Schwindende Muskulatur, Senkrücken, Grübchen über den Augen, weiße Haare im Gesicht - das fortgeschrittene Alter sieht man Pferden nicht nur an, sie haben auch spezielle Bedürfnisse.
Das ist ein Artikel vom Top-Thema:
Gisela Ehret | am

Das alte Pferd: Ein gutes Zuhause für Vierbeiner in Rente

Der Anteil von Pferden im Alter von über 20 Jahren wird in Deutschland auf zehn bis 20 Prozent geschätzt – Tendenz steigend. Ein guter Grund, zu überlegen, wie man mit diesen Pferden in der Gruppenhaltung umgehen kann.

Die Bereitschaft, Pferde bis ins hohe Alter gut zu versorgen, ist heute groß. In einer Befragung des HorseFuturePanels (HFP) 2016 stimmten 95 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Aussage zu, dass Pferde auch im Ruhestand ein pferdegerechtes Leben verdienen. Zudem gaben fast zwei Drittel an, ihr Pferd als „Nicht-Schlachtpferd“ im Equidenpass eingetragen zu haben – was bedeutet, dass das Tier laut Tierschutzgesetz nur getötet werden darf, wenn ein Leiden zu groß ist und nicht behandelt werden kann. In der Regel suchen die Besitzer also dem Pferd einen guten Platz für den Ruhestand und tragen die Verantwortung für sein Wohlergehen bis zum Schluss.

Weidehütte-Liegebereich-Pferd
© Gisela Ehret

Gruppenhaltung ist beliebt

Viele Pferdebesitzer bringen ihre Senioren gerne in einer Gruppenhaltung unter – sogar, wenn die Pferde bisher in einer Box standen. In der Umfrage gaben 20 Prozent an, ihr Pferd von Boxen- in die Gruppenhaltung umgestellt zu haben. 50 Prozent hielten ihr altes Pferd wie bisher in Gruppenhaltung.

Selektionsbereich-Einwegtor-Pferd
© Gisela Ehret

Pensionsstallbetreiber: Zielgruppe Ruhestandpferde

Stallbetreiber tun deshalb gut daran, ihre Infrastruktur an die Bedürfnisse älterer Pferde anzupassen. So lässt sich nicht nur die Zielgruppe Ruhestandspferde neu erschließen, sondern es können auch langjährige Kunden gehalten werden, deren Pferde im Betrieb altern.

Gerade für alte Pferde, die oft an Arthrose oder anderen Gelenkerkrankungen leiden, ist stetige, ruhige Bewegung wichtig. Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) empfiehlt deshalb in ihrem „Merkblatt zur Haltung alter Pferde“ die Haltung auf der Weide, in Offen- oder Bewegungsställen.

Gesundheit und Wohlbefinden: Kontakt mit Artgenossen

Der ständige Kontakt mit Artgenossen steigert außerdem Wohlbefinden und Gesundheit. Auch für alte Pferde sind die „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ die Basis jeder Stallplanung. Allerdings haben die Senioren einige spezielle Bedürfnisse, die es erfordern, in manchen Punkten über die Richtwerte der Leitlinien hinauszugehen.

Zu dick oder noch normal? Das Frühjahr ist eine gute Zeit für Pferde, um abzuspecken.

Großzügige Liegeflächen für Pferde-Senioren

Die TVT rät, alten Pferden mehr Liegefläche zur Verfügung zu stellen und mehr Einstreu zu verwenden. Denn alte Pferde haben ein erhöhtes Ruhebedürfnis, sind oft rangniedrig und liegen ungern ab, weil das Ablegen und Aufstehen schmerzt und mühsam ist.

Kurze Wege zur Tränke für alte Pferde

Außerdem ist darauf zu achten, dass der Weg zur Tränke nicht zu weit ist – besonders bei Aktivställen mit Laufwegen oder Paddocktrails. Alte Pferde neigen ohnehin dazu, zu wenig zu trinken. Kommen weite Wege dazu und haben die Pferde bereits mit Lahmheiten zu kämpfen, gehen sie möglicherweise zu selten zur Tränke. Die Folge können Verstopfungskoliken sein. Einwegtore können helfen, einen Bewegungsanreiz zu geben: Sie werden zwischen Raufe und Tränke gesetzt, sodass der Weg zur Tränke nicht weit ist. Zurück zum Futter müssen die Pferde aber den Umweg gehen.

Passt Gruppenhaltung?

Nicht alle Pferde sind in einer Gruppenhaltung gut aufgehoben. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) warnt in ihrem Merkblatt „Das alternde Pferd“, dass Pferde, die viele Jahre in Boxenhaltung standen, sich teils mit einer Umstellung in die Gruppenhaltung schwer tun. Sie bekommen dort Stress und werden unruhig. Ein möglicher Kompromiss kann sein, Pferde stundenweise oder über Nacht in eine Einzelbox zu stellen, sodass sie dort besser ruhen und ungestört fressen können.

Wie viel Heu Pferde bekommen sollten, ist ein häufiges Streitthema zwischen Stallbetreibern und Pferdebesitzern. Besonders herausfordernd wird es bei Pferden in heterogenen Gruppen.

VIP-Bereiche schaffen

In der Gruppenhaltung besteht die Kunst darin, den alten Pferden Zugang zu Ressourcen zu ermöglichen, den andere Pferde nicht bekommen. Vor allem in der Aktivstallhaltung, die ja ohnehin auf tierindividuelle Versorgung setzt, ist die Installation von individuellen Fütterungseinheiten, Schleusen oder Toren kein großes Problem.

Exklusiv-Bereiche für Senioren haben die Vorteile, dass sie ungestörter fressen können, weil hier weniger Gedränge herrscht als in der großen Herde, die Pferde aber dennoch gemeinsam mit Artgenossen Futter aufnehmen können. Wichtig ist, dass nicht zu viele Pferde Zugang zu diesem Bereich haben und die Pferde die Selektionsbereiche jederzeit durch Einwegtore wieder verlassen können. Alternativ kann man auch separate Bereiche schaffen, in die jeweils nur ein einzelnes Tier gelangt.

Pferde mit Brei füttern

Eine weitere Besonderheit bei alten Pferden ist ihr zunehmendes Unvermögen, Grobfutter zu zerkleinern. Zahnprobleme fallen vor allem durch Heuwickel rund um die Raufen auf. Magert das Pferd zudem stark ab, müssen Teile der Heuration oder sogar die gesamte Ration durch eingeweichte Heucobs ersetzt werden. Das stellt Pferdebesitzer wie Stallbetreiber vor große logistische Herausforderungen, denn das Futter muss eingeweicht und den Pferden einzeln vorgelegt werden. Die Fresszeit für eine Portion beträgt 30 Minuten oder mehr und in dieser Zeit müssen die Pferde beaufsichtigt oder in eine Box gestellt und anschließend wieder herausgelassen werden. Oft brauchen sie dreimal täglich eine Portion, vor allem wenn sie kaum noch Heu fressen können. Einmal angegossenes Futter verdirbt außerdem recht schnell, vor allem in den Sommermonaten, oder kann im Winter gefrieren.

Heucobs für die Pferde bereitstellen

Das zu automatisieren, verspricht daher viele Erleichterungen. Abrufstationen können Breifutter aus Heucobs tierindividuell bereitstellen. Hier gibt es zum Beispiel Abrufstationen mit beheiztem Trog, in die das fertig angemischte Futter gefüllt wird. Alternativ wird das Futter frisch im Trog angemischt: Lauwarmes Wasser und Heucobs werden in einen Trog gelassen, sobald der berechtigte Pferdesenior die Station betritt. Nach einer Einweichzeit öffnet sich ein Schieber zum Trog und er kann die Heucobs fressen.

Pferdehaltung

Selbstgebaute Lösungen

Nicht immer muss es ein automatisiertes Selektionssystem oder ein Futterautomat sein. In kleineren Pferdegruppen und bei knappem Budget kann man sich mit einem Einwegtor selbst eine Selektionsbox bauen: Das Pferd wird in einen abgetrennten Bereich gestellt und kann dort Heu oder Cobs fressen oder ein bisschen ausruhen, bevor es den Bereich durch das Einwegtor selbstständig wieder verlässt. Somit entfallen die Wartezeit und das Rauslassen nach dem Füttern. Je nach Bauart muss man allerdings damit rechnen, dass kleinere Ponys lernen, darunter durchzuschlüpfen. Es gab auch schon Pferde, die gelernt haben, das Tor von außen mit dem Kopf zu öffnen. In diesem Fall können starke Federn helfen.

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