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barmherzig

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GrammatikAdjektiv
Aussprache 
Worttrennung barm-her-zig
Wortzerlegung barmen Herz -ig
Wortbildung  mit ›barmherzig‹ als Erstglied: Barmherzigkeit  ·  mit ›barmherzig‹ als Letztglied: unbarmherzig
Mehrwortausdrücke  barmherziger Samariter
eWDG

Bedeutung

gehoben mitleidig, von Erbarmen erfüllt, mildtätig
siehe auch Herz (3)
Beispiele:
ein barmherziger Mensch
Religioneine barmherzige Schwester (= Angehörige eines Ordens, die sich besonders der Krankenpflege widmet)
eine barmherzige Hand, Tat
mit jmdm., gegen jmdn. barmherzig sein
an jmdm. barmherzig handeln
barmherziger Gott, Himmel! (= Ausruf, der Erschrecken, eine Klage ausdrückt)
biblischder barmherzige Samariter
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
barmen · erbarmen · Erbarmung · Erbarmen · erbärmlich · barmherzig · Barmherzigkeit
barmen Vb. ‘mit Mitgefühl erfüllen’ (selten), ‘jammern, klagen, lamentieren’ (nordd. und omd.). Die got. Kirchensprache bildet zur Übersetzung von griech. eleé͞in (ἐλεεῖν) ‘bemitleiden, Mitleid, Erbarmen haben’ nach dem Muster von gleichbed. lat. miserēre bzw. miserērī (zu lat. miser ‘elend, kläglich, bejammernswert, arm’) ein von got. arms ‘beklagenswert, elend’ abgeleitetes Verb got. arman ‘sich erbarmen’. Ein an das Adj. ahd. arm ‘gering, hilflos, schwach, besitzlos, arm’ (s. arm) sich anschließendes Verb ahd. armēn (9. Jh.) bedeutet ‘arm werden, Not leiden’, so daß die Kirchensprache zur Wiedergabe von ‘sich erbarmen, Mitleid erregen’ präfigiertes ahd. *bi-armën benutzt, belegt (10. Jh.) in der adverbial gebrauchten Partizipialform barmēnto ‘erbarmend, voll Erbarmen’ (für lat. miserando); vgl. mit anderem Präfix und anderer Stammbildung aengl. ofearmian ‘mitleidig sein, Erbarmen zeigen’ (zu aengl. earmian ‘bemitleiden, bedauern’, von aengl. earm ‘arm’). Zusammengezogenes und darum als Einheit empfundenes ahd. barmēn wird im Hinblick auf seine durativ-inchoative Bedeutung erneut präfigiert, so daß ahd. irbarmēn, nhd. erbarmen (s. unten) entsteht. Diese Weiterbildung wird zum geläufigen Verb im Dt.; mhd. barmen ‘(sich) erbarmen, Mitleid erregen’ bleibt selten, nhd. barmen wird weithin in die Mundarten abgedrängt und entwickelt im Nordd. und Omd. die oben angegebene Bedeutung ‘jammern, klagen, kläglich tun’, mit der es im 19. Jh. auch in die Literatursprache eingeht. – erbarmen Vb. ‘jmds. Mitleid erregen, jmdm. leid tun’, (reflexiv) ‘sich aus Mitleid und Barmherzigkeit jmds. annehmen, mildtätig sein’. Ahd. irbarmēn ‘sich zu jmdm. herablassen, sich die Not eines anderen zu eigen machen, Mitleid empfinden oder erregen’ (9. Jh.), mhd. erbarmen ‘Mitleid haben, gerührt werden, rühren’. Weiterbildung mit dem Präfix ahd. ir- (s. er-) von ahd. barmēn (s. oben). Erbarmung f. ‘Barmherzigkeit, Mitleid’, ahd. irbarmunga (10. Jh.), mhd. erbarmunge. Erbarmen n. ‘Mildtätigkeit, Mitleid’, mhd. erbarmen, substantivierter Infinitiv. erbärmlich Adj. ‘elend, ärmlich, nichtswürdig’ (16. Jh.), ahd. irbarmalīh ‘Erbarmen erregend’ (um 1000); vgl. mhd. erbarmeclich ‘barmherzig, erbarmenswert’. barmherzig Adj. ‘mitfühlend, mitleidsvoll, mildtätig’ (gegenüber Bedürftigen), mhd. barmherzec, Weiterbildung von mhd. barmherze, ahd. barmherzi ‘voll Erbarmen’, eigentlich ‘ein barmendes Herz habend’ (11. Jh.), das unter dem Einfluß von ahd. (ir)barmēn aus ahd. armherz ‘barmherzig’ als Eigenschaft Gottes und der nach seinem Willen handelnden Menschen (9. Jh.) hervorgegangen ist (vgl. auch ahd. armherzīg, 11. Jh.). Dies ist eine Bildung aus ahd. arm (s. oben) und ahd. herza (s. Herz) unter dem Einfluß der got. Kirchensprache, die einem nach dem Muster von lat. misericors ‘mitleidig’ (eigentlich ‘ein mitleidiges Herz habend’, zu lat. miserēre, -ērī bzw. miser und cor ‘Herz’) entstandenen got. armahaírts folgt; vgl. auch aengl. earmheort neben (umgebildetem) anord. aumhjartaðr. Weitere Überlegungen zur Bildungsweise des got. Adjektivs bringt Beck in: ZfdPh 98 (Sonderheft 1979) 109 ff. Barmherzigkeit f. ‘Erbarmen, Mitgefühl, Mildtätigkeit’, mhd. barmherzekeit; vgl. daneben got. armahaírtiþa, ahd. armherzida (8. Jh.), mhd. barmherzede sowie got. armahaírtei, ahd. armherzī (9. Jh.).

Bedeutungsverwandte Ausdrücke

barmherzig · glimpflich · mild · nachsichtig
Assoziationen
  • (etwas) nicht ahnden · (etwas) nicht bestrafen · (jemandem etwas) durchgehen lassen · (jemandem) etwas nachsehen · (jemandem) nicht böse sein (können) · (sich) nachsichtig zeigen · Gnade walten lassen · Milde walten lassen · Nachsicht üben · auf (eine) Bestrafung verzichten · auf (eine) Strafe verzichten · barmherzig sein · gnädig sein · nicht zu streng sein · von einer Bestrafung absehen  ●  Gnade vor Recht ergehen lassen floskelhaft · beide Augen zudrücken fig. · dann wollen wir mal nicht so sein ugs., Spruch · etwas mit dem Mantel der Nächstenliebe zudecken ugs., sprichwörtlich
  • (etwas) dulden(d) · duldsam · gütig · nachsichtig · tolerant · verständnisvoll · viel Verständnis haben (für)  ●  gelinde geh., veraltend · konnivent geh., bildungssprachlich · milde gestimmt geh. · permissiv geh., bildungssprachlich

Typische Verbindungen zu ›barmherzig‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›barmherzig‹.

Verwendungsbeispiele für ›barmherzig‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

Ein vortrefflicher Arzt behandelte mich, eine barmherzige Schwester pflegte mich. [Voß, Richard: Zwei Menschen, Stuttgart: Engelhorn 1911 [1949], S. 112]
Schon vor 200 Jahren waren die »Hilfen« beim Arzt Frauen, meist »barmherzige höhere Töchter«. [Die Zeit, 20.01.2000, Nr. 4]
Mit zunehmendem Alter muss man auch mit sich selber barmherzig sein. [Die Zeit, 23.12.2013, Nr. 51]
Dort betreiben 240 Barmherzige Schwestern vom Heiligen Kreuz ein Hotel. [Die Zeit, 10.08.2009, Nr. 32]
Das Leben war nicht nur in diesem Fall barmherziger als der Film. [Die Zeit, 29.05.1995, Nr. 22]
Zitationshilfe
„barmherzig“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/barmherzig>.

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Worthäufigkeit

selten häufig

Wortverlaufskurve

Wortverlaufskurve 1600−1999
Wortverlaufskurve ab 1946

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