Sprachforscher :
„Betriebsratsverseucht“ ist Unwort des Jahres

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Ist die Filiale „betriebsratsverseucht”?
Um eine Filiale mit Betriebsrat von einer Filiale ohne Mitarbeitervertretung zu unterscheiden, spricht man in einer deutschen Baumarktkette von „betriebsratsverseucht“. Für die Jury unter Leitung des Sprachwissenschaftlers Horst Schlosser ist es das Unwort dese Jahres 2009.

Das Unwort das Jahres 2009 heißt „betriebsratsverseucht“. Der Sieger wurde aus 982 Vorschlägen ausgewählt, teilte die Jury um Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser am Dienstag in Frankfurt am Main mit. Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen störe zwar viele Unternehmen, sie als Seuche zu bezeichnen sei indes „ein sprachlicher Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen“, sagte Schlosser zur Begründung. Die Formulierung war in der ARD-Sendung „Monitor” im Mai von dem Mitarbeiter einer Baumarktkette gebraucht worden. Darin berichtete der Mitarbeiter, der Begriff werde von Abteilungsleitern benutzt, wenn ein Mitarbeiter zwischen einer Filiale mit Betriebsrat und einer ohne Betriebsrat wechseln wolle.

Das „Unwort des Jahres“ wurde zum 19. Mal seit 1991 bestimmt. Hervorgehoben werden damit „sprachliche Missgriffe“ aus dem öffentlichen Leben, die im zurückliegenden Jahr besonders negativ aufgefallen sind und möglicherweise ethische Normen verletzt haben.

„Flüchtlingsbekämpfung“

Auf den weiteren Plätzen für das Unwort des Jahres kamen die Begriffe „Flüchtlingsbekämpfung“, „intelligente Wirksysteme“ und als sogenanntes Börsenunwort „Bad Bank“. Unwort des Jahres 2008 war „Notleidende Banken“.

Mit dem Begriff „Flüchtlingsbekämpfung“ beschrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Jury zufolge auf einem „Bürgerforum“ der Bertelsmann-Stiftung die Abwehr von Flüchtlingen an Europas Grenzen. Es sei zu hoffen, dass damit nicht tatsächlich militärische Aktionen gemeint seien, erklärten die Sprachforscher. In jedem Fall sei die Gleichsetzung einer Menschengruppe mit einem negativen und deshalb zu bekämpfenden Sachverhalt wie in „Krankheits-, Seuchen- oder Terrorismusbekämpfung“ ein „dramatischer sprachlicher Fehlgriff.“

Hinter der nur scheinbar harmlosen Bezeichnung „intelligente Wirksysteme“ verbärgen sich ausschließlich technologisch hochentwickelte Munitionsarten, kritisierte die Jury einen weiteren Begriff. Diese würden von einem Tochterunternehmen zweier Rüstungskonzerne mit dem gleichfalls verschleiernden Firmennamen „Gesellschaft für Intelligente Wirksysteme mbH“ produziert.

Das Börsen-Unwort des Jahres

Die Börse Düsseldorf kürte den Begriff „Bad Bank“ zum Börsen-Unwort des Jahres. Es sei für das breitere Publikum schwer nachvollziehbar, dass eine offenbar schlechte Bank eine weitere „Bad Bank“ gründe und dies eine gute Lösung für Probleme der Finanzkrise sein solle, erklärte die Börse.

An der 19. Wahl zum „Unwort des Jahres“ beteiligten sich 2018 Einsender. Sie machten 982 verschiedene Vorschläge. Am häufigsten eingereicht wurde der Begriff „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“.

Die bisher gekürten Begriffe:
1991 ausländerfrei (fremdenfeindliche Parole in Hoyerswerda)
1992 ethnische Säuberung (Propaganda im ehemaligen Jugoslawien)
1993 Überfremdung (Scheinargument gegen Zuzug von Ausländern)
1994 Peanuts (Äußerung des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Kopper über die 50-Millionen-Ausstände des Betrügers Jürgen Schneider bei Handwerkern)
1995 Diätenanpassung (Beschönigung der Erhöhung von Bezügen für Bundestagsabgeordnete)
1996 Rentnerschwemme
1997 Wohlstandsmüll (Beschreibung Arbeitsunwilliger und Arbeitsunfähiger durch Helmut Maucher von Nestlé)
1998 sozialverträgliches Frühableben (Zitat des Ärztepräsidenten Karsten Vilmar)
1999 Kollateralschaden (Verharmlosung der Tötung von Menschen im Krieg)
2000 national befreite Zone (Zynismus von Rechtsextremisten)
2001 Gotteskrieger (Bezeichnung islamistischer Terroristen)
2002 Ich-AG
2003 Tätervolk
2004 Humankapital
2005 Entlassungsproduktivität
2006 freiwillige Ausreise (bei abgelehnten Asylbewerbern)
2007 Herdprämie (diffamierender Ausdruck für staatliche Unterstützung von Kindesbetreuung zu Hause)
2008 notleidende Banken
2009 betriebsratverseucht