Terrassenhäuser auf der Kiesgrube

Terrassenhäuser auf der Kiesgrube

Jean-Pierre Weber erbaute als Ingenieur zusammen mit den Architekten Peter Grützner und Walter Bürgi die Siedlung am Sandbühlhügel als eine der frühsten Terrassensiedlungen im Kanton Bern. Die Einheit steht unter dem Schutz der Denkmalpflege und gilt als Zeugnis der damaligen Architektur.

«Ich bin einer der drei ältesten Bewohner hier», sagt Jean-Pierre Weber gleich nach der Begrüssung und, nachdem man mit einer kleinen Standseilbahn in den vierten Stock hochgefahren ist: «Meine Frau und ich leben seit 50 Jahren hier.» Dabei schiebt er Unterlagen über den Tisch, die er über die Entstehung der Terrassenhaussiedlung verfasst hat. «Ich war der Meinung», erklärt er «der Nachwelt dürfe ich schon mitteilen, wie die Siedlung entstanden ist.» Das steht ihm zu. Nicht, weil er von Anfang an hier wohnt, sondern, weil er zusammen mit zwei Architekten diese kühne Siedlung erschaffen hat. Die Denkmalpflege sieht darin ein wichtiges kultur- und architekturhistorisches Zeugnis eines Baustils, der damals typisch war im schweizerischen Wohnungsbau. Es wäre eine Untertreibung, die Terrassenhäuser, die in zwei Reihen mit je fünf Einheiten gebaut sind, als durchschnittlich zu bezeichnen. Die Beschreibung einer kleinen einstöckigen Villa mit sehr viel Wohnfläche trifft eher zu. Das Bauwerk hat eine Ausstrahlung, der man sich kaum entziehen kann. Weber bekräftigt dies ohne Umschweife: «Es sind keine ‹Hüsli›. Ich darf sicher sagen, dass es sich um sehr grosszügige Wohnungen handelt.» Solche, die einen prächtigen Blick auf das Belpmoos gewähren. Im Hintergrund grüssen Eiger, Mönch und Jungfrau und erinnern daran, dass alles von Menschen Erschaffene vergänglich ist. Was die Menschen jedoch nicht hindern soll, Dauerhaftes zu kreieren. Beispielsweise eine Wohnsiedlung, die vor einem halben Jahrhundert aussergewöhnlich war und dies immer noch ist.

Kein Agrarland beansprucht
Weber gibt gerne Einblick in die Anfänge: «Meine Frau und ich wohnten damals mit unseren vier Kindern in einem kleinen Einfamilienhaus auf Breitägerten. Wir suchten nach einem neuen, grös­seren Wohnsitz.» Ein zufälliges Treffen mit dem Architekten Peter Grützner, den er als Bauingenieur beruflich kannte, war der eigentliche Startschuss zum Projekt. Der Architekt war auf der Suche nach Bauland. Die Kiesgrube am Sandbühlhügel, in der seit langem kein Kies mehr abgebaut wurde, entging den beiden nicht und wie selbstverständlich standen die Fragen im Raum, wem denn diese eigentlich gehöre, was damit wohl passiere? «Das Kies wurde seinerzeit gebraucht, um die Sumpflandschaft im Belpmoos zu entwässern und daraus Agrarland zu gewinnen», erläutert der Kehrsatzer die Situation anfangs des letzten Jahrhunderts und erwähnt, dass die Terrassenhäuser gebaut wurden, ohne fruchtbares Agrarland zu beanspruchen. «Wir haben keinem Bauern Land weggenommen», betont er, weil ihm dies wichtig ist. Nach diversen Abklärungen wurde mit der Eigentümerschaft ein Baurechtsvertrag abgeschlossen. Die rechtlichen Grundlagen für Stockwerkeigentum gab es damals noch nicht, also gründeten die Bauherren eine Aktiengesellschaft, die heute noch besteht.

Hänge werden zu Wohnraum
Die Eigentümer jedes Hauses besitzen fünf Aktien, die mit dem Haus verbunden sind. Die Aktiengesellschaft als Besitzerin des gemeinschaftlichen Eigentums, wie die allgemeine Umgebung mit dem Schwimmbad, ist auch verantwortlich für den Unterhalt von allem, was in der Siedlung gemeinsam genutzt wird. Schliesslich, Ende der 1960er-Jahre, wurden von der Gemeindeversammlung Kehrsatz die Sonderbauvorschriften genehmigt. Als erstes musste die Unregelmässigkeit der Kiesgrube planiert werden. Darauf wurde eine Fundamentplatte schräg betoniert. Weshalb ein solcher Aufwand, warum nicht ein konventioneller Bau auf flachem Gelände? «Es war jene Zeit, als mit dem Bau von Terrassenhäusern begonnen wurde», antwortet Jean-Pierre Weber, «steile Hänge, an denen bisher kaum gebaut wurde, konnten so als Wohnraum nutzbar gemacht werden.» Durch die spezielle Bauweise entstand hangseitig ein dreieckiger Gang, in dem sämtliche Installationen für den Unterhalt der Siedlung bis heute untergebracht sind. Nebst anderen Vorzügen schätzt das Ehepaar Weber auch das Nebeneinander mit den Nachbarn. Mindestens 20 Meter seien diese entfernt, woraus ein freundliches, distanziertes Verhältnis entstehe. Ein halbes Jahrhundert reicht aus, um ein Projekt zu beurteilen. Würde Jean-Pierre Weber es wieder tun? «Auf alle Fälle», sagt er aus voller Überzeugung, «jederzeit. Das gemeinschaftliche Denken und Leben hat sich bewährt.»

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