Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

gordisch, adj.

gordisch, adj.
für lat. Gordius zu Gordium, stadt in Phrygien. gebräuchlich in attributiver verbindung gordischer knopf, knoten u. ä. als lehnübersetzung aus lat. nodus Gordius: tamquam nodus Gordius difficillimus Ammianus 14, 11, 1. Curtius Rufus 3, 1, 15 erzählt, dasz ein orakel demjenigen die weltherrschaft verkündet hätte, der den von Gordius, dem sagenhaften gründer von Gordium, kunstvoll um joch und deichsel eines geweihten wagens geknüpften knoten zu lösen vermöchte, und dasz Alexander d. Gr. den knoten mit dem schwert durchschlug.
1)
mit beziehung auf diesen sachverhalt, aber schon auf die übertragene bedeutung hinweisend: o Alexander Magnus hat mechtig grosz ehr mit loͤsung des gordischen gurtenknopffs eingelegt, dasz man ein verbluͤmt emblema vnnd diuis hat drausz machen muͤssen, da ein sebel inn eim zweiffelknopff steckt Fischart Garg. 458 ndr. mit latinisierender adjektivbildung: sie (die stadt Gordium) war wegen des so genannten nodi gordii oder gordianischen knotens berühmt, welcher daselbst als ein heiligthum verwahrt wurde Zedler univ.-lex. 11 (1735) 227.
2)
die attributive verbindung steht als zweigliedriges bild für eine verwirrte situation oder für ein unlösbares problem. dieser gebrauch knüpft teilweise an an die schon mhd. belegte übertragene bedeutung von knoten, einen knoten lösen, vgl. s. v. knoten 14, teil 5, sp. 1504, und von knopf, knopf des zwifels ufthun (15. jh.), vgl. s. v. knopf 12a, teil 5, sp. 1476, vgl. auch zweifelknoten teil 16, sp. 1015; aber während in dieser übertragung die schwierige frage als noch lösbar gedacht wird, meint die verbindung mit attributivem gordisch meist die unlösbarkeit oder die nur gewaltsame lösungsmöglichkeit: dise ketzer haben scharf zän, beiszen alle gordische knöpf auf und alle knackwürst entzwei Fischart binenkorb (1588) 49ᵃ; weil sie (die Deutschen) ihn (Marbod) für keinen schiedes-richter, sondern nur für einen mitler annehmen, der nicht wie Alexander mit seinem degen den gordischen zweifels-knoten zerhauen, sondern durch bewegliches zureden und anführung wichtiger ursachen, welche ... die streitenden (Deutsche und Römer) zur eintracht bewegten Lohenstein Arminius (1689) 2, 356ᵇ; vergebens schnürt ihr den (geld-) beutel mit hundert gordischen knoten zu, durch zahllose poren dünstet er unmerklich aus Börne ges. schr. (1829) 5, 23; der gordische knoten ist nur einmal mit beifall zerhauen worden, und dann waren es noch schmeichler, die das sagten (1843) A. v. Droste-Hülshoff br. 2, 136 Schulte-K.; woher kommt die stimme, die mir hier zuruft, entschlossen den besten ausweg zu ergreifen, den gordischen knoten mit dem schwerte zu lösen Pückler briefw. u. tageb. (1873) 2, 92. für einen schwierigen charakter: schaut hier den gordischen knoten (gemeint ist der charakter des Brutus), den der herr der welt nicht lösen konnte Göthe I 37, 358 W.
3)
in anderer attributiver verbindung. das zweite glied des bildes ist durch ein abstraktum ersetzt:
aber solch verzwicktes thema,
solche räthselhafte possen
sind ein gordisches problema
Uhland ged. (1898) 1, 120.
bildlich für den vorgang der gewaltsamen lösung eines problems:
scheiden löst mit gord'schem hiebe
Platen w. 1, 362 Hempel.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 7 (1953), Bd. IV,I,V (1958), Sp. 961, Z. 66.

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Zitationshilfe
„gordisch“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gordisch>.

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