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Duisburg - Dort, wo sich vor drei Tagen Technofans drängten, flackern nun hunderte Kerzen. Daneben haben Angehörige Plüschtiere und Briefe hingelegt: "Und keiner hat Schuld, jeder Vollidiot hätte es besser gewusst", schrieb jemand auf ein Pappschild.

Bei der 19. Loveparade auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs in Duisburg war es am Samstag zu einer Massenpanik gekommen. 20 Menschen - am Montag starb eine Verletzte in einem Krankenhaus - wurden getötet, mehr als 500 wurden verletzt. 16 der Toten fanden die Sanitäter auf jener Rampe, die von dem Zugangstunnel auf das Gelände führte, unterhalb einer ungesicherten Betontreppe. Sie dürften von der Treppe gestürzt und erdrückt worden sein.

Warum vor der Treppe kein Zaun stand, ist nur eine von vielen Fragen, die nun Staatsanwälte beantworten müssen. Sie ermitteln wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung gegen unbekannt. Die "Genehmigung einer vorübergehenden Nutzungsänderung" könnte einige Antworten geben. Nur zwei Seiten füllt die städtische Bewilligung der Veranstaltung. Die Bauaufsicht befreit darin die Veranstalter davon, die vorgeschriebene Breite von Fluchtwegen einzuhalten und verzichtet auf "Feuerwehrpläne" , wie Spiegel online schreibt. Laut Kölnischer Rundschau von Dienstag wurde die Veranstaltung erst am Samstag früh genehmigt.

Das Gelände war nur für 250.000 Menschen zugelassen. Kurz vor der Party rechneten die Veranstalter aber noch mit 1,4 Millionen Besuchern. Auf der Pressekonferenz nach der Tragödie wollten sich die Verantwortlichen auf keine Zahl festlegen. Sicher sei nur, dass etwa 105.000 Menschen mit der Bahn angereist waren und das Gelände zu keinem Zeitpunkt voll war, erklärte Duisburgs stellvertretender Polizeichef Detlef von Schmerling.

Vorwürfe von der Polizei

Nachdem bisher die Duisburger Polizei ermittelte, soll sie den Fall nun an eine andere Behörde abgeben. Laut Medienberichten entweder an die Polizei Essen oder Köln. So soll verhindert werden, dass den Beamten Befangenheit vorgeworfen wird. Bereits am Montag gab es Berichte, wonach in einigen Polizeistationen Unterlagen zur Planung der Loveparade vernichtet worden waren.

Vorwürfe kommen auch von der Polizei selbst: Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, glaubt, dass Stadt und Veranstalter auf Kosten der Sicherheit sparen wollten: "Darauf gibt es Hinweise" , sagt er der ARD. Bochums früherer Polizeipräsident Thomas Wenner will den Duisburger Bürgermeister Adolf Sauerland (CDU) gar anzeigen. Die Stadt Bochum hatte sich 2009 trotz Protesten geweigert, die Loveparade auszurichten, weil die Stadt nicht über den passenden Veranstaltungsort verfüge.

Sauerland spekulierte am Montag über seinen eigenen Rücktritt: "Gestern und heute ist die Frage nach der Verantwortung gestellt worden, auch nach meiner persönlichen. Ich werde mich dieser Frage stellen" , sagte er in einem Radiointerview. Er hatte am Montag die Unglücksstelle besucht und war von aufgebrachten Angehörigen ausgebuht und mit Müll beworfen worden. Er habe Verständnis für das Verhalten der Angreifer, sagte er danach.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens kündigte am Montag eine Trauerfeier für die Verstorbenen an, auf öffentlichen Gebäuden wurden schwarze Fahnen gehisst.

Wer wie viel für entstandene Schäden zahlt, ist noch unklar. Die Loveparade und ihr Veranstalter, die Fitnesscenterkette McFit, ist mit 7,5 Mio. Euro bei Axa versichert. Sollten keine weiteren Polizzen abgeschlossen worden sein, muss der Veranstalter für alle Schäden selbst haften. (tob/DER STANDARD, Printausgabe, 27.7.2010)