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BWPolG § 28 GewahrsamHauserBeckOK Polizeirecht Baden-Württemberg, Möstl/Trurnit
21. Edition
Stand: 01.01.2021

§ 28 Gewahrsam

(1) Die Polizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn

  • 1.auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann, oder

  • 2.der Gewahrsam zum eigenen Schutz einer Person gegen drohende Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist und die Person

    • a)um Gewahrsam nachsucht oder

    • b)sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in einer hilflosen Lage befindet oder

    • c)Selbsttötung begehen will, oder

  • 3.die Identität einer Person auf andere Weise nicht festgestellt werden kann.

(2) Der in Gewahrsam genommenen Person sind der Grund dieser Maßnahme und die gegen sie zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich bekanntzugeben.

(3) 1Der Gewahrsam ist aufzuheben, sobald sein Zweck erreicht ist. 2Er darf ohne richterliche Entscheidung nicht länger als bis zum Ende des Tags nach dem Ergreifen aufrechterhalten werden. 3Eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam ist unverzüglich herbeizuführen. 4Der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung bedarf es nicht, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes des Gewahrsams ergehen würde. 5In der Entscheidung nach Satz 3 ist die höchstzulässige Dauer des Gewahrsams zu bestimmen; diese darf nicht mehr als zwei Wochen betragen.

(4) 1Für die Entscheidung nach Absatz BWPOLG § 28 Absatz 3 Satz 3 ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die in Gewahrsam genommene Person festgehalten wird. 2Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Buches 1 Abschnitte 1 bis 3 sowie 6, 7 und 9 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend, soweit

  • 1.in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist oder

  • 2.sich aus den Besonderheiten der richterlichen Entscheidung als einer Eilentscheidung nichts anderes ergibt.

3Die richterliche Entscheidung kann ohne persönliche Anhörung der in Gewahrsam genommenen Person ergehen, wenn diese rauschbedingt außerstande ist, den Gegenstand der persönlichen Anhörung durch das Gericht ausreichend zu erfassen und in der Anhörung zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen beizutragen. 4Sofern eine persönliche Anhörung durch das Gericht erforderlich ist, kann sie im Bereitschaftsdienst (§ BWAGGVG § 4 Absatz BWAGGVG § 4 Absatz 2 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit) auch telefonisch durchgeführt werden. 5Die richterliche Entscheidung wird mit Erlass wirksam; sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntgabe an die in Gewahrsam genommene Person. 6Die Entscheidung kann im Bereitschaftsdienst auch mündlich ergehen; in diesem Fall ist sie unverzüglich schriftlich niederzulegen und zu begründen. 7Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts findet die Beschwerde zum Landgericht statt; für die Beschwerde gelten die Vorschriften des Buches 1 Abschnitt 5 Unterabschnitt 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. 8Ist eine richterliche Entscheidung nach Absatz BWPOLG § 28 Absatz 3 Satz 3 ergangen, so ist die Anfechtungsklage ausgeschlossen.

Dokumentnavigation: Unterpunkte
  • A. Übersicht (Rn. 1-5b)

    • I. Allgemeines (Rn. 1-3a)

    • II. Rechtsschutz (Rn. 4)

    • III. Regelungen in anderen Bundesländern (Rn. 5-5b)

  • B. Begriff des Gewahrsams (Rn. 6-17)

    • I. Definition der freiheitsentziehenden Maßnahme (Rn. 6-10)

    • II. Einzelfälle (Rn. 11-17)

  • C. Voraussetzungen des Präventivgewahrsams (Rn. 18-26)

    • I. Schutzgüter (Rn. 18)

    • II. Unmittelbar bevorstehende Störung (Rn. 19)

    • III. Bereits eingetretene Störung  (Rn. 20)

    • IV. Erheblichkeit der Störung (Rn. 21, 22)

    • V. Verhältnismäßigkeit (Rn. 23)

    • VI. Präventivgewahrsam in der Rechtsprechung des EGMR (Rn. 24-26)

  • D. Voraussetzungen des Schutzgewahrsams (Rn. 27-35)

    • I. Die Person sucht selbst um Gewahrsam nach (Rn. 28)

    • II. Die Person befindet sich erkennbar in hilfloser Lage (Rn. 29-32)

    • III. Die Person will Suizid begehen (Rn. 33-35)

  • E. Gewahrsam zum Zwecke der Identitätsfeststellung (Rn. 36)

  • F. Verfahrensfragen (Rn. 37-67)

    • I. Unterrichtung des Betroffenen (Rn. 37-40)

    • II. Zuständigkeit (Rn. 41-43)

    • III. Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts (Rn. 44)

    • IV. Maßgebliches Verfahrensrecht (Rn. 45)

    • V. Die gerichtliche Entscheidung ist unverzüglich herbeizuführen (Rn. 46-50)

    • VI. Anhörung des Betroffenen und Ermittlung des Sachverhalts (Rn. 51-55)

    • VII. Die gerichtliche Entscheidung (Rn. 56-58)

    • VIII. Rechtsmittel (Rn. 59-64)

      • 1. Primärer Rechtsschutz (Rn. 59-63)

      • 2. Sekundärer Rechtsschutz (Rn. 64)

    • IX. Kosten (Rn. 65-67)

Zitiervorschlag:
BeckOK PolR BW/Hauser, 21. Ed. 1.1.2021, BWPolG § 28 Rn. 1-67
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