Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

unterdrücken

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GrammatikVerb · unterdrückt, unterdrückte, hat unterdrückt
Aussprache  [ˌʊntɐˈdʀʏkn̩]
Worttrennung un-ter-drü-cken
Wortzerlegung unter- drücken
Wortbildung  mit ›unterdrücken‹ als Erstglied: Unterdrücker · Unterdrückung
eWDG und ZDL

Bedeutungen

1.
jmd. unterdrückt etw.etw., besonders Gefühlsäußerungen, Laute, zurückhalten, damit sie von anderen nicht wahrgenommen werden
Beispiele:WDG
sie konnte ihren Zorn, Ärger, ihre Empörung, Gefühle nur mit Mühe unterdrücken
ein Weinen, Schluchzen, Lachen mühsam unterdrücken
ein unterdrücktes Lächeln, Gähnen, Husten
ein unterdrückter (Freuden-)‍Schrei, Seufzer
einen Wunsch, seine Gedanken unterdrücken
eine Bemerkung, Frage unterdrücken (= nicht aussprechen)
er unterdrückte seinen Protest, seine Kritik
2.
jmd. unterdrückt etw.(gewaltsam) verhindern, dass Meinungsäußerungen, Informationen o. Ä. öffentlich bekannt werden
Beispiele:
Die [Corona-]Pandemie hat es den Autokraten in der Region [Nordafrika] erleichtert, die freie Meinungsäusserung zu unterdrücken und Regimegegner zu verhaften. [Neue Zürcher Zeitung, 17.12.2020]
Es geht nicht darum, Meinungen zu unterdrücken. Es geht darum, Hass zu unterdrücken. [Hamburger Abendblatt, 11.03.2022]
Heute gehe es auch darum, zu unterhalten und Themen mit Nachrichtenwert zu setzen. Das kann auch mal mit dem sogenannten »Streisand‑Effekt« gelingen. So nennt man es, wenn der Versuch, eine Information zu unterdrücken, paradoxerweise zu deren massenhafter Verbreitung führt. Die Bezeichnung geht auf den Versuch der Schauspielerin Barbra Streisand zurück, von einem Fotografen Schadenersatz zu bekommen, weil auf einer von dessen Tausenden Luftaufnahmen der kalifornischen Küste ihr Haus zu sehen sei. Vorher hatte das fast niemand mitbekommen – nach der Klage verbreitete das Foto sich massenhaft im Internet. [Hamburger Abendblatt, 04.09.2021]
Von den zahlreichen Aufständen gegen die Sklaverei während der französischen Kolonialzeit sei nirgendwo die Rede gewesen, diese Erinnerung sei unterdrückt worden. [Frankfurter Rundschau, 20.08.2020]
Diese Versuche des Vatikan, der Bücherflut Herr zu werden und Wissen zu unterdrücken, sind […] nicht nur kirchenhistorisch und anekdotisch interessant. [Frankfurter Rundschau, 17.05.2000]
Andererseits unterminiert der freie Austausch von Information nach und nach die Autorität eines Regimes, das gegenüber seinem Volk den Anspruch erhebt, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein, und zu diesem Zweck systematisch unliebsame Informationen unterdrückt. [C’t, 1995, Nr. 11]
3.
jmd. unterdrückt etw.gewaltsam beenden, niederschlagen
Kollokationen:
mit Akkusativobjekt: einen Aufstand unterdrücken
Beispiele:
Im Februar 2018 wurde der glücklose [äthiopische] Ministerpräsident Hailemariam Desalegn entlassen, nachdem es ihm nicht gelungen war, den Aufstand der Oromo zu unterdrücken. [Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2018]
Der ehemalige Ceausescu‑Vertraute und stellvertretende Verteidigungsminister des kommunistischen Rumänien war am 17. Dezember 1989 von Ceausescu [sic! Ceauşescu] nach Timisoara [sic! Timişoara] geschickt worden, um die Revolte zu unterdrücken. [Die Welt, 02.03.2000]
Wie die »Times« meldet, war die Polizei in Madrid von dem bevorstehenden gegenrevolutionären Anschlag durch Spione unterrichtet und konnte daher die nötigen Vorkehrungen treffen, um die Erhebung prompt zu unterdrücken. [Archiv der Gegenwart, 2001 [1932]]
Frauen derart zu beschämen, könnte auch bezwecken, sie zum Schweigen zu bringen, ihre Rebellion gegen die alten Tabus zu unterdrücken. [Der Tagesspiegel, 29.05.2019]
4.
jmd. unterdrückt jmdn.jmdn. (unter Androhung oder Ausübung von Gewalt) in seiner Entfaltung behindern, von der Wahrung seiner Rechte, Interessen abhalten
Beispiel:
er unterdrückte seine Mitarbeiter, FrauWDG
5.
häufig Technik jmd., etw. unterdrückt etw.etw. unter einem bestimmten Niveau halten
Beispiele:
B[…] vermutet, dass Lachgas in den ersten drei Minuten Signale aus dem Hirnstamm unterdrückt, die dafür sorgen, dass man wach bleibt. [Der Standard, 10.07.2015]
Einige Forschungsgruppen begannen […], die zylindrischen Antennen fast bis auf den absoluten Temperaturnullpunkt abzukühlen, um das thermische Rauschen zu unterdrücken. [Neue Zürcher Zeitung, 11.02.2016]
Zusätzlich können die Techniker mit der Software Rauschen und Echos effektiver unterdrücken. [Welt am Sonntag, 14.02.2010]
Bei Experimenten mit zwei unterschiedlich genetisch manipulierten Maus‑Modellen wurde bereits nach zehn Monaten in 99 Prozent aller im Körper zirkulierenden roten Blutkörperchen das eingeschleuste, intakte Gen exprimiert (= herausgedrückt). Die Anzeichen der [Sichelzellen-]Krankheit wurden[…] wirkungsvoll unterdrückt. [Der Spiegel, 14.12.2001 (online)]

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Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
drücken · Drückeberger · 2Druck · eindrücken · Eindruck · Drücker · ausdrücken · Ausdruck · ausdrücklich · bedrücken · unterdrücken · Unterdrückung · Unterdrücker
drücken Vb. ‘pressen, belasten, bedrängen’. Bis ins 17. Jh. daneben gleichbed. umlautloses obd. drucken (s. d.). Ahd. thrucken ‘pressen, bedrücken, quälen, bedrängen’ (9. Jh.), mhd. drücken, drucken ‘(be)drängen, pressen, auspressen, sich drängen’, mnd. drücken, mnl. drucken, nl. drukken, aengl. þryccan ‘zerdrücken, drängen, beleidigen, unterdrücken’, schwed. trycka ‘drücken, drucken’ sind Intensivbildungen (germ. *þrukkjan) zu einer Weiterbildung der Verbalwurzel germ. *þrūg-, die innerhalb des Germ. auch in anord. þrūga ‘drohen, unterdrücken, nötigen’ überliefert ist. Mit verwandtem lit. trū́kti ‘entzweireißen, zerspringen, bersten’ stellen sich die germ. Formen zu ie. *treuk-, *trū̌k-, einer zweifachen Erweiterung der Wurzel ie. *ter(ə)- ‘reiben, drehend reiben’, auf die auch drehen und drohen zurückgehen (s. d.). – Drückeberger m. ‘wer sich heimlich (vor einer Arbeit) davonmacht, eine Aufgabe nicht übernimmt’ (19. Jh.), scherzhafte Bildung nach dem Typ der Herkunftsnamen auf -berger (vgl. Perleberger ‘einer aus Perleberg’, s. auch Schlauberger), zu sich drücken ‘sich heimlich davonmachen’ (13. Jh.). 2Druck m. ‘das Drücken, Zwang, Belastung’, modern als technischer Terminus in Luft-, Wasser-, Überdruck u. a.; ahd. thruc ‘Druck, Einwirkung’ (um 1000), mhd. druc ‘Druck, feindliches Zusammenstoßen’. eindrücken Vb. ‘eine Spur hinterlassen, einprägen, durch Druck zerstören’, ahd. inthrucken ‘etw. mit Druck einprägen, aufdrücken’ (Hs. 12. Jh.), mhd. īndrucken; für geistige Beeinflussung und Wirkung ist heute beeindrucken üblich (seit etwa 1900). Daraus rückgebildet Eindruck m. ‘Druckspur, Einwirkung auf Fühlen und Denken’, mhd. īndruc ‘Empfindung, nachhaltige Wirkung’, bei den Mystikern gebräuchlich, danach häufig seit dem 18. Jh. (einen guten, tiefen Eindruck ‘Wirkung’ machen, hinterlassen). Drücker m. ‘mechanische Vorrichtung, Handhabe zur Ausübung von Druck’ (17. Jh.), dann ‘Bedienungsknopf zur Herstellung eines elektrischen Kontaktes’; vgl. dagegen mhd. drücker ‘Unterdrücker’, so noch im 19. Jh., dann abgelöst von Unterdrücker (s. unten). ausdrücken Vb. ‘auspressen, (in Worten) darstellen’, mhd. ūʒdrücken ‘auspressen’; seit dem 15. Jh. ‘in Worte fassen, aussprechen’ (Luther: mit ausgedruckten Worten für lat. expressis verbis); im 16. Jh. wird das Part. Prät. ausgedruckt häufig für heutiges ausdrücklich (s. unten) verwendet. Das 18. Jh. verbindet ausdrücken (und Ausdruck) mit dem Sichtbarwerden von Gefühl und seelischer Reaktion und bezieht es auf künstlerische Gestaltung und Formgebung. Ausdruck m. ‘äußerliches Zeichen inneren Geschehens, Erlebens’, spätmhd. ūʒdruc, seit dem 18. Jh. ‘die Art zu sprechen’, auch ‘Redensart, Wort, (künstlerische) Gestaltung’. ausdrücklich Adj. ‘betont, deutlich, klar’ (16. Jh.). bedrücken Vb. ‘belasten’, ahd. bithrucken ‘schänden, niederdrücken, unterdrücken’ (10. Jh.), mhd. bedrücken ‘niederdrücken, überwältigen’. unterdrücken Vb. ‘niederhalten, unterjochen, gewaltsam beherrschen’, mhd. underdrücken ‘nach unten drücken, unterjochen, unterwerfen’; Unterdrückung f. ‘Unterwerfung, (gewaltsame) Beherrschung’ (15. Jh.); Unterdrücker m. (15. Jh.).

Bedeutungsverwandte Ausdrücke

abwürgen (Diskussion) · ersticken · unterdrücken
Unterbegriffe
  • (etwas) gar nicht (erst) so weit kommen lassen · (etwas) schon im Ansatz unterdrücken · (etwas) schon im Vorfeld abblocken · (etwas) von vornherein unterbinden · (gar) nicht (erst) aufkommen lassen · (gar) nicht (erst) einreißen lassen  ●  (etwas) im Keim ersticken fig. · den Anfängen wehren geh.
Assoziationen
  • (jemanden) am Sprechen hindern · mundtot machen · zum Schweigen bringen  ●  (jemandem) einen Maulkorb umhängen fig. · (jemandem) das Maul stopfen derb · dafür sorgen, dass jemand den Mund hält ugs.
  • Killerargument · Scheinargument · Totschlagargument  ●  Killerphrase ugs.


Politik
kleinhalten · knebeln · knechten · knuten · unterdrücken · unterjochen · versklaven  ●  opprimieren geh., veraltet, lat. · unterbuttern ugs.
Oberbegriffe
  • (mit etwas) in Wechselwirkung treten (Sache) · aufeinander einwirken · interagieren · sich gegenseitig beeinflussen

nicht aussprechen · unterdrücken  ●  (eine Bemerkung) hinunterschlucken fig. · (etwas) runterschlucken fig. · (sich etwas) verbeißen ugs. · (sich) (eine Bemerkung) verkneifen ugs. · (sich) auf die Zunge beißen ugs., fig.
Oberbegriffe
Assoziationen

maßregeln · mit Sanktionen belegen  ●  sanktionieren fachspr. · unterdrücken ugs.

abwürgen (Diskussion) · nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommen lassen · unterdrücken · zu verheimlichen (ver)suchen  ●  unter den Teppich kehren fig.

Typische Verbindungen zu ›unterdrücken‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›unterdrücken‹.

Zitationshilfe
„unterdrücken“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/unterdr%C3%BCcken>.

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Worthäufigkeit

selten häufig

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Wortverlaufskurve ab 1946

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