Florian Haller

„Wir arbeiten daran, Kreation zu individualisieren“

Florian Haller auf dem Innovationstag
Serviceplan
Florian Haller auf dem Innovationstag
Zu den Referenten des 13. Innovationstages zählte unter anderem Cambridge Analytica CEO Alexander Nix, der prognostizierte, Big Data werde die Werbewelt auf den Kopf stellen. Agenturchef Florian Haller sieht hierin keine Gefahr: Im Interview erklärt er, dass Serviceplan längst auf den gleichen Wegen wie CA unterwegs sei.
Teilen

Alexander Bard hat die zu erwartenden Folgen des digitalen Wandels sehr drastisch beschrieben. Wo stehen wir heute? Wir sind schon mittendrin. Ich kenne keine Branche, die sich nicht ganz grundlegend ändert. Erst waren es die Medien und Agenturen, jetzt sind es Banking und Lebensmitteleinzelhandel, als nächstes wird es die Pharmabranche sein et cetera. Hier und da wird die digitale Transformation durch - sagen wir einmal - kulturelle Faktoren verlangsamt. In der Automobilindustrie tut man sich ganz offensichtlich schwer, die über hundertjährige Erfahrung mit Verbrennungsmotoren zur Seite zu legen und sich dem Elektromotor zuzuwenden. Und wer klassische Werbung gemacht hat und für eine halbe Million Euro einen Werbefilm drehen konnte, der ist auch nicht begeistert, nunmehr über Social Media Snippets zu verbreiten.


Wir haben es also mit sehr individuellen, selbstbezogenen und emotionalen Reaktionen zu tun. Durchaus. Das ist vielleicht mit der Crew eines Viermastseglers vor 150 Jahren zu vergleichen. Für die waren die schnelleren, unabhängigen Dampfschiffe nicht schön, nicht romantisch. So ist es in vielen Bereichen schwer und der Wandel vollzieht sich nicht so schnell, wie mancher das gerne hätte.
Und dann tauchen in der Werbeindustrie noch Spezialisten wie Cambridge Analytica auf, die neben ihrer profunden Big-Data-Kenntnis auch Kreation und Mediaplanung anbieten. Da kann einem klassischen Werber schon Angst werden. Das sehe ich nicht so. Von der Seite sehe ich keinen Wettbewerb für unser bestehendes Geschäftsmodell. Unsere Kompetenz liegt unter anderem auch darin, Marken emotionalisieren zu können. Und diese Kompetenz behalten wir, die geht nicht weg. Andererseits nimmt der Datenbereich natürlich an Bedeutung zu, aber eben auch bei uns: Wir beschäftigen in München 30 Data-Scientists, die mit der datenbasierten Verwertung von Profilen betraut sind. Wir arbeiten daran, Kreation zu individualisieren, Kommunikation effizienter zu machen. Maßgeschneiderte Botschaften zu kreieren ist eine tolle Herausforderung. Wir sehen das also als Chance, nicht als Gefahr.

Wer klassische Werbung gemacht hat und für eine halbe Million Euro einen Werbefilm drehen konnte, der ist auch nicht begeistert, nunmehr über Social Media Snippets zu verbreiten.
Florian Haller
Wie sehen Sie das Bild der Revolution in diesem Zusammenhang? 
Die politischen Veränderungen in Nordafrika, insbesondere in Tunesien, wären ohne digitale Medien so gar nicht möglich gewesen. In gewisser Weise hat sich also dort die von Alexander Bard aufgeworfene Analogie schon bewahrheitet.

Die digitale Revolution ist ganz konkret und betrifft unter anderem Marketingkommunikation in all seinen Facetten. Aber der Innovationstag thematisiert auch eine sehr utopische Idee wie das Transportsystem Hyperloop von Tesla-Chef Elon Musk. Da stand für mich die Idee im Vordergrund, einmal die Umstände und Hintergründe einer disruptiven Innovation zu diskutieren. Hier werden mit Crowdfunding, kolaborativer Beteiligung und der Diskussion des Marketings mittels eines als Crowdstorming bezeichneten digitalen Diskurses ganz andere Wege beschritten. Das hat mich interessiert. Aber wenn man den Hyperloop mit der Künstlichen Intelligenz vergleicht, scheinen wir bei ersterem fast weiter zu sein. KI wird bei uns zwar immer wieder diskutiert, aber letztlich ist es da noch ein ganz ganz weiter Weg, wie auch unsere Diskussion hier in München gezeigt hat.

Branchen-Event: Die besten Bilder vom Innovationstag

In der Diskussion mit Cambridge Analytica CEO Alexander Nix wurden auch Fragen der Moral und Ethik angeschnitten. Welche Rolle spielt für Sie dieser Aspekt im Kontext von Innovationen? Gerade bei der Beschäftigung mit KI müssen wir Entwicklungen in dieser Richtung hinterfragen. Grundsätzlich gilt: Wir sind geschäftlich nur dann erfolgreich, wenn unsere Arbeit von den Menschen akzeptiert wird. Wir müssen deshalb immer auch ethische Kriterien beachten. Gerade beim Datenschutz ist das zentral: Die neue Datenschutznovelle der EU ist irre für unser Geschäft. Wenn diese Diskussion nicht frühzeitig statfindet, dann passiert das, was beim Datenschutz derzeit sichtbar ist. Ich glaube, die meisten Medienanbieter haben noch gar nicht richtig realisiert, was da auf sie zukommt. Aber wir müssen uns im Vorfeld überlegen, was wir wollen, und was nicht. Diese Diskussion ist wichtig und die müssen wir in der Öffentlichkeit führen. Interview: Wolfgang Borgfeld

HORIZONT HORIZONT Kreation

Die besten Kampagnen des Tages
 
stats