MTB-Touren UmbrienIm Trail-Paradies rund um den Trasimeno See

Gitta Beimfohr

 · 06.10.2023

Der Obere Seeweg über dem umbrischen Trasimeno See. Die ganze Runde ist an einem Tag nur für sehr Ambitionierte zu schaffen.
Foto: Franz Faltermaier
Umbrien ist die einzige Provinz auf dem italienischen Stiefel, die keinen Strand am Meer bieten kann. Dafür aber ein fast 3000 Jahre altes Kultur-Wegenetz für ausgedehnte MTB-Trail-Touren. Dazu den großen Trasimeno See, welliges Hügelland und beste Weine. Hier sind unsere Tipps für Mountainbike-Strecken dort.

Bei Maria muss man zuerst eine Nummer ziehen. Ich versuche mir einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen und reiße den nächsten Papierschnipsel von der Rolle: Nummer 97. “Ah, dann haben wir noch Zeit”, sagt Silvia und deutet auf die Wand über unseren Köpfen. In der Digitalanzeige leuchtet gerade die 68 auf. Wir lassen uns auf einer Bank nieder. Obwohl der Gastraum des “Faliero Torta De La Maria” gesteckt voll ist, herrscht kein Gedränge. Trotzdem lässt Silvia die Digitalanzeige nicht aus den Augen. Weil es manchmal nämlich auch richtig schnell geht, und man darf auf keinen Fall verpassen wenn... 95, 96 ...jetzt! 97, wir sind dran. Silvia springt mitten im Satz auf. Wir schlängeln uns an den Wartenden vorbei bis an die Glastheke. Dahinter steht nicht mehr Maria, wie all die Jahre zuvor, sondern ihr Sohn. Ebenfalls groß und kräftig. “Prego!” Meine Augen hetzen über die unzähligen Schalen und Schüsseln in der Auslage: Frittierte Knödel in verschiedenen Formen und Größen, eingelegtes Gemüse, Salate, Meeresfrüchte. Im Hintergrund lodert ein offenes Feuer. Fünf Mitarbeiter hantieren darin mit Pfannen, auf welchen flache Brote backen. Die Fladen werden wie Brötchen aufgeschnitten und mit grober Bratwurst oder Ruccola und Frischkäse gefüllt. Die Augen von Marias Sohn ruhen noch immer auf mir - ich bin froh, dass Silvia die Bestellung übernimmt. Sie spricht fließend Italienisch. Schließlich balancieren wir unsere schwer beladenen Tabletts durch die Tür in den Garten hinaus. Runde Holztische warten unter Pinien, dahinter reihen sich auf einem langen Rasenstreifen bayerische Biergarten-Garnituren - mit Blick auf den Trasimeno See.

Das “Da Maria” wie Einheimische das Gasthaus immer noch liebevoll nennen, scheint das bekannteste Restaurant Umbriens zu sein. “Wenn ich in Deutschland erwähne, dass ich am Trasimeno See wohne, dann höre ich oft: Ach, bei Maria!”, erzählt Silvia. Dass dieses Schnellrestaurant im Fernfahrerstil über die italienischen Landesgrenzen hinaus so bekannt ist, verwundert mich ebenso wie die Landschaft drum herum. Auf der Karte ähnelt der Trasimeno See dem bayerischen Chiemsee: kreisrund, drei Inseln baden im Wasser und an seinem Nordufer führt eine Schnellstraße entlang. Allerdings grenzt der Trasimeno See nicht an ein alpines Gebirge, sondern kuschelt sich in ein Bett aus sanften Hügeln. “Täusch’ dich nicht!”, grinst Silvia und ich fühle mich ertappt, obwohl ich meine Gedanken noch gar nicht ausgesprochen habe. “Die Anstiege auf diese Hügel haben es ganz schön in sich.”

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MTB-Trails: Die Gewürze am Wegesrand duften so stark, dass man sie auf der Zunge schmeckt

Sandige Trails zweigen vom Oberen Seeweg Richtung Ufer ab. Sie kurven durch Ginster und Kräuter.Foto: Franz FaltermaierSandige Trails zweigen vom Oberen Seeweg Richtung Ufer ab. Sie kurven durch Ginster und Kräuter.

Und Silvia sollte recht behalten. Am nächsten Morgen führt sie uns zu einem Schotterweg, der zur “Oberen Seerunde” hinaufklettert. Kurve um Kurve schrauben wir uns den Anstieg hoch, die Zypressen malen mit ihren Schatten eine Art Zebrastreifen auf den Weg. Auf einer Höhe von 600 Metern bleibt Silvia schließlich stehen. Der See liegt nun wie eine große Pfütze zu unseren Füßen - wir haben den Einstieg in den Oberen Seeweg erreicht. Überraschend kühler Wind bläst um die Anhöhe, am Horizont türmen sich erste Wolkenkissen. Aber heute werden wir die komplette Umrundung des Sees sowieso nicht mehr schaffen. “Dafür nimmt man sich auf jeden Fall zwei Tage Zeit”, sagt Silvia.

“Die Tour ist ein ständiges Auf und Ab über die Hügel. Da stecken viel zu viele Höhenmeter für einen Tag drin.” Aber einen Teil davon erleben wir jetzt und schnell wird klar, was Silvia meint. Wir folgen dem ausgeschilderten Weg, der seinen Untergrund so oft wechselt wie wir unsere Gänge. Für manch sandige Rampe wandert die Kette auch schon mal auf größte Ritzel. Dabei duften die Kräuter am Wegesrand so stark, dass ich ihren Geschmack auf der Zunge habe. In einer Waldabfahrt treffen wir auf ein paar Wanderer mit Körben unterm Arm. Pilze im Mai? “Nein, die suchen wilden Spargel!” ruft Silvia über die Schulter, muss sich dann aber auf die querliegenden Wurzeln vor ihrem Lenker konzentrieren. Nach einigen Kilometern auf dieser immer wieder aussichtsreichen Route nehmen wir eine Trail-Abfahrt zurück zum Seeufer. Der Pfad ist etwas eingewachsen, aber schön schwungvoll und spielerisch in die Hügelflanke drapiert. Eine Abfahrt, die Silvia noch nicht kannte. Trial and Error - auf diese Weise hat auch ihr Bruder, Trial-Legende Hans “No Way” Rey hier einst seine Wahlheimat am Trasimeno See erkundet. Denn auf die wenigen Karten, die es von dieser Gegend gibt, kann man sich nicht besonders verlassen.

Umbrien sollte man nie mit der Toskana vergleichen - oder nur heimlich

Mich erinnert die umbrische Landschaft sehr an die Hügel der benachbarten Toskana. Doch diesen Vergleich will Silvia nicht gelten lassen: “Umbrien hat viel mehr Wälder! Es ist ursprünglicher und wilder - Karawanen von Touristenbussen wirst du hier nicht finden.” Na ja, in Assisi vielleicht oder in der Provinzhauptstadt Perugia. Doch die Landschaft drumherum wurde bisher von Busumkehrplätzen und Souvenirständen größtenteils verschont. Sicher liegt es daran, dass Umbrien die einzige italienische Provinz ist, die weder ans Meer noch an ein anderes Land grenzt. Die umbrische Bevölkerung dachte bis vor einigen Jahren noch nicht mal darüber nach, mit Tourismus Geld zu verdienen. Im Gegenteil - Silvias Augen werden groß: “Es gab sogar schon Vorschläge, den Trasimeno See trocken zu legen, um mehr Ackerland zu gewinnen.”

Schnell noch ein paar Spezialitäten fürs Abendessen einkaufen. In einigen Dörfern scheinen die Uhren stehen geblieben zu sein.Foto: Franz FaltermaierSchnell noch ein paar Spezialitäten fürs Abendessen einkaufen. In einigen Dörfern scheinen die Uhren stehen geblieben zu sein.

Doch dann verirrten sich doch ein paar Touristen in diese Gegend und bemerkten, dass der Rotwein hier genauso samtig schmeckt und die Pizza ebenso knusprig ist - aber nicht mal halb so viel kostet wie drüben, in der berühmteren Toskana. Auch stressgeplagte Manager aus Rom erkannten den Erholungswert dieser Landschaft, kauften alte Gutshäuser auf und sanierten daraus edle Landsitze mit Swimmingpool. Seither sind im Sommer auch die Campingplätze am See immer gut gefüllt.

Lebensaufgabe: MTB-Trails tracken

So kam auch Silvia hierher. Die Mitbegründerin des Biketouren-Veranstalters Alps Biketours brach vor 21 Jahren ihre Zelte in München ab und folgte ihrem Bruder Hans nach Umbrien. Zusammen mit ihrem Mann Jürgen machte sie sich daran, sämtliche Wege der Region mit GPS aufzuzeichnen. In einer Zeit, in der die Region gerade erst begann, Wanderwege anzulegen. Viele Wege stammen zwar noch von den alten Etruskern und Römern, waren aber natürlich verwildert und mussten erst freigeschnitten werden. “Da drüben”, Silvia bremst auf einer unserer Höhenweg-Touren plötzlich ab, “seht ihr diesen Talkessel am anderen Seeufer? Da hat Hannibal - nach seiner Traverse über die Alpen - ein 20.000 Mann starkes römisches Heer reingelockt und vernichtend geschlagen. 217 vor Christus war das.” Später hoppeln unsere Reifen über große Kieselsteine, die einst von Etruskern in den gelben Sand geklopft wurden. Erstaunlich, wie gut diese uralten Wege noch erhalten sind. Selbst die Ginsterbüsche plustern ihre explodierenden Äste nur in respektvollem Abstand über die historischen Steine auf.

Bergauf über angenehme Schotterpisten, aber bergab darf es dann gern etwas mehr sein: Es gibt kaum noch einen Weg, den Silvia nicht ausprobiert hat.Foto: Franz FaltermaierBergauf über angenehme Schotterpisten, aber bergab darf es dann gern etwas mehr sein: Es gibt kaum noch einen Weg, den Silvia nicht ausprobiert hat.

Am Abend fahren wir mit dem Auto nach Citta de la Pieve zum Pizzaessen. Wir parken das Auto in der Altstadt und biegen zu Fuß in eine Seitengasse ab. Über einer Tür leuchtet der Schriftzug “Pizza”. Dazu passt die Einrichtung: einfache Holztische mit weißen Tischdecken, PVC-Boden, grelles Licht - nicht gerade eine Oase der Gemütlichkeit, aber die allerbeste Pizza der Region. Leider weiß das nicht nur Silvia. Alle Tische sind bereits belegt. Also warten wir an der Bar. So wie der einstige deutsche Außenminister Joschka Fischer offenbar auch. Ein Foto an der Wand zeigt, wie er sich hier im Urlaub mit seinem damals ebenfalls amtierenden Kollegen Otto Schily aus dem Innenministerium traf. Beide brav an der Bar auf einen Tisch wartend. Denn in dieser Pizzeria kann man weder reservieren, noch eine Nummer ziehen.



Infos zum MTB-Revier Trasimeno See

Von der Form her so rund wie der Chiemsee, aber mit 128 Quadratkilometern Fläche eineinhalb Mal so groß: der Trasimeno See.Foto: Franz FaltermaierVon der Form her so rund wie der Chiemsee, aber mit 128 Quadratkilometern Fläche eineinhalb Mal so groß: der Trasimeno See.

Das Revier

Der Trasimeno See liegt auf 259 Metern Höhe nahe der Grenze zur Toskana, umgeben von bis zu 800 Meter hohen Hügeln. die Anstiege sind daher nicht wirklich lang, enthalten aber oft Rampen. Viele Touren führen über Sand- und Schotterpisten ohne fahrtechnische Schwierigkeiten. Die Singletrails der Region geben sich eher sanft, aber es gibt auch Waldpfade mit Felsen und Wurzeln durchsetzt - da haben auch Bike-Ikonen wie Hans Rey und Brian Lopes Spaß. Italien: Big Smile-Supertrail am Trasimeno See.

Beste Tourenzeit: März bis Juni und September bis November. Im Hochsommer ist es meist zu heiß zum Biken.

Campingplatz: Er ist noch im Bau, aber im Frühjahr eröffnet in Sant`Arcangelo, direkt am Südufer des Trasimeno Sees, der erste Glampingplatz mit jeglichem Luxus.

Essen & Trinken: Nicht verpassen sollte man ein Picknick im Sonnenuntergang über dem Lago di Chiusi, organisiert vom Weingut Madrevite www.madrevite.it
Bruscetta mit frischem Olivenöl, serviert im Olivengarten der Familie Vitali www.ilvecchiopiantone.it

Wer braucht da noch einen überfüllten Sandstrand: Villa Rey Country Resort in Panicale.Foto: Carmen ReyWer braucht da noch einen überfüllten Sandstrand: Villa Rey Country Resort in Panicale.

Unterkunftstipp: die Villa Rey Country Resort in Panicale. Silvia Rey hat hier zusammen mit ihrem Mann Jürgen 2006 ein altes Landhaus zu einer wahren Wellness-Oase aufpoliert. Mit Bike-Verleih, eigenem Restaurant, toller Küche, Wellness- und Yoga-Programm und großem Pool im Garten. Als erfahrene Touren-Guides zeigen sie natürlich auch die besten Trails der Region. www.villarey.eu und www.alpstours.eu

bike/umbrien-logo-small-2022-400-pixels_efadf58eb080e507feae04a55bd67b59Foto: Cathleen Foderaro

Tour & Kultur: Umbriens schönste Radrouten

Hunderte von Kilometern misst das Radwegenetz in Umbrien. Die ausgeschilderten Routen fädeln unterwegs Kultur-Highlights des Landes auf.
© Umbria Region

Nach Umbrien nur wegen der Trails zu kommen, wäre Frevel. Natürlich sollte man auch der historischen Altstadt von Perugia einen Besuch abstatten. Aber auch die Hügellandschaft um die Hauptstadt Umbriens herum stecken voller historischer Kunstschätze. Um sie zu entdecken, muss man nicht einmal ins Auto steigen, denn es gibt ausgeschilderte Radrouten, die diese Sehenswürdigkeiten nacheinander auffädeln. Einen Überblick über dieses mehrere Hundert Kilometer weite Tourennetz gibt’s unter www.umbriatourism.it/de/fahrrad

Der Skulpturenpark Brufa inmitten der Weinberge von Torgiano: Schon von Weitem sieht man die beeindruckenden Freiluft-Werke aus Wald und Wiesen ragen. Moderne Skulpturen, die in direktem Dialog mit der Landschaft stehen sollen. 30 Künster durften sich hier bisher verewigen und jedes Jahr kommt eine Skulptur dazu. Anschließend lohnt es sich die knapp zehn Kilometer weiter nach Deruta zu pedalieren, um auch noch das umbrische Zentrum für traditionelle Keramik zu besichtigen.
Die Tour: www.umbriatourism.it/web/umbria/-/torgiano-and-deruta-among-wine-and-majolicas-en

Vorgabe für die 30 Künstler: Die Skulpturen sollen mit der Natur in Einklang stehen - Skulpturenpark Brufa.Vorgabe für die 30 Künstler: Die Skulpturen sollen mit der Natur in Einklang stehen - Skulpturenpark Brufa.

Die Kuppel von Bevagna: Fast schon wie ein Raumschiff parkt der futuristisch anmutende “Carapace” auf einem Hügel der Weinkellerei Lunelli. Von außen eine gigantische Kuppel und architektonische Sehenswürdigkeit, innen ein sicher traumhaft schöner Arbeitsplatz. Ein Werk von Künstler Arnaldo Pomodoro, das es auf der Radroute Nr. 5 zu entdecken gibt, einer leichten 26 Kilometer langen Tour durch die Orte Bevagna, Cannara, Bettona, Torre del Colle im Weinanbaugebiet Sagrantino.
Info: www.umbriatourism.it/de/-/route-05-the-countryside-between-monte-subasio-and-bevagna

Der “Carapace” in Bevagna sieht aus, als würde er gleich Richtung Weltraum starten, tatsächlich aber lagern unter diesem Dach die Fässer der Weinkellerei Lunelli. Ein Werk von Arnaldo Pomodoro.Foto: Pietro CarrieriDer “Carapace” in Bevagna sieht aus, als würde er gleich Richtung Weltraum starten, tatsächlich aber lagern unter diesem Dach die Fässer der Weinkellerei Lunelli. Ein Werk von Arnaldo Pomodoro.

Assisi, UNESCO-Weltkulturerbe: Die gesamte Stadt wurde zum Kulturerbe erklärt, denn es ist die Heimat des Heiligen Franziskus, dessen Botschaft des Respekts für die Natur und alle Lebewesen bis heute nachhallt. Das Leben und sämtliche Werke des “Schutzpatrons der Tiere” erlebt man auf der Radroute “Franziskusweg”. Ein Pilgerweg, dem man auch mit dem Rad in sieben Etappen durch Wälder, Felder und Olivenhaine bis nach Rom folgen kann.
Alle Infos dazu: www.viadifrancesco.it/de/pilgerwege-franziskusweg-nach-assisi-italien/fahrradwege

Assisi, die Heimat des Heiligen Franziskus, zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe.Foto: Marcello ScopellitiAssisi, die Heimat des Heiligen Franziskus, zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Cascata delle Marmore - Marmorfall: Steht man vor diesem tosenden Naturschauspiel in den Wäldern nahe der Stadt Terni, dann glaubt man nicht, dass die drei Stufen einst künstlich von Menschenhand angelegt wurden. Doch es waren tatsächlich bereits die alten Römer, die den Velino-Fluss hier 165 Meter in die Tiefe stürzen ließen. Bis heute ist es der höchste künstlich angelegte Wasserfall Europas. Wanderwege führen durch den artenreichen, dschungelartigen Wald, der von der Gischt des Wasserfalls reichlich bewässert wird. Unterhalb der Fälle wird der Fluss Nera für Kajakfahren und River Rafting genutzt.
Info: www.umbriatourism.it/de/-/wasserfall-von-marmore

Von uralter Römerhand einst künstlich angelegt: die Cascata delle Marmore bei Terni.Foto: Umbria RegionVon uralter Römerhand einst künstlich angelegt: die Cascata delle Marmore bei Terni.

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