Die Ableitung von Millionen Tonnen radioaktiv verseuchten Wassers, das sich seit der Atomkatastrophe von Fukushima am AKW-Gelände angesammelt hat, in den Pazifischen Ozean hat am Donnerstag begonnen und schlägt vor allem in Ostasien hohe Wellen. Die Kontroverse um diesen Schritt, auf den der Kraftwerksbetreiber Tepco seit Jahren drängt, kann man aus drei Perspektiven betrachten – wissenschaftlich, wirtschaftlich und weltpolitisch.

Fukushima, Südkorea, Proteste
Auch in Südkorea wird gegen die Fukushima-Abwässer öffentlich protestiert. Die Regierung in Seoul aber hat kein Problem damit.
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Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine stichhaltigen Bedenken gegen die Entsorgung der Abwässer, die von den meisten radioaktiven Elementen befreit und hoch verdünnt in den größten Ozean der Welt gelangen. Weder Menschen noch Tiere sind gesundheitlich betroffen, so die einhellige Meinung der Wissenschaft. Das Tritium, das aus dem Wasser nicht entfernt werden kann, ist in geringer Konzentration völlig harmlos.

Allerdings gibt es bei dieser Vorgangsweise eine emotionale Komponente, die wirtschaftliche Folgen hat. Radioaktivität ist ein Angstmacher, die Fukushima-Katastrophe noch vielen Menschen in Japan und aller Welt in guter Erinnerung. Und allein der Gedanke, dass Fische und Meeresfrüchte mit Wasser in Berührung kommen können, das einst im havarierten AKW gespeichert wurde, kann Menschen den Appetit verderben. Das ist ein Problem für die Fischer in der Region, die um ihre Absatzmärkte fürchten müssen.

Video: Japan leitet Fukushima-Kühlwasser ins Meer - trotz Protesten
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Chinas Druckmittel 

Verschärft und missbraucht wird diese Panik nun von China, das auf Japan gar nicht gut zu sprechen ist. Schließlich hat sich die Regierung in Tokio gerade mit Südkorea ausgesöhnt und die Allianz mit den USA bestärkt – und dies offen mit dem Wunsch nach einem Gegengewicht zur chinesischen Hegemonialpolitik begründet. China ist der wichtigste Absatzmarkt für die japanische Fischerei und nutzt dieses Druckmittel nun schamlos aus.

Dass ein Land, das sich sonst weder um die Interessen seiner Nachbarn noch um die seiner eigenen Verbraucher besonders schert, nun vor den Gefahren der Fukushima-Abwässer warnt, ist scheinheilig. Die Ausweitung des Importverbots auf Meeresfrüchte aus allen Regionen, auch jenen weit weg von Fukushima, hat keinerlei wissenschaftliche Grundlage. Es ist bloß ein Versuch, Handelsbarrieren als machtpolitische Waffe einzusetzen, so wie es China vor einigen Jahren gegen Australien tat, als die dortige Regierung es wagte, Pekings Geheimniskrämerei beim Ursprung des Coronavirus zu kritisieren.

Nun fallen die Fischereiexporte in der japanischen Volkswirtschaft kaum ins Gewicht, aber für die von Fischerei abhängigen ländlichen Regionen, die innenpolitisch verhältnismäßig viel Einfluss haben, ist es ein schwerer Schlag, vor allem, wenn sich Hongkong unter Pekings Diktat dem Importbann anschließt. Allerdings wird Tokio deshalb weder die Ableitung der Abwässer einstellen noch seine Haltung zu China ändern. Alles, was das Regime in Peking tut, ist, der Welt erneut zu zeigen, dass es dem eigenen Machtstreben alles unterordnet. Das sollten auch die Staaten, die nun in das von China dominierte Brics-Bündnis streben, bedenken. (Eric Frey, 24.8.2023)