Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

ergreifen

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GrammatikVerb · ergreift, ergriff, hat ergriffen
Aussprache  [ɛɐ̯ˈgʀaɪ̯fn̩]
Worttrennung er-grei-fen
Wortzerlegung er- greifen
Wortbildung  mit ›ergreifen‹ als Erstglied: Ergreifung  ·  mit ›ergreifen‹ als Binnenglied: herzergreifend
eWDG

Bedeutungen

1.
nach etw., jmdm. greifen und es, ihn festhalten
a)
mit den Händen
Beispiele:
etw. schnell, hastig, gierig ergreifen
jmds. Hand, Arm ergreifen
eine Schaufel, Stange, ein Tau, Messer ergreifen
ich ergreife mein Glas und trinke auf das Wohl unseres Jubilars
er ergriff die Geige und begann zu spielen
veraltend, gehobenich ergreife die Feder, um dir zu schreiben
der Raubvogel ergriff mit seinen Klauen die Beute
Dann ergriff ich den Griechen beim Schopfe [ Lernet-HoleniaGraf57]
bildlich jmdn. festnehmen
Beispiele:
einen Dieb, entflohenen Gefangenen ergreifen
durch Hinweise aus der Bevölkerung konnte der Täter schnell ergriffen werden
b)
etw. ergreift etw., jmdn.
Beispiele:
eine mächtige Woge ergriff das Boot und schleuderte es gegen den Felsen
von dem Wirbelsturm wurden mehrere Menschen ergriffen und zu Boden geworfen
das Feuer ergriff auch das Nachbargebäude (= griff auch auf das Nachbargebäude über)
ein plötzliches Schwindelgefühl, Fieber ergriff sie (= überkam sie plötzlich)
Das Weinen war sehr heftig und ergriff den ganzen Körper [ JahnnHolzschiff91]
c)
übertragen etw. ergreift jmdn.etw. erfüllt jmdn. unwiderstehlich
Beispiele:
Furcht, Schrecken, Entsetzen, Zorn ergriff ihn
sie wurde von einer wachsenden Unruhe ergriffen
von Sehnsucht, Schmerz ergriffen, schrieb sie diesen Brief
Entzücken, Bewunderung ergriff die Zuhörer
ein Taumel der Begeisterung ergriff die Menge
Mich ergreift, ich weiß nicht wie, / Himmlisches Behagen [ GoetheTischlied1,90]
2.
etw. ergreift jmdn.etw. bewegt jmdn. im Innersten, geht jmdm. sehr zu Herzen
Beispiele:
der tragische Ausgang des Films, Schauspiels hatte die Zuschauer tief ergriffen
sein schweres Los, ihre seelische Not ergreift mich sehr
Den Schiffer im kleinen Schiffe / Ergreift es mit wildem Weh [ HeineIch weiß nicht]
a)
Grammatik: häufig im Partizip II
Beispiele:
die Anwesenden waren von der Trauerrede tief ergriffen
mit ergriffener Stimme meldete der Sprecher den Tod des Staatsoberhauptes
ergriffen lauschten die Zuhörer den Klängen der Musik
Was ist mit Lhombre, daß er … so ergriffen Abschied nimmt [ KolbSchaukel205]
b)
Grammatik: häufig auch im Partizip I
Beispiele:
ein (menschlich) ergreifendes Schicksal
ergreifende Szenen
es war ein ergreifender Augenblick
das ergreifende Spiel der berühmten Schauspielerin
ergreifend schildert der Autor in seinem Buch die Leiden der Häftlinge
3.
abgeblasst
Beispiele:
einen Beruf ergreifen (= wählen)
in der Versammlung, Diskussion das Wort ergreifen (= zur Sache sprechen)
die Flucht ergreifen (= flüchten)
umgangssprachlich, scherzhaftdas Hasenpanier ergreifen (= flüchten)
die (günstige) Gelegenheit ergreifen (= nützen)
Maßnahmen, Maßregeln ergreifen (= einleiten und durchführen)
die Initiative ergreifen (= aktiv werden)
die Macht, Herrschaft ergreifen (= übernehmen)
die Zügel ergreifen (= die Führung übernehmen)
für jmdn. Partei ergreifen (= in einem Streitfall rückhaltlos für jmdn. eintreten)
von etw. Besitz ergreifen (= etw. in Besitz nehmen)
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
greifen · greifbar · Greifer · angreifen · Angriff · Angreifer · ergreifen · übergreifen · Übergriff · vergreifen
greifen Vb. ‘nehmen, fassen’. Das gemeingerm. Verb ahd. grīfan (um 800), mhd. grīfen, asächs. grīpan, mnd. mnl. grīpen, nl. grijpen, afries. grīpa, aengl. grīpan, engl. to gripe, anord. grīpa, schwed. gripa, got. greipan (germ. *greipan) hat neben sich ein schwaches Iterativum ahd. greifōn (um 800), mhd. greifen, aengl. grāpian ‘tasten, mit der Hand berühren’. Im Dt. vermischen sich semantisch schon früh (bereits ahd.) das starke und das schwache Verb; im Nhd. fallen sie auch formal zusammen. Die germ. Bezeugungen sind nur vergleichbar mit den balt. Formen lit. griẽbti ‘anfassen, ergreifen’, lett. greibt ‘greifen, fassen’, griba ‘Wunsch, Wille’, gribēt ‘wollen’. Weitere Beziehungen sind unklar. – greifbar Adj. ‘zum Greifen nahe, verfügbar’ (18. Jh.). Greifer m. ‘wer ergreift, faßt, fängt’ (17. Jh.), in der Technik ‘zum Greifen geeignete Vorrichtung an Maschinen, Kränen, Baggern’ (19. Jh.); voraus geht ein zum schwachen Verb gehörendes ahd. greifāri (um 1100), frühnhd. greifer ‘Schmeichler, Liebkosender’. angreifen Vb. ahd. anagrīfan (9. Jh.), mhd. an(e)grīfen ‘berühren, anfassen’, seit 16. Jh. auch ‘anfallen, feindlich entgegentreten’; Angriff m. ‘Offensive, Überfall’, ahd. anagrif ‘das Anfassen, Angreifen’ (11. Jh.), mhd. an(e)grif, auch ‘Handhabe’; vgl. langobard. anagrip ‘Antastung’ (7. Jh.); die heutige Bedeutung entwickelt sich über ‘feindliche Berührung, Tätlichkeit’ im 14./15. Jh.; Angreifer m. (15. Jh.). ergreifen Vb. ‘fassen, packen, im Innersten anrühren’, mhd. ergrīfen; vgl. ergreifend ‘rührend’, ergriffen ‘gerührt’, Ergriffenheit f. (19. Jh.). übergreifen Vb. ahd. ubargrīfan ‘überschreiten, übersteigen’ (10./11. Jh.), mhd. übergrīfen ‘über etw. hingreifen, es bedecken, beschädigen’; Übergriff m. ‘ungesetzliche Gewalttätigkeit’, ahd. ubargrif (11. Jh.), spätmhd. übergrif. vergreifen Vb. reflexiv ‘falsch, daneben greifen, einen Mißgriff tun, gegen jmdn. tätlich werden’, mhd. vergrīfen; vgl. vergriffen Part.adj. ‘ausverkauft, nicht mehr lieferbar’ (18. Jh.). S. auch Griff, Grippe.

Bedeutungsverwandte Ausdrücke

(jemandes) habhaft werden · auffliegen lassen · aufgreifen · ausheben · ergreifen · ertappen · erwischen · fangen · fassen · festnehmen · greifen · hochgehen lassen · stellen · verhaften · zu fassen kriegen  ●  (jemandem) das Handwerk legen fig. · (wieder) einkassieren ugs., salopp, fig. · am Schlafittchen packen ugs. · arripieren geh., veraltet · aufbringen (Schiff) fachspr., Jargon · hochnehmen ugs. · hoppnehmen ugs. · hopsnehmen ugs. · kaschen ugs. · kassieren ugs. · kriegen ugs. · packen ugs. · schnappen ugs.
Assoziationen

(die) Gunst der Stunde nutzen · (etwas) mitnehmen · ergreifen (Gelegenheit, Chance) · nicht verstreichen lassen · nutzen (Chance, Gelegenheit) · wahrnehmen (Termin, Vorteil, Chance) · zugreifen  ●  beim Schopf(e) ergreifen fig. · nicht links liegen lassen fig. · ausüben (Option, Stimmrecht, Vorkaufsrecht) fachspr., kaufmännisch, juristisch · beim Schopf(e) packen (Gelegenheit, Chance) ugs., fig. · zuschlagen ugs.
Assoziationen

(sich) greifen · (sich) schnappen · ergreifen · fassen · festhalten · in die Hand nehmen · nicht aus der Hand geben · nicht loslassen · packen  ●  nehmen ugs.
Assoziationen

(jemanden) ergreifen fig. · (jemanden) heimsuchen fig. · (jemanden) überkommen fig. · (jemanden) übermannen fig. · (von jemandem) Besitz ergreifen fig. · ergriffen werden (von) fig. · (etwas) überrieselt jemanden ugs., fig. · (jemanden) packen ugs., fig. · (sich) jemandes bemächtigen geh., veraltend
Assoziationen

Typische Verbindungen zu ›ergreifen‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›ergreifen‹.

Verwendungsbeispiele für ›ergreifen‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

In diesen 5 Jahren hat sich die Welt aufgrund der von dieser Administration ergriffenen Initiativen verändert. [Archiv der Gegenwart, 2001 [1974]]
Die von der Regierung ergriffenen Reformen seien nicht immer populär, aber unausweichlich, sagte der Minister weiter. [Süddeutsche Zeitung, 25.03.2004]
Wenn er den letzten Satz begann, hat er das vor ihm stehende gefüllte Glas ergriffen. [Weber, Annemarie (Hg.), Die Hygiene der Schulbank, Wiesbaden: Falken-Verl. 1955, S. 149]
Der, der sich zu mir heruntergebeugt hatte, ergriff das Wort. [Moers, Walter: Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär, Frankfurt a. M.: Eichborn 1999, S. 267]
Wenn nein, denke er weiter, bis eine von beiden frei wird und ergreife sie dann. [Rechenberg, Peter: Was ist Informatik?, München: Hanser 1994 [1991], S. 143]
Zitationshilfe
„ergreifen“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/ergreifen>.

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Wortverlaufskurve 1600−1999
Wortverlaufskurve ab 1946

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