden Auslauf des Einrisse zur Folge hat .
Insgesamt hat sich eine Geschossgeometrie bewährt, bei der die Länge der Ausnehmung mit kantigem Querschnitt ein Fünftel bis ein Drittel, bevorzugt ein Viertel der Gesamtlänge des Geschosses beträgt (Anspruch 7) . So wird ein optimales Verhältnis zwischen Masse des Geschosses und Wirkung erreicht.
Bewährt hat sich auch, daß der Abstand zweier gegenüberliegender Seiten der Ausnehmung mit kantigem Querschnitt etwa ein Drittel des Kalibers beträgt (Anspruch 8) . Eine
kleinere Ausnehmung würde zu spät einreißen, eine größere für Splitter sorgen.
Grundsätzlich ist die Erfindung auf Geschosse aller Art anwendbar; die besondere Notwendigkeit und Wirkung sowie der besondere Nutzen der Erfindung wird aber dann erreicht, wenn das Geschoßkaliber etwa 4,6 mm beträgt (Anspruch 9) . Das Geschoß ist demnach deutlich kleiner im Durchmesser als alle bekannten Polizeigeschosse, wird aber nach dem Auftreffen auf ein Kaliber von etwa 9 mm aufgeweitet, ohne daß sich Splitter ablösen. Gleichzeitig ist bei verhältnismäßig niedriger Mündungsenergie eine optimal gestreckte Flugbahn erreicht.
Die folgenden Abmessungen ergeben sich als besonders vorteilhaft für ein solches Kleinstkalibergeschoss : so ist es vorteilhaft, daß der Abstand zweier gegenüberliegender Seiten des kantigen Querschnitts ca. 1,5 mm beträgt (Anspruch 10) und daß der Durchmesser der Ausnehmung mit kreiszylindrischem Querschnitt ca. 1,3 mm beträgt.
Grundsätzlich werden die Ausnehmungen in Hohlspitzgeschossen ausgefüllt oder mindestens überdeckt, um dafür zu sorgen, daß das Geschoß möglichst strömungsgünstig ist. Erfindungsgemäß wird aber vorgezogen, daß die Ausnehmungen offen sind (Anspruch 12) . So wird verhindert, daß eine Abdeckung oder Einlage sich vom Geschoß löst, was zu Zuführstörungen oder zu einer Veränderung der Außen- und Zielballistik führen kann. Es ist hierdurch auch ausgeschlossen, daß sich die Abdeckung oder Einlage beim Auftreffen vom Geschoß löst und so einen losgelösten Splitter bildet.
Die Erfindung wird anhand eines Ausführungsbeispiels mit der beigefügten Zeichnung noch näher beschrieben, deren einzige Figur einen Teil-Längsschnitt durch eine Patrone mit Geschoss zeigt .
Die Zeichnung zeigt eine Patrone 1 mit einer Hülse 3 und einem Geschoß 5, das von der Spitze her eine koaxiale Ausnehmung 7 aufweist. Diese Ausnehmung 7 besteht aus ei- nem ersten Abschnitt 9 mit Vierkantquerschnitt, der in die Geschossspitze einmündet. Der Vierkantabschnitt 9 setzt sich fort mit einer Ausnehmung 11 mit rundem oder kreiszylindrischen Querschnitt, die eine Sackbohrung bildet. Die Achsen der Ausnehmungen 9 und 11 fallen mit der gemeinsamen Mittelachse 13 von Geschoß 5 und Patronenhülse 3 zusammen.
Zwischen den beiden Ausnehmungen 9 und 11 ist ein sanfter Absatz 15 gebildet, mit geringer Erstreckung, die in der Mitte der Seiten des Vierkants zu jeder Seite hin nur einen Zehntel Millimeter beträgt. Dieser sanfte Abstand zur Ausnehmung mit rundem Querschnitt 11 hin sorgt dafür, daß nach Aufprall und Verformung des Geschosses die ausgebogenen Fahnen nicht abreißen.
Bei einem Nennkaliber von 4,6 mm beträgt die Länge der Vierkantausnehmung 9 nur 4,0 mm und die Länge der Rund- ausnehmung 11 nur 2,0 mm.
Da die Vierkantausnehmung 9 die Geschossspitze anschneidet, ergibt sich eine Öffnung mit geschwungenen Kanten und zurückgesetzten Ecken. Diese Öffnung sorgt dafür, daß das Geschoss 3 nach dem Auftreffen sehr rasch und gleichmäßig längs der Längskanten der Vierkantausnehmung 9 ein- reißt. Der Absatz zwischen Vierkant- und Rundausnehmung 9, 11 stoppt diese Risse, so daß die ausgebogenen Fahnen aus Geschossmaterial nicht abreißen können.
Das Geschoß 5 selbst weist keinen gesonderten, verformten und mit Blei gefüllten Mantel auf. Vielmehr wird das Geschoßmaterial aus einer hochzähen Weichmetallegierung gebildet, auf die eine Führungsschicht aus Kupfer o. dgl . aufplattiert bzw. aufgalvanisiert sein kann.
Das Gewicht des Geschosses 5 ist durch die beiden Ausnehmungen 9, 11 nur unerheblich verringert.