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Buchmesse Frankfurt: Debatte über Meinungsfreiheit ist allgegenwärtig

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Endlich wieder ein Anlass, um sich herauszuputzen: Cosplayerinnen auf der Frankfurter Buchmesse. Foto: Renate Hoyer
Endlich wieder ein Anlass, um sich herauszuputzen: Cosplayerinnen auf der Frankfurter Buchmesse. © Renate Hoyer

Am Samstag herrscht in Frankfurt endlich wieder die richtige Buchmessen-Atmosphäre. Die Debatte um rechte Verlage und die Grenzen der Meinungsfreiheit ist dabei allgegenwärtig.

Frankfurt - Und sie bewegt sich doch. Am Samstagmittag, am vierten Tag, hat in Messehalle 3 mit einem Schlag die Frankfurter Buchmesse begonnen. Was an den mau besuchten Fachtagen nicht entstanden ist, dieses Gewirr, Gewusel und Gesumm, auf einmal ist es zu spüren. Man schiebt sich nicht durch die Gänge, aber die Halle ist gut gefüllt.

Überall Menschen mit erwartungsvollen Augen (die Gesichter sind hinter FFP2-Masken verborgen) und großen Tragetaschen, Schlangen an den Ständen der Verlage, Besucher:innen auf dem Fußboden, in Bücher vertieft. Draußen, auf der Agora, junge Menschen in fantasievollen Kostümen, als Jediritter oder Prinzessin, als Manga-Figur oder Steampunk-Heldin. Die Buchmesse ist zurück.

Frankfurter Buchmesse: Nun geht es auch um Bücher

Und mit einem Mal geht es auch um Bücher, um Literatur. Auf der großen Videoleinwand auf der Agora ist der Autor Florian Illies zu sehen, der über sein neues Buch „Liebe in Zeiten des Hasses“ über die Liebe in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts spricht. Viel sei in dieser politisch spannungsgeladenen Zeit an Rausch und Affären ausgelebt worden, sagt Illies, der sich in seinem Buch auf Tagebücher und Briefwechsel stützt. Den mit diesen amourösen Verstrickungen einhergehenden Schmerz finde man in den Zeugnissen dagegen selten. „Das ist ein solcher Kult um die Kälte, um die Coolness.“

Zugleich gebe es in den 30ern auch gelungene Liebesgeschichten, etwa die zwischen Hannah Arendt und Heinrich Blücher. Auch in Zeiten des aufkommenden Faschismus, geprägt durch Flucht, Exil und Gewalt, gebe es „die unglaubliche Widerstandskraft der Liebe“. Sein Buch erforsche „die Gefühle derer, die unter diesen Wolken des Hasses zu leiden hatten“.

Frankfurter Buchmesse: Cosplay und Plauderei

Oben in Halle 3.1 geht es derweil entspannt zu. An den Messeständen ist mehr Platz, man kann ohne Probleme da oder dort stehenbleiben und den zahlreichen Gesprächen lauschen. Auf einem der Gänge stehen drei junge Frauen, Mitte 20, die aus Freiburg und Wilhelmshaven angereist sind. Alle drei sind Cosplayerinnen, sie tragen also aufwendig gestaltete Kostüme. „Es macht Spaß hierherzukommen“, sagt Jessica, die einen schwarzen Mantel und knallblaue Kontaktlinsen trägt. „Es ist eine Gelegenheit, die Kostüme zu tragen.“ Viele Events der Szene seien wegen der Pandemie ausgefallen, sagt ihre Freundin Katharina. „Die Buchmesse ist einer der Orte, wo man weiß, da sind andere Cosplayer unterwegs.“ Es gehe zwar auch um die Bücher, aber eben vor allem darum, Leute kennenzulernen, wirft Natalie ein. Und noch während die drei von ihrem Hobby berichten, bleibt eine Messebesucherin stehen. „Darf ich ein Foto machen?“ Natürlich darf sie.

Ein paar Meter weiter sitzt Claudia Häußermann und ist in Plauderlaune. „Wir sind sehr zufrieden, muss man tatsächlich sagen“, sagt die kaufmännische Geschäftsführerin von Kiepenheuer & Witsch. Endlich sei Publikum da. Um die Zukunft der Buchmesse mache sie sich keine Sorgen, so Häußermann. „Wenn diese Pandemie vorbei ist, glaube ich auch, dass die Buchmesse zurückkommt.“

Frankfurter Buchmesse mit persönlichen Begegnungen

Auch ihre Kollegin Mona Lang, Lektorin bei KiWi, ist froh, dass die Messe in Präsenz stattfindet. Sicher könne man über Buchverträge auch in Onlinekonferenzen verhandeln, sagt sie. Aber dass eine Kollegin einem einen heißen Titel aus Israel zuraune, den noch niemand auf Deutsch verlegt habe, das gebe es nur auf der Buchmesse. „Wir Trüffelschweine suchen hier die größten Trüffel, das geht nicht digital“, sagt Lang.

Auch Cay Möntmann ist zufrieden. „Das macht uns natürlich total glücklich zu sehen, wie die Leute das Buch feiern“, sagt der Marketingleiter von der Verlagsgruppe Bastei-Lübbe. Es sei weniger los als sonst, sagt Möntmann, aber das „Commitment zur Messe“ könne man nicht in Besucherzahlen messen. „Und die Menschen lechzen nach persönlichen Begegnungen.“ Es werde spannend, in welche Richtung sich die Messe in Zukunft entwickeln werde, sagt Möntmann. Er könne sich vorstellen, dass der Trend zu mehr Publikumstagen anhalte und Frankfurt sich mehr zu einer Publikumsmesse entwickle.

Debatte über rechte Verlage und die Grenzen der Meinungsfreiheit

Die Zukunft der Buchmesse ist auch in einem anderen Sinne das beherrschende Thema. Es gibt nicht den einen Buchtitel, über den alle reden, es ist die Debatte über rechte Verlage und die Grenzen der Meinungsfreiheit, über die alle streiten. Am Samstagmittag sprechen die Managerin Janina Kugel und die Grünen-Politikerin Aminata Touré auf der ARD-Bühne in der Festhalle darüber.

Die Grüne Aminata Touré äußert sich zur Debatte um rechte Verlage. Foto: Renate Hoyer
Die Grüne Aminata Touré äußert sich zur Debatte um rechte Verlage. © Renate Hoyer

Sie finde es gut, dass der Boykott der Buchmesse durch die Autorin Jasmina Kuhnke dieses Thema nach ganz oben auf die Agenda gesetzt habe, sagt Touré. „Man muss aushalten, dass Schwarze oder People of Colour sagen, ich fühle mich nicht sicher genug.“ Was sie selbst allerdings nicht aushalten wolle, „sind rechtsextreme Tendenzen oder Verlage“, so die Politikerin. Sie habe nicht den Eindruck, dass die Messe alle Spielräume genutzt habe, um Rechte fernzuhalten. Janina Kugel widerspricht: Inhalte, die legal seien, müsse man in einem Rechtsstaat aushalten. Sie befürchte, dass die Inhalte vieler Bücher durch die Debatte „vielleicht zu kurz gekommen“ seien.

Frankfurter Buchmesse: Subjektives Sicherheitsempfinden nur bedingt beeinflussbar

Die Buchmesse selbst äußert sich am Samstagnachmittag noch einmal zu der Debatte und betont, dass es ein umfangreiches Sicherheitskonzept für alle Autor:innen gebe, man das subjektive Sicherheitsempfinden aber nur bedingt beeinflussen könne. Da die Buchmesse aufgrund ihrer Größe sehr relevant für den Buchmarkt sei, sei es im Übrigen schon aus kartellrechtlichen Gründen schwierig, Inhalte auszusperren, die nicht eindeutig strafbar seien.

Ähnlich sagt das später auch die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. „Ich finde die Haltung der Buchmesse richtig“, sagt sie auf der ARD-Bühne. Was nicht gegen Gesetze verstoße, müsse geäußert werden können. Die Grenzen des Diskurses setze das Recht. „Das ist eine Frage der Justiz, eine Frage der Gerichte.“ Es wäre eine Anmaßung, wenn die Buchmesse bestimme, welche Positionen zu weit rechts stünden und ausgeladen würden. Und so wird auf der Buchmesse munter gestritten. Wie sich das gehört. (Hanning Voigts)

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