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Was versteht man eigentlich unter Schnelligkeit?

Autor: Uwe Wenzel
Stand: 2017
Hintergrund

Von azyklischer Schnelligkeit über Schnelligkeitsausdauer bis hin zu den Synonymen Sprint oder Geschwindigkeit nutzt man in Deutschland mehr als 50 Begriffe, die sich rund um das Thema Schnelligkeit im Sport drehen. Auch im angloamerikanischen Sprachraum werden Begriffe wie Speed, Quickness oder Agility verwendet um Leistungsvoraussetzungen in Sportarten zu bezeichnen die wir oft einfach nur in die Schublade Schnelligkeit stecken. Das birgt nicht nur Kommunikationsprobleme, sondern wird auch der Bedeutung und den unterschiedlichen Dimensionen der Schnelligkeit im Sport und der daraus entstehenden Spezifik im Training nicht gerecht.


Antwort

Im Sport gibt es nicht die eine Schnelligkeit, sondern nur das Wort unter dem wir verschiedene Phänomene der Schnelligkeit zusammenfassen. Wir bedienen uns dabei der Geschwindigkeit oder Zeitdauer um die Schnelligkeit einer sportlichen Bewegung oder Tätigkeit zu beurteilen. Dies kann auf einer komplexen Ebene passieren, auf der unterschiedliche Leistungsvoraussetzungen miteinander wirksam werden – um beispielsweise die 100 m – Sprintleistung zu beurteilen. Allerdings ist die Schnelligkeit hier nur eine von mehreren Leistungsvoraussetzungen, die durch ein gezieltes Training verbessert werden kann. Schließlich trainiert man ja auch andere Leistungsvoraussetzungen wie Kraft und Technik gezielt und in einer gewissen Spezifik. Was nun aber sind Schnelligkeitsvoraussetzungen und die Millisekunden, die über Sieg oder Niederlage entscheiden können? Hilfreich ist, folgende Dimensionen voneinander abzugrenzen:


Reaktionsschnelligkeit

Die Zeit zwischen einem Signal und der ersten Reaktion wird im Wesentlichen durch die Prozesse der Informationsaufnahme und –verarbeitung bestimmt (kognitive Schnelligkeit). Im Sprint muss auf den Startschuss reagiert werden, im Kampfsport kann durch eine schnelle Reaktion ein Treffer verhindert werden und ein Torwart kann durch schnelles Reagieren seinen Kasten sauber halten.


Zyklische Schnelligkeit

Sie ist durch eine regelmäßige Bewegungsfolge der oberen und/oder unteren Extremität gekennzeichnet und wird durch den Wechsel von An- und Entspannung der beteiligten Muskulatur bestimmt. Die Tretfrequenz im Radsport oder die schnelle Anschubbewegung der Arme beim Rennrodeln können die entscheidenden Tausendstel Vorsprung bringen.


Azyklische Schnelligkeit

Sie tritt in der Regel als Teil einer komplexen Bewegung in einem oder mehreren Gelenken auf und kann einen Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (azyklisch reaktive Schnelligkeit) oder eine Willkürbewegung (azyklisch willkürliche Schnelligkeit) beinhalten. Die Beinarbeit mit schnellen Richtungswechseln in den Rückschlagspielen, der Jab im Boxsport oder die Handgeschwindigkeit im Speerabwurf können über Sieg oder Niederlage entscheiden.


Handlungsschnelligkeit / Agility

Sie ist als Mischform aus Reaktionsschnelligkeit sowie zyklischer und azyklischer Schnelligkeit aufzufassen und beinhaltet typischerweise mehrere Bewegungen und Bewegungskombinationen mit Tempo- und Richtungswechseln. Eine Finte im Fußball oder eine schnelle Annahme mit Abschluss im Handball können zum entscheidenden Tor und damit zum Sieg führen.


Zu beachten ist, dass mit Ausnahme der Reaktionsschnelligkeit, Schnelligkeitsvoraussetzungen immer in Verbindung mit einer Kraftwirkung auftreten und man sich jede (Teil-) Bewegung auf einem Spektrum zwischen Maximalkraftanforderung und Widerstandslosigkeit vorstellen kann. So wie an dem einen Ende das muskuläre System im Vordergrund steht und die Kraft bedingt, kann man am anderen Ende das Nervensystem als bestimmendes Funktionssystem setzen. So spielen zum Beispiel die Impulsmuster der Nervenfasern eine wichtige Rolle, die durch Training verändert werden können und wiederum die Ausprägung von sogenannten FTund ST-Fasern im Muskel beeinflussen.


Handlungsempfehlungen

Frage Dich, welche Bedeutung die Schnelligkeit in Deiner Sportart hat.

Bewerte, wo sich die 4 Dimensionen mit welchem Anteil in der Leistungsstruktur wiederfinden.

Beurteile, die individuellen Schnelligkeitsvoraussetzungen Deiner Athleten und entscheide welche Trainingsschwerpunkte angebracht sind.

Literatur
  1. Krug, J., Wenzel, U., Voß, G., Kurth-Rosenkranz, R. & Witt, M. (2017). Diagnostikum der elementaren motorischen Schnelligkeit. Sport und Wissenschaft (Beiheft 12 zu den Leipziger Sportwissenschaftlichen Beiträgen). in Druck.
  2. Voss, G., Witt, M. & Werthner, R. (2007). Herausforderung Schnelligkeitstraining. Aachen: Meyer & Meyer.
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