GEO.de: Herr Lehmann, Sie haben eine Kegelrobbe in flagranti beim Fressen eines Seehundes erwischt ...
Robert Lehmann: Ich war mit meinem Team auf Helgoland, um für das ZDF eine Reportage zu drehen. Es ging um U-Boot-Wracks und Kegelrobben. An einem Tag mit wenig Wind und Wellen war ich mit meinem Kollegen Uli Kunz an der Düne, einer vorgelagerten Sandinsel, schnorcheln, um zu filmen und zu fotografieren. Plötzlich rief mein Skipper vom Boot aus: "Robert, dreh dich mal um, ich glaube, da passiert was." Ich sah dann, wie eine Kegelrobbe einen Seehund tötete. Der Bulle zog mit seiner Beute unter uns weg. Offenbar fühlte er sich aber bedroht, ließ den Seehund liegen und verschwand. Das war das erste Mal weltweit, dass so ein Verhalten unter Wasser dokumentiert wurde.
Warum setzt sich die Erkenntnis, dass Kegelrobben Raubtiere sind, jetzt erst durch?
Die Kegelrobbe galt lange als reiner Fischfresser. Dass sie auch größere Tiere angreifen, passte einfach nicht in das Bild, das wir von den Tieren haben. Darum konnte man sich auch lange keinen Reim auf die Wunden machen, die man etwa an toten Seehunden fand. Das sieht wirklich aus, als hätte jemand sie mit einem Dosenöffner aufgemacht. Meist hielt man die Wunden für Verletzungen durch Schiffsschrauben. Aber solche Wunden sehen völlig anders aus.
Eine neue niederländische Studie weist nach, dass Kegelrobben auch Schweinswale jagen ...
Das überrascht mich nicht, auch wenn Schweinswale sehr agil sind. Sie schaffen immerhin 40 Km/h. Das ist unter Wasser ziemlich schnell. Offenbar belauschen die Robben die "Unterhaltungen" der Wale und lauern ihnen im Kelp auf.
Die Kegelrobben auf der Helgoländer Düne sind eine besondere Attraktion der Hochseeinsel. Stellen die Kegelrobben eine Gefahr für Badegäste dar?
Ein Kegelrobben-Bulle wiegt bis zu 300 Kilogramm und hat ein Gebiss wie ein Bär. Das ist kein Kuscheltier. Wenn man sich diesen Tieren an Land nähert, kann das unter Umständen gefährlich werden. Man sollte also unbedingt die empfohlenen Mindestabstände einhalten. Auf der Helgoländer Düne sind das 30 Meter. Im Wasser sieht das noch mal anders aus, da verlieren die Robben ihre Scheu und kommen ganz nah ran. Wenn man keine Erfahrung im Umgang mit den Tieren hat, kann man sich bei so einer Begegnung ganz schön erschrecken.
In den Medien war jüngst von "Killerrobbe n" zu lesen ...
Das ist genau der falsche Weg. Es sind keine menschenfressenden "Killerrobben". Und ein Wolf ist ja, nur weil er ein Reh reißt, auch kein "Killerwolf". Trotzdem müssen wir uns klarmachen, dass wir es mit einem opportunistischen Raubtier zu tun haben, das nicht nur Fische jagt. Dafür muss man die Menschen sensibilisieren.