Christian Nickel und Pauline Knof in "Einsame Menschen".

Foto: Sepp Gallauer

St. Pölten - Ein Mann steht zwischen zwei Frauen. Es ist eine klassische wie konfliktträchtige Konstellation, die Gerhart Hauptmann in seinem frühen Drama Einsame Menschen beschreibt. Und eine, die er, der sich mittels Eheschließung finanziell absicherte, nur allzu gut kannte. Aus seiner nächsten Verwandtschaft stellte Hauptmann das Personal seiner Familientragödie zusammen, die Janusz Kica nun für das Landestheater Niederösterreich inszenierte.

Darin zieht es den jungen Philosophen und Familienvater Johannes Vockerat "nur" auf geistiger Ebene zu einer anderen. Umso weniger kann er verstehen, dass es ihm seine Gattin und die fromme Mutter (Brigitta Furgler) nicht gönnen, gelegentlich mit der im Familienhaus einquartierten Studentin Anna Mahr (Pauline Knof) zu rudern und tiefsinnige Gespräche zu führen. Schließlich kann ihm sein trautes Heimchen Käthe doch unmöglich ein gleichwertiger Gesprächspartner sein.

Inspiriert von Ibsens Rosmersholm, unterfütterte Hauptmann den Konflikt im Hause Vockerat mit den Differenzen, die sich aus den progressiven Ansichten des von Darwin inspirierten Johannes in Gegenüberstellung zu der Frömmelei seiner Familie ergeben. Dieser philosophische Diskurs wird in St. Pölten ausgeklammert, Kica zeigt Einsame Menschen als zeitloses Beziehungsdrama. Die Musik kommt von den Comedian Harmonists und Radiohead, die Kostüme (Aleksandra Kica) geben ebenso wenig wie die unterschiedlichen, auf der aufgeräumten Bühne (Karin Fritz) arrangierten Sessel Aufschluss, ob wir uns in den 50er-Jahren oder in einer urbanen Künstler-WG befinden.

Die Offenheit zwischen Vergangenheit und Gegenwart greift während zweier handlungsarmer Stunden leider auf die gesamte Inszenierung über, gibt ihr etwas Unentschlossenes. Das Geschehen wirkt oft vertraut, bleibt aber doch in seiner fatalen Konsequenz zu befremdlich, um zu berühren. Antje Hochholdinger bleibt als Käthe, deren Qualen eigentlich die nachvollziehbarsten wären, zudem recht konturlos, rückt das selbstgemachte Leid des Johannes allein ins Zentrum.

Mütterliche Rockfalten

Christian Nickel liefert in der Hauptrolle zwar eine gute Leistung zwischen den Höhen seiner intellektuellen Ansprüche und der Tiefe der mütterlichen Rockfalten, sein nur mild angedeutetes Ende macht dennoch mehr Achselzucken als betroffen. (Dorian Waller, DER STANDARD - Printausgabe, 30. Jänner 2012)