Zwischen Orient und Okzident: die libanesische Mezzosopranistin Fadia El-Hage.

Foto: Kmetitsch
Graz – Das Psalm -Festival bringt mehr als Musik. Es weist auf die Ähnlichkeit der Religionen in ihren Ursprüngen hin und regt zum Diskurs über aktuelle Differenzen an. Fadia El-Hage, eine der bekanntesten klassischen Sängerinnen des Libanon, singt am Ostersonntag mit interkonfessionellem Ensemble Händels Messias . Dieser multikonfessionelle Aspekt stehe für ihr Mitwirken allerdings hinter den musikalischen Intentionen, erklärt die 44-jährige Mezzosopranistin aus dem christlichen Teil Beiruts.

"Dialoge zwischen den Religionen sind für mich etwas Normales – im Libanon haben wir 18 Konfessionen, und wir leben nicht parallel zueinander, sondern einfach miteinander." Eine neue Erfahrung ist allerdings die Zusammenarbeit mit der israelischen Sopranistin Dana Marbach. "Dass sie als Jüdin und ich als arabische Christin gemeinsam für Jesus singen, für Frieden und Verständnis, ist sehr aussagekräftig. Dabei denken wir nicht an die Konflikte unserer Länder." Aktuelle Politik versucht El-Hage während ihrer künstlerischen Arbeit als Abstraktion zu sehen; politische Probleme, so gravierend sie seien, sollen nicht "zwischen uns und unseren friedlichen Intentionen stehen".

"Bunte" Besetzung

Schon 1742, als Händel Messias in Dublin uraufführte, war das Oratorium als überkonfessionelle Botschaft angekündigt. Eine katholische Sopranistin sang damals mit einem katholisch-anglikanisch gemischten Chor; in Graz singen nun El-Hage und Marbach mit einem österreichischen Pastorensohn (Daniel Johannsen) und einem muslimischen Bass (Shadi Torbey) -Roy Goodman dirigiert.

Zurück zu den politischen Dimensionen musikalischen Schaffens: Begeistert ist El-Hage von Daniel Barenboims West-Östlichem Diwan-Orchester, das El-Hages Fokus auf die ausschließlich künstlerische Arbeit im Sinne der Friedensstiftung entgegenkommt. Das Orchester, zusammengesetzt aus jungen Musikern etwa aus dem Libanon, Jordanien oder Israel, konzentriert sich Kulturen verbindend auf gemeinsame musikalische Erfahrungen. Politische Details solle man in so ein Projekt nicht einschließen, meint El-Hage. "Die Politik hat zu viele unterirdische Wege – man könnte sich verlaufen." Sie plädiert für einen idealistischen Ansatz auf der Ebene der Menschenrechte.

"Taktvoll" und positiv

Fadia El-Hage hat einen Namen in der arabischen Welt, auch wenn sie da "bescheidener denken" will. Sie sitzt in der Jury des libanesischen Starmania (La nouvelle Star) und kann da jeden Sonntag via Fernsehen über Kunst und Moral sprechen. Obwohl sie sich politisch neutral definiert, übt sie so auch Kritik an Politikern. Immer, aber "taktvoll und mit Positivität". Ihre Kritik solle "gut ankommen, nicht provozieren".

Bereits mit 14 hatte El-Hage mit den Rahbani-Brüdern und der Sängerin Fairuz gearbeitet, einem Trio, das im Libanon als Symbol nationaler Identität und selbstbewusster Modernität gilt. Aus dieser Zeit kommt ihre Vorliebe für traditionelle arabische Musik. Heute komponieren libanesische Musiker eigens für sie – neben Aufführungen der Matthäus- und Johannespassion auf Arabisch singt El-Hage viel mittelalterliche Musik. Wenn man den Gesang im Orient und Okzident vereint, entstünden zwei Farben in der Musik, meint sie zur Vielfalt ihrer Arbeit. "Das ist kein klassisches Belcanto. Das ist wirkliche Freiheit im Singen!" (Isabella Hager / DER STANDARD, Printausgabe, 07/08.04.2007)