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Mädchen leidet an Progerie: Weltweit einzigartiger Gen-Defekt! Charlotte (3) altert im Turbo-Tempo
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    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Charlotte (3) hat einen Gendefekt, der sie im Zeitraffertempo altern lässt.
privat Charlotte (3) hat einen Gendefekt, der sie im Zeitraffertempo altern lässt.

Menschen mit Progerie haben einen Gendefekt, der sie im Zeitraffertempo altern lässt. Die dreijährige Charlotte leidet unter einer Form der Erkrankung, die weltweit einzigartig ist. Ihre Mutter, die gelernte Altenpflegerin Anja (37) berichtet, wie die Familie damit umgeht.

Im letzten Jahr verbrachten wir herrlich unbeschwerte Sommerwochen auf der Insel Fehmarn. Ich war schwanger mit Liam und in Vorfreude darauf, bald zu sechst zu sein. Mit jedem Kind ändert sich die Dynamik in der Familie und unseren Noah (jetzt 13) mit seinen beiden Schwestern, Nele (8) und Charlotte (3) am Strand spielen zu sehen, war das pure Glück.

Charlottes Bluttest, der kurz zuvor ans Labor gegangen war, hatte ich nicht mehr auf dem Schirm. Wir hatten so viele Krankenhausaufenthalte und Untersuchungen hinter uns, dieser eine Test fiel da nicht ins Gewicht.

Wieder zurück zu Hause kam ein Anruf von der Kinderklinik. Chris, mein Mann, und ich wurden zum Gespräch gebeten. Chris kann nicht, sagte ich. „Charlotte hat gerade einen Infekt, einer von uns muss daheimbleiben.“ Also bin ich allein los. Das war keine gute Idee.

Charlotte hat sehr seltenen Gen-Defekt: Was jetzt kommt, ist nicht gut

Anders als erwartet, empfing mich nicht nur der Arzt, neben ihm stand eine Frau. Ich erinnere noch genau den Moment, als sie mir vorgestellt wurde. Als Seelsorgerin. Am liebsten möchte man kehrt machen und gehen. Denn man weiß: Was jetzt kommt, ist nicht gut.

Zweieinhalb turbulente Jahre lagen zu diesem Zeitpunkt hinter uns. Praxis hier, Krankenhaus da. Wo wir auch hinkamen, die Ärzte waren ratlos. Keiner konnte etwas mit den Symptomen anfangen, die sich im Grunde ab Charlottes Geburt gezeigt haben. Als Eltern zweier älterer Kinder hat man den Vergleich. Vor allem, dass Charlie schon als kleines Baby ganz anders im Arm lag als seinerzeit die Großen, fiel uns auf. Wie ein nasser Sack irgendwie, ohne Körperspannung.

Mit vier Monaten bin ich zum ersten Mal mit ihr zur Physiotherapie. Die Übungen zeigten Wirkung, ein wenig zumindest. Irgendwann schaffte es Charlie endlich die Beine anziehen, dann auch, sich auf den Bauch zu drehen. Insgesamt war unsere damals Jüngste schwächer als anderen Kinder, aber Menschen waren nun mal verschieden. Und es ging ja bergauf, also alles gut.

Das Essen war schwierig am Anfang

Wirklich schwierig war von Anfang an das Essen. Charlotte isst nicht, sie mümmelt. Schon früh haben wir angefangen, ihr hochkalorische Kost zu geben, damit ihr Organismus gut versorgt ist. Die Nahrung ist flüssig und wenn wir Erdbeere als Geschmacksrichtung wählen, bekommen wir Charlie halbwegs satt. Heute denke ich: Mit all dem hätten wir uns arrangiert, auch längerfristig. Wir hätten eine glückliche Familie sein können. Hätten.

Charlie war zwei, als ein MRT eine Schock-Diagnose brachte: Ein Wirbel drückte auf ihr Rückenmark, eine so genannte Stenose. Soviel war klar, das war was Ernstes. Aber wie ernst es war, das kapierten wir erst, als eine Ärztin meinte, unser Kind hätte tausend Schutzengel gehabt. Ein falscher Sturz, eine Vollbremsung im Auto: „Ihre Tochter wäre sofort querschnittsgelähmt gewesen.“ Ein Querschnitt, von dem auch die Atmung betroffen gewesen wäre…

Der Wirbel konnte im Rahmen einer OP bearbeitet werden. „Abgeschliffen“, wie ich laienhaft sage. Die Gefahr einer Lähmung war damit gebannt. Aber noch immer war völlig unklar, wieso es zu dem Vorfall gekommen war. Unzählige Fachärzte der Klinik haben unseren „Fall“ begutachtet, keiner wusste Rat.

Durch Gen-Defekt war Charlottes Leben bereits früh in Gefahr

Anfang des letzten Jahres bekam Charlotte dann zum zweiten Mal Wirbelprobleme. Wieder an der Halswirbelsäule, aber diesmal noch weiter oben. Im Klartext: Die Situation war noch kritischer. Zum Glück: auch die zweite OP verlief gut, kurz darauf konnten wir dann nach Fehmarn fahren. Endlich mal abschalten, endlich nicht mehr so viel Googeln. Letzteres war lange tatsächlich eine Hauptbeschäftigung von mir gewesen: Charlies Symptome eingeben, mögliche Krankheitsbilder checken. Eine Weile hatte im Raum gestanden, unser Kind könnte kleinwüchsig sein.

Damals habe ich mir viele Videos bei YouTube über kleinwüchsige Menschen angeschaut. Die Lebensfähigkeit und Lebenslust vieler dieser Menschen haben mich tief beeindruckt. Charlotte wird erwachsen werden, sie wird alt werden, tröste ich mich, immerzu. Bis zum letzten Sommer, bis kurz nach Fehmarn.

„Sie brauchen nicht weiter zu googeln, Sie werden nichts finden“, sagte der Arzt, die Seelsorgerin nickte. Die Laboruntersuchung hatte eine genetische Erkrankung bei Charlotte ergeben. Eine „Progerie“ -  „die Betroffenen altern dabei im Zeitraffertempo“. Allerdings würde unser Kind an einer besonderen Form leiden.

Man steht da, versteht nur Bahnhof. Nimmt das alles erst mal theoretisch auf: Dass sich der Gendefekt normalerweise an einem Ende des betroffenen Genstrang befindet, zum Beispiel. Dass das mutierte Gen bei Charlie aber in der Mitte liegt. Anders als bei den weltweit rund zweihundert Erkrankten also.

Charlotte (3) leidet unter einem extrem seltenen Gendefekt.
privat Charlotte (3) leidet unter einem extrem seltenen Gendefekt.

Charlotte ist das weltweit einzige betroffene Kind

„Mit dieser Diagnose ist Ihre Tochter weltweit das einzige betroffene Kind“ – wieder Bahnhof. Ging es da gerade wirklich um uns?

Was das alles in der Folge bedeutet, ist lange sehr abstrakt geblieben und im Grunde ist es bis heute noch so. Fakt ist: Während Betroffene sonst bis Mitte 20 werden, liegt die Lebenserwartung bei Charlie zwischen drei und elf. Wie es zu dieser Zahl kommt? Ganz einfach: Vor Charlotte hat es weltweit drei weitere Kinder mit demselben Gendefekt gegeben. Zwei von ihnen waren bereits verstorben, als er festgestellt wurde. Die drei Kinder waren bei ihrem Tod zwischen drei und elf. Daher.

Was ich aus dem Gespräch damals mitgenommen habe, war vor allem eins: unser Kind wird nicht alt werden.

Und damit leben wir nun, Tag für Tag, Nacht für Nacht, ohne uns etwas vorzumachen. Ich weiß, dass viele Kinder mit Progerie im Schlaf versterben, an einen Infarkt oder einem Schlaganfall etwa. Es ist schwer, sein Liebstes unter diesen Umständen am Abend eine gute Nacht zu wünschen, immer ringe ich mit meinem mütterlichen Beschützerinstinkt. Ich schlafe kaum noch, nicht zuletzt auch, weil ich Angst vor dem Aufwachen habe. Ich weiß, der Tag, an dem Charlie sich nicht mehr bewegen, nicht mehr atmen, nicht mehr da sein wird, wird kommen. Viel zu bald.

Haarstruktur einer Frau nach der Menopause

Manche finden, ich solle zuversichtlicher sein. Man wisse schließlich fast nichts über diese Krankheit, so gesehen sei doch alles möglich. Ich selbst bin zu sehr Realistin, um mir auf die Art Hoffnung zuzusprechen.

Es stimmt zwar: Andere Kinder mit Progerie sehen schon im ersten Lebensjahr wie kleine Greise aus. Bei Charlotte fing das sichtbare Altern erst im vergangenen Lebensjahr an: Sie bekam Altersflecken, das Haar wurde dünner, die Haut transparenter, die Zähne fingen an, sich zu verschieben.

Allerdings schreitet das Altern bei unserem Kind so wie es aussieht schneller voran als bei anderen Erkrankten. Ich bin erschrocken, als ich neulich ein Foto von Charlotte vom letzten Sommer gesehen habe. Mit vollem, lockigem Haar. Jetzt hat sie die Haarstruktur einer Frau nach der Menopause!

Die Situation annehmen, wie sie ist - das ist meine Maxime, denn das bringt uns ins Handeln. Zeit ist etwas sehr Relatives. Man kann sie verstreichen lassen oder sie bewusst genießen. Unser allergrößter Wunsch ist es, Charlottes Lebenszeit zu füllen und die verbleibenden Tage und Stunden dafür so intensiv wie möglich zu nutzen.

Chris sagt oft, am liebsten würde er seinen Job hinschmeißen und nur noch Zeit mit Charlotte verbringen. Aber das geht natürlich nicht, einer muss die Familie ernähren. Die Zeit, die wir alle zusammen als Familie haben, ist uns besonders wertvoll. Man fragt sich dann zweimal, ob es wirklich das Sofa und der Fernseher sein müssen oder ob es nicht besser wäre, rauszugehen. In den Zoo oder zur Eisdiele oder auf die Wiese in den Park zum Beispiel - all die Dinge, die Kinderherzen hüpfen lassen. Und die wir aus eigener Kraft gestemmt kriegen, gerade auch finanziell. Selbstredend, dass einem da mit vier Kindern Grenzen gesetzt sind…

Und an dieser Stelle wird es schmerzhaft, bei den größeren Wünschen und Sehsüchten, denn hier wird uns Charlies Endlichkeit besonders bewusst.

Charlotte (3) mit ihrer Mutter Anja (37).
privat Charlotte (3) mit ihrer Mutter Anja (37).

Unser Traum wäre eine Safari in Afrika

Das kannst du auch später noch machen, sagen wir zu unserem Großen wenn er mal wieder davon anfängt, er wolle nach Disney World. Charlotte gegenüber wäre sowas sarkastisch. Ihr Leben, unser gemeinsames Leben ist jetzt. Und es lechzt nach positiven Erlebnissen, die uns allen die Kraft geben, weiterzumachen.

Ich weiß, dass manche das nicht verstehen können, wenn ich sage: Unser Traum wäre eine Safari in Afrika. Charlotte liebt Tiere! Schon allein die Vorstellung, ihren großen Augen beim Anblick eines Elefanten oder eines Löwen zu sehen, treibt mir Tränen in die Augen. Tränen der Rührung, aber auch der Verzweiflung, denn ich habe mal geschaut, was eine solche Safari kostet. Bei 4000 € fängt sowas an. Pro Person.

Eine Freundin, der ich davon erzählte, zuckte mit den Achseln. Sie müsse schließlich auch auf den Urlaub sparen. Ein versteckter Vorwurf? Ich war sprachlos. Als ginge es hier um überflüssigen Luxus. Denen, die es hören wollen, sage ich, worum es wirklich geht. Endlich könnte ich etwas für Charlotte tun, wäre nicht so ausgeliefert. Und darüber hinaus täte auch etwas für unsere anderen Kinder.

Es wäre schlimm, wenn Noah, Nele und Liam sich später mit Unbehagen erinnern würden. An eine Zeit des Verzichts, des Zurückstecken-Müssens, weil die Mama und der Papa an anderer Stelle so dringend gebraucht waren. Es wäre toll, sie könnten sagen: das, was wir mit unserer Schwester hatten, das war spitze. Je mehr schöne Erinnerungen wir produzieren können, desto besser.

Chris hat sich zunächst regelrecht gegen die Idee eines Spendenaufrufs gesträubt. Und auch ich hatte ein flaues Gefühl Magen, als ich erst Flugblätter in der Stadt verteilt habe und dann bei „gofundme“ aktiv geworden bin. War es egoistisch, sich mit der Unterstützung von Fremden eine solchen Reise leisten zu wollen? Eine Reise, wie sie für die allermeisten Menschen wohl nie machbar sein wird?

Gott sei Dank, die Reaktion der Freundin ist eine Ausnahme geblieben. Der Zuspruch, den wir erfahren, ist grandios. Charlies Geschichte berührt und dabei geht es keineswegs nur um Mitleid, glaube ich, sondern zumindest ein Stück weit auch um Selbsterkenntnis. Lebenszeit will gewürdigt werden. Und für eine vergleichsweise kurze Lebenszeit gilt das nun mal ganz besonders.

Ich kämpfe weiter

Ich bleibe dabei, kämpfe weiter. Charlie soll das mitnehmen können, die Tiere, die Natur, unser familiäres Miteinander im Glück. So wie jeder einzelne von uns die Bilder von Charlie bei sich tragen wird. Ein Leben lang.

Protokoll: Elisabeth Hussendörfer

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