„Historische Apotheken – neu betrachtet“ – Teil 2

„Wir sind integraler Bestandteil jeder Stadtführung“

Berlin - 27.12.2019, 07:59 Uhr

Die Mohren Apotheke in Bayreuth aus dem Jahre 1610 präsentiert sich seinen Kunden als „altehrwürdige Dame mit jungem Gesicht“. (Fotos: Mohren Apotheke Bayreuth)                                                                                                                                                                                                    

Die Mohren Apotheke in Bayreuth aus dem Jahre 1610 präsentiert sich seinen Kunden als „altehrwürdige Dame mit jungem Gesicht“. (Fotos: Mohren Apotheke Bayreuth)                                                                                                                                                                                                    


Historische Apotheken blicken auf eine lange Geschichte zurück. Sie besitzen häufig einen besonderen Charme. Dieser lässt sich durchaus geschäftsfördernd einsetzen. Manchmal birgt ein historisches Gebäude aber auch ganz spezielle Herausforderungen. Teil 2 der DAZ-Serie: die Mohren Apotheke in Bayreuth – moderner Apothekenbetrieb in einem imposanten historischen Apothekerhaus. Das beinhaltet neben Chancen auch besondere Herausforderungen, denen es sich zu stellen gilt.

Bayreuth ist bekannt für seine Richard-Wagner-Festspiele. Einen weiteren kulturhistorischen Anziehungspunkt stellt das Markgräfliche Opernhaus dar, das seit 2012 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Ebenfalls während der Markgräflichen Zeit, die in Bayreuth Ende des 18. Jahrhunderts endete, wurde im Jahre 1610 das imposante Apothekengebäude der Mohren Apotheke mit dem markanten Renaissance-Giebel erbaut. Apothekeninhaber Dr. Andreas Paul, der die Apotheke in einer oHG mit Dr. Jens Landwehr betreibt, berichtet DAZ.online von der Arbeit in einem altehrwürdigen Gebäude mit seinen besonderen Herausforderungen, den Chancen und den Verpflichtungen der Geschichte gegenüber.

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Übernahme einer großen Tradition – Chancen nutzen

Seit 2009 wird die Mohren Apotheke als oHG betrieben. Den Kauf der Mohren Apotheke vor allem als Chance zu begreifen, war die Motivation für Paul und Landwehr hinsichtlich der Übernahme dieser alteingesessenen Apotheke, berichtet Paul. Landwehr habe zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Apotheken in Bayreuth erfolgreich geführt. Die Übernahme der Mohren Apotheke sei dann der Startschuss für ihre gemeinsame oHG gewesen, die zwischenzeitlich auf vier Apotheken angewachsen sei.

„Interessant ist die Apotheke durch das große Gebäude und durch die zentrale Lage. Das ist so eine Chance. Wir haben gesagt, diese Chance bietet sich einem nur einmal im Leben. Und wenn man die einmal hat, dann muss man sie nutzen. Es gibt nicht viele alte Apotheken von solchen Ausmaßen“, resümiert Paul. Zu finden ist die Mohren Apotheke auch heutzutage noch in dem Haus, in dem sie Anfang des 17. Jahrhunderts gegründet wurde. „Bis auf wenige Jahre im Dreißigjährigen Krieg beziehungsweise beim Stadtbrand, wo sie ausgebrannt war und nicht betrieben wurde, befand sich hier bis jetzt durchgehend die Apotheke“, so Paul.

Umbau – „altehrwürdige Dame mit jungem Gesicht“

„Es ist schon ein riesiges Schiff“, beschreibt Paul die Apotheke, bei der nicht nur die puren Ausmaße eine Herausforderung waren. Und diese Ausmaße können sich wirklich sehen lassen: Die Apotheke erstreckt sich auf einer Fläche von 400 Quadratmetern und verfügt zudem über eine Kellerfläche von 200 Quadratmetern.

Die Präsentation alter Apothekengefäße soll Historisches mit Modernem verbinden.

Nach Übernahme der Apotheke habe die Planung des Umbaus ein halbes Jahr benötigt. Nach einem Jahr war die Umgestaltung schließlich abgeschlossen. Die Apotheke präsentiere sich nun als eine „altehrwürdige Dame mit jungem Gesicht“. Eine historische Apothekeneinrichtung, die es gelohnt hätte zu übernehmen, hätten sie nicht vorgefunden. Dennoch sei es möglich gewesen, historische Elemente in die modernisierte Apotheke zu integrieren. Hierfür seien unter anderem Vitrinen zur Präsentation pharmaziehistorischer Geschichte, in denen unter anderem alte Apothekengefäße gewürdigt würden, aufgestellt worden.

Über ihrem Hauptarbeitsplatz wurde zudem ein markanter Hingucker geschaffen: „Was sehr dominant ist und was wir auch als zentrales Element genommen haben, ist ein total schönes, schmiedeeisernes Rezepturgitter.“ 

Ein altes schmiedeeisernes Rezepturgitter und freigelegte Fresken stehen für die Historie des Hauses.

Dieses werde vor einem roten Hintergrund präsentiert. Ferner seien während der Umbauarbeiten auch einige Wandfresken aus der Zeit der Apothekengründung freigelegt worden, die ursprünglich, so hätten die kunsthistorischen Nachforschungen ergeben, über das gesamte Haus zu finden waren.

Unveränderbare Architektur als Herausforderung

Groß – und auch ungewöhnlich – sind die Herausforderungen, die sich durch die architektonischen Besonderheiten des Gebäudes ergeben, erläutert Paul. „Es ist ein Einzeldenkmal und da ist jede Wand entsprechend denkmalgeschützt.“ Die Denkmalschutzbehörde habe den Umbau dementsprechend komplett begleitet. Bedingt durch die unterschiedlichen Bauphasen des Gebäudes über die Jahrhunderte, sei zudem die Statik des Gebäudes so, dass nicht alle angedachten und erwünschten Umbaumaßnahmen möglich gewesen seien.

Detailansicht des 400 Quadratmeter großen und in drei Segmente aufgeteilten Verkaufsraum der Mohren Apotheke Bayreuth.

Aus diesem Grund sei das historische Gebäude mit der unabänderlichen Aufteilung der Verkaufsfläche eine besondere Problematik für den Apothekenbetrieb. „Die Einteilung in drei voneinander mit über einen Meter dicken Wänden getrennten Verkaufsabteilen ist denkbar schwierig“, so Paul. So sei es eine Herausforderung, den Verkaufsraum im Auge zu behalten. Lösungen seien unter anderem eine Videoanlage und ein Bodenleitlenksystem, damit sich die Kunden besser orientieren könnten. Zudem müssten seine Mitarbeiter sehr aufmerksam den Verkaufsraum im Auge behalten. Allerdings empfänden sie die Arbeit in den anderen Apotheken in dieser Hinsicht inzwischen als wahre Erholung, schmunzelt Paul. 

Bestandteil jeder Stadtführung

Es gäbe aber auch Vorteile berichtet der Bayreuther Apotheker: „Wir sind integraler Bestandteil jeder Stadtführung. Wir sind Bestandteil jeder Studenten-Erstsemester-Rallye, jeder Schulanfangs-Schnitzeljagd durch die Stadt.“ Vor allem mache sich auch der ansteigende Tourismus durchaus positiv bemerkbar. Es sei wichtig, für die Menschen präsent zu sein, da es in der Innenstadt einen Umverteilungswettbewerb gäbe, dem etwas entgegengesetzt werden müsse.

Mehrere Apotheken befinden sich im direkten Umfeld der Mohren Apotheke. „Es ist aber so, wenn sichtbar ist, dass bei einer von vier Apotheken permanent Leute reingehen, dann macht das andere Leute aufmerksam.“ Paul ergänzt: „Das ist definitiv dem Gebäude im Positiven geschuldet, weil es einfach ein attraktives Gebäude ist.“ Zudem sei es wichtig, die Geschichte dieser alten Apotheke weiterzuführen: „Es wäre ein Jammer, wenn nach über 400 Jahren, wie es an anderen Stellen bereits der Fall ist, dass eine solche historische Apotheke schließen müsste. Deswegen setzen wir alles daran, dass die Apotheke weiterhin Bestand hat.“

Problematisches historisches Erbe – Namensänderung mit Folgen

Als die Mohren Apotheke 1610 in Bayreuth gegründet wurde, hieß sie noch Apotheke zum goldenen Greifen. Ein goldener Greif mit einem Pistill schmückt auch heute noch gut sichtbar die Hauswand der Apotheke. Zu der Namensänderung sei es gekommen, nachdem eine Adler Apotheke in unmittelbare Nähe gezogen sei und der damalige Markgraf dadurch die Gefahr einer namentlichen Verwechslung befürchtet habe. Das früher erworbene Apothekenprivileg der Adler Apotheke sei damals ausschlaggebend gewesen, erläutert Paul.

Diese Namensänderung hat heutzutage durchaus Folgen. Wie wahrscheinlich alle Mohren Apotheken in Deutschland, muss sich auch die Bayreuther Mohren Apotheke immer wieder der Frage nach der Außenwirkung ihres Namens stellen. Der Begriff des „Mohren“ wird als rassistisch oder zumindest als nicht mehr zeitgemäß angemahnt. Apotheker Paul argumentiert, dass der Begriff nicht abwertend gemeint ist. Im Gegenteil sei er wertschätzend eingesetzt worden. Zudem sei die Mohren Apotheke als historische Apotheke unter diesem Namen bekannt.

Schon mehrfach habe er Farbige auf das Thema angesprochen. Paul berichtet, dass bei den Gesprächen der eigentliche Begriff weniger kritisiert worden sei. Allerdings: „Das, was durchkommt, ist, dass sie natürlich nicht unbedingt glücklich über die stilisierten Darstellungen sind“, räumt Paul ein. Gemeint sind damit ein Metallrelief und in einigen Scheiben eingelassene Darstellungen, die stereotypische Rassismen bedienen. Der Apothekenname und die Darstellungen stellen somit ein problematisches historisches Erbe dar, dem gegenüber Stellung bezogen werden muss.



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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