Deutschland gab sich empört, als die Sache herauskam. „Unerträglich“, schäumte Bundeskanzler Helmut Kohl, „Kampagne“, bellte dessen Außenpolitiker Volker Rühe, und Mitarbeiter von Außenminister Hans-Dietrich Genscher zürnten, einmal mehr wollten Amerikaner „in der deutschen Scheiße rühren“.
Der Zorn galt nicht der Sache, sondern den amerikanischen Freunden, die sie aufgedeckt hatten. Wiederholt hatten US-Offizielle ihre Partner informiert, dass deutsche Lieferanten Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi eine schlüsselfertige Giftgasproduktion bauten. Als Kohl Ende 1988 zu Präsident Ronald Reagan reiste, zeigten ihm die Gastgeber messerscharfe Satellitenbilder. „Auschwitz in the Sand“, titelte die „New York Times“. Treffend, da sich Gaddafi gleichfalls mit deutscher Hilfe um Jets kümmerte, um die Giftbomben nach Israel zu fliegen.
Die Regierung bremste dennoch die Ermittler. Behörden übersahen bei Imhausen-Chemie im badischen Lahr zunächst alle Beweise. Chef und Haupteigner Jürgen Hippenstiel-Imhausen kam erst einmal mit der Ausrede durch, man habe mit den Libyern nur über eine Plastiktütenfabrik gesprochen.
Der Chef ließ sich „Hippi“ nennen – obgleich er mit Vatermörderkragen und herrischem Auftritt nichts von einem Blumenkind hatte. Als die Geheimdienstinfos erdrückend wurden, kam er im Mai 1989 doch in Haft. Der Prozess endete 1990 nach rekordkurzer Verhandlungszeit mit einem Deal: nur fünf Jahre wegen Steuerhinterziehung und Außenwirtschaftsvergehen. Im Sommer 1993 durfte der Boss raus. Das Gericht ließ ihn sogar die Beute behalten. Rund 90 Mio. D-Mark, schätzten die Fahnder, hatte Hippi auf private Geldspeicher etwa in Liechtenstein transferiert.
Längst waren mehr Ungereimtheiten bekannt: Schon im Sommer 1985 hatte ein Diplomat das Außenamt per Telex über die Sache informiert. Darin war auch angedeutet, dass die bundeseigene Salzgitter AG eine wesentliche Rolle im Giftprojekt spielte – sie lieferte die Pläne. Die Skandalfirma Imhausen flog gleichzeitig wegen Drogengeschäften und Subventionsbetrug auf. Trotzdem verkaufte Hippenstiels Gattin sie erfolgreich in die Schweiz.
Die Reste der Giftfabrik indes kehrten 2016 nach Deutschland zurück. Die bundeseigene Firma Geka in Münster entschärfte sie – auf Kosten der Steuerzahler.
Hauptperson
Jürgen Hippenstiel, geb. 1941, kam als Doktor der Volkswirtschaft zu Imhausen-Chemie, heiratete Firmenerbin Violetta und hieß seitdem Hippenstiel-Imhausen. Nach der Haft orteten Medien den „Händler des Todes“ (Zitat eines Staatsanwalts) zurückgezogen in Südfrankreich.
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