Die
mit dem Friedrich-Wilhelm-Murnau-Filmpreis im Jahr 1994 ausgezeichnete
▪
Literaturverfilmung der
Kurzgeschichte
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»Das Fenstertheater«
von ▪
Ilse Aichinger ist ein Kurzspielfilm
(Dauer: 3:30 min) des Regisseurs, Drehbuchautors und Produzenten Johannes
Fluhr. (ausleihbar bei den verschiedenen
Medienzentren)
Inhalt:
Nach dem Titelvorspann zeigt die Kamera einen Wohnzimmerschrank
mit zwei eingebauten Regalen. Während die Kamera langsam von rechts nach
links fährt, sind auf den Regalen zahlreiche Fotografien
unterschiedlicher Größe sowie verschiedene Dekorationsstücke zu sehen.
Gleichzeitig ist das Pfeifen eines Vogels, sowie, überlaut, das Ticken
einer Uhr zu hören. Eine Art Klatschen kommt dazu und kurz darauf bekommt
man von links zwei Hände zu sehen. Diese halten eine kleine Tischuhr, um
sie im nächsten Moment auf ein kleines Beistelltischchen vor dem
Wohnzimmerschrank zu stellen. Danach erscheint eine etwa sechzig Jahre
alte Frau, die zum geöffneten Fenster hinübergeht und einen prüfenden
Blick nach oben wirft. In dem Augenblick, in dem sie sich abwenden will,
erregt offenbar irgend etwas ihre Aufmerksamkeit, so dass sie innehält
und geradeaus hinausschaut. Im Fensterglas spiegelt sich die ganze Zeit
über die Fassade des gegenüberliegenden Wohnblocks. Danach erfolgt ein
Schnitt.
Zu sehen ist nun (ganz offensichtlich weiterhin aus der Perspektive des
Wohnzimmerfensters der Frau) der gegenüberliegende Wohnblock mit vier
Stockwerken. An einem der Fenster werden die Vorhänge beiseitegeschoben
und das Fenster geöffnet.
Schnitt: Zu sehen ist die Frau. Sie schließt das Fenster, tritt
ein wenig zurück, bleibt aber so stehen, dass sie weiterhin das andere
Fenster im Blickfeld hat. An diesem Fenster erscheint nun ein ebenfalls
älterer Mann, der ihr freundlich zulächelt. Zunächst scheint der Frau
dies zu gefallen. Jedenfalls lächelt sie zaghaft, streicht sich mit der
linken Hand übers Haar, als wollte sie es "zurechtrücken".
Schnitt: Der Mann trägt nun über seinem Hemd einen hellen
Morgenmantel sowie einen locker über die Schultern geschwungenen Schal
und einen Hut. Wie wenn er sie grüßen wollte, nimmt er seinen Hut ab und
setzt ihn wieder auf. Dann zieht er aus der Manteltasche ein weißes Tuch
und schwenkt damit auf und ab.
Schnitt: Auch diese Form des Grußes scheint der Frau durchaus
nicht unangenehm zu sein. Plötzlich aber geht sie etwas näher an das
Fenster heran und ihr Blick wird mehr und mehr misstrauisch, weil das
Verhalten des Mannes offenbar merkwürdig wird. Der hat nämlich
inzwischen das weiße Tuch abgelegt und schwingt stattdessen seinen Schal
durch die Luft. Doch sein Verhalten wird noch seltsamer. Nach einem kurzen
Zwischenschnitt auf die nun recht unsicher blickende Frau sieht
man, wie der Mann seinen Schal wie einen Turban auf den Kopf bindet und
sich danach mit verschränkten Armen verbeugt. Damit nicht genug. Zwischenschnitt
auf die Frau: Man sieht lediglich noch die Beine des Mannes in die Höhe
gestreckt. Nur ein paar wenige Sekunden, dann kippen sie langsam nach
hinten weg. Danach ist zu sehen, wie die Frau einen Telefonhörer auflegt.
Gleich darauf zeigt die Kamera - nach einem kurzen Blick auf das weiterhin
leere Fenster des Mannes - von oben, wie ein Polizeistreifenwagen auf den
Innenhof fährt.
Schnitt: Die Frau und zwei Polizisten stehen vor einer Wohnungstür
(an der das Schild "Kehrwoche" hängt). Sie klingeln, doch
niemand öffnet. Da schließt einer der beiden Beamten die Tür mit einem
Schlüssel auf (woher er diesen hat, bleibt unbekannt).
Schnitt:
Die Kamera zeigt die Rückenansicht des Mannes mit Blick zum Fenster
hinaus. Hinter dem Rücken trägt er ein Tuch und so schwingt er mit dem
Oberkörper hin und her. Jetzt erst ist zu sehen, dass auf der
gegenüberliegenden Seite ein Junge am Fenster steht, der dasselbe macht,
nur mit einem Kissen auf dem Rücken. Und erst jetzt wird klar, dass die
Frau das Verhalten des Mannes irrtümlicherweise auf sich ausgerichtet
verstand, während es tatsächlich dem Kind in ihrer Nachbarschaft galt.
Hier folgt nun der Abspann. Nachdem dieser vorüber ist, zeigt das
Schlussbild nochmals das lachende Kind.
(aus dem Beiheft zum Video, verfasst von Klaus Schuker,
leicht verändert und gekürzt)
Gestaltung:
Der Kurzspielfilm kommt ohne Worte aus und konzentriert die
Aufmerksamkeit des Zuschauers ganz auf das mimisch-gestische Verhalten der
Protagonisten und die Handlung.
Die Wohnblocksiedlung, in der die Geschichte spielt, wirkt trotz ihrer
grauen Fassade nicht gänzlich trostlos. Dies liegt vor allem an der
Sonne, die das Ganze in ein mildes Licht taucht.
Der Zuschauer übernimmt von Anfang an die Perspektive der Frau. Diese
lebt ganz offensichtlich in einer Welt der Erinnerungen, die durch die mit
Fotografien übersäten Regale des Wohnzimmerschranks symbolisiert wird.
Am Ende des langsamen Kameraschwenks steht die Uhr, die von der Frau
gehalten wird, und als Symbol für die Lebensuhr, die Lebenszeit,
verstanden werden kann. Während der Mann als Kommunikationspartner mit
dem Kind handelt und damit aktiv ist, verharrt die Frau in ihrer
Vergangenheit und wird nur in dem Augenblick aktiv, als die die Polizei
verständigt.
Besonders auffällig bei dieser Literaturverfilmung ist der Verzicht auf
die in der Kurzgeschichte von Ilse Aichinger erwähnten anderen Personen
(Passanten, Hausbewohner und sonstige Schaulustige). Damit fokussiert der
Film die Thematik der Geschichte eindeutig auf das Problem
gesellschaftlicher Isolation und Einsamkeit, während die allgemein
vorhandene Sensationsgier keine Rolle mehr zu spielen scheint.