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Serviceplan Auf eigene Faust ins globale Dorf

Deutschlands größte inhabergeführte Werbeagentur traut sich den Schritt nach Russland und Fernost zu - mit einer kleinen Beteiligung an einer noch jungen Mannschaft. Serviceplan-Chef Florian Haller führt das Lebenswerk des Vaters in eine digitale Zukunft.
Von Cornelia Knust
Ein Erbe und ein Gründer: Florian Haller, Serviceplan, und Markus Noder, Liquid Campain

Ein Erbe und ein Gründer: Florian Haller, Serviceplan, und Markus Noder, Liquid Campain

München - "Wir wollen das erste deutsche Agenturnetzwerk sein, das international vertreten ist". Florian Haller, 44, Hauptgeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Münchner Agenturgruppe Serviceplan, spricht gelassen aus, was schon einige in seiner Branche erfolglos versucht haben. Mit der jetzt erworbenen Sperrminorität an der Agentur Liquid Campain will er seinen global agierenden Kunden globalen Service bieten, zunächst einmal im Wachstumsmarkt Asien.

Liquid Campain (110 Mitarbeiter) wurde erst vor drei Jahren von Markus Noder mit sechs Partnern gegründet. Noder, der zuvor bei der Digitalagentur Interone internationale Erfahrung gesammelt hatte, wird künftig bei Serviceplan in München sitzen. Liquid Campain ist schon mit selbst gegründeten Agenturen in Russland, Indien, China und Korea vertreten.

Am gemeinsamen Kunden BMW können sich Serviceplan und Liquid Campain gleich ausprobieren. Der neue Gesellschafter Serviceplan mit einem Anteil von 25,1 Prozent schneidet die unternehmerische Ader von LC nicht ab, wie Haller erklärt. Sie soll durch ein Beteiligungs-Management in München gesteuert werden, das gerade im Aufbau ist.

"Wir wissen, dass das so etwas ist wie eine Mount Everest-Besteigung, auf der man links und rechts Gescheiterte am Wegesrand liegen sieht, aber wir trauen es uns zu", gibt sich Haller selbstbewußt. Der andere Weg, ein Verkauf von Serviceplan an ein internationales Agenturnetzwerk, komme nicht in Frage.

Partnermodell brachte Systemwechsel

So hat auch schon der Vater gedacht. Peter Haller, 74, einer der Arrivierten der deutschen Werbeszene, hat alle Avancen stets zurückgewiesen. Eigenständig sollte sie fortbestehen, die Werbeagentur, die er, einst Gaststudent aus der Schweiz, als promovierter Volkswirt 1970 mit seinem Partner Rolf Stempel in München gegründet hatte. Doch an die eigenen Mitarbeiter verkaufen, zumindest teilweise, das konnte angehen, das konnte ein Modell sein für die Zukunft, konnte den Boden bereiten für Florian Haller, seinen Sohn.

"Wir haben intuitiv etwas gemacht, was sehr gut war", sagt dieser Sohn heute. Die stark auf die beiden Gründer zugeschnittene Firma hätte er so nicht übernehmen können, meint er. Erst das Mitte der 90er-Jahre gemeinsam entwickelte "Partnermodell" brachte den gewünschten Systemwechsel. Es band die wertvollen Mitarbeiter an das Unternehmen.

Werber wissen schließlich, dass der Erfolg, ja das Überleben der Firma an den Köpfen hängt, die jederzeit zum Kunden oder zur Konkurrenz wechseln können. Auch Serviceplan-Mitbegründer Stempel machte den Weg frei. Vorher genau zur Hälfte am Kapital beteiligt, verkaufte er Anteile an Florian Haller, reduzierte damit seine Position und zog sich 1998 ins Privatleben zurück. Seine Tochter Sybille Stempel ist als "Kreative" bei Serviceplan tätig.

Etwas bewegen

Nun konnte er also kommen, der Haller-Erbe, der sich in jeder Hinsicht gut vorbereitet hatte: Marketing-Studium in St.Gallen, Hospitanz beim Werberiesen Lintas in New York, fünf Jahre beim Konsumgüterhersteller Procter & Gamble in Brüssel und Genf, weitere sechs Jahre als Leiter einer der Serviceplan-Agenturen. Mit all dem hätte er auch anderswo Karriere machen können, mochte sich nicht zu früh festlegen, traf die Entscheidung schrittweise, wie er sagt. "Schließlich will man nicht schon mit 20 wissen, was man mit 45 macht".

Die Schwester, Valerie Haller, ging als Fernsehjournalistin ohnehin andere Wege. Auch beim Sohn versuchte der Vater wohl, keinen Druck zu machen in Richtung Nachfolge. Doch: "Wenn man das Kind eines Unternehmers ist, steht das Thema immer im Raum", sagt der junge Haller. Außerdem wollte auch der Sohn wie der Vater "was bewegen".

Und das hat er gründlich. Seit 2002, als Florian Haller Hauptgeschäftsführer von Serviceplan wurde, hat sich der jährliche Honorarumsatz von 51 auf 171 Millionen Euro erhöht, wovon derzeit 5 Prozent im Ausland erzielt werden. Aus einer klassischen Werbeagentur ist ein Kommunikationskonzern geworden, der die ganze Klaviatur bespielt, einschließlich des zukunftsträchtigen Online-Geschäfts. Die Gruppe mit ihren rund 40 Einzelunternehmen zählt jetzt 1200 Mitarbeiter.

Das kreative Profil gestärkt

"Früher galten wir als sehr strategisch und beratungslastig", sagt Haller junior und stellt selbstbewusst fest: "Ich habe das kreative Profil der Gruppe gestärkt." Tatsächlich wird Serviceplan inzwischen auf den einschlägigen Kreativ-Wettbewerben der Branche weit vorne wahrgenommen, sogar international, und das soll weitergehen.

Dabei hat Haller nicht versucht, selbst den genialen Spinner zu spielen, sondern hat sich 2006 mit Alexander Schill (vorher bei Springer & Jacoby in Hamburg) einen wirklichen Star geholt. Er machte ihn zum Kreativchef für die Gruppe und zum Mitglied der Holding-Geschäftsführung. Der Serviceplan-Standort in Hamburg mit heute rund 160 Mitarbeitern scheint geradezu gemacht für Schill und seinen Kollegen Jörg Schultheis (ebenfalls von S&P) - als Anziehungspunkt für den ganzen Pulk der Kreativen, der sich in Hamburg immer schon tummelte.

Das behäbige München hatte in dieser Szene lange keinen guten Ruf. Haller, in München-Solln aufgewachsen, mag seine Stadt, findet sie durchaus inspirierend, lebt mit Frau und drei Töchtern in Schwabing. Dennoch ist ihm wichtig: "Der Ruf, eine sehr auf München und Süddeutschland ausgerichtete Agentur zu sein, hat sich gewandelt."

Dafür hat er Serviceplan zu einer Marke gemacht, die auch nördlich der Mainlinie zu Hause ist, sogar in Berlin. Das spektakuläre "Haus der Kommunikation", das die Hallers Anfang des Jahrtausends nahe dem Münchner Königsplatz errichtet haben, wurde dafür einfach in Hamburg, Berlin und zuletzt Wien im Kleinen kopiert; Zürich soll irgendwann folgen.

Haus der Begegnung

Das Münchner Mutterschiff versteckt sich in einem Hinterhof der Brienner Straße, ein filigranes Gebäude, beinahe wie eine Computeranimation zum Thema moderne Arbeitswelt. Im Garten rieselt Wasser über Kies, drinnen überall Glas und edles Holz, überall Kunst und klug gesetzte Farbakzente. In der Cafeteria zischt die Espressomaschine, langmähnige Girls beugen sich über Laptops, Männer mit Dreitagebart teilen ihre Ideen bei einer Zigarette.

Florian Haller findet man im Erdgeschoss gleich links in einem der nüchternen Büros gleicher Größe: Der Chef scheint es ernst zu meinen mit einer offenen und hierarchiefreien Kommunikation: "Um gut zusammenzuarbeiten, müssen sich die Menschen mögen. Um sich zu mögen, müssen sie sich kennen, und um sich zu kennen, müssen sie sich begegnen", sagt er.

Alle Disziplinen der Kommunikation unter einem Dach zu haben, noch dazu in einer offenen Architektur, ist für ihn ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Serviceplan ist sicher nicht die erste und einzige Agentur, die versucht, den Kunden viele Dienstleistungen aus einer Hand zu bieten, maßgeschneidert und aus einem Guss. Doch Haller versucht, das mit seinem "Haus" tatsächlich zu leben, und glaubt, besser und schneller zu sein als der Wettbewerb; vor allem in der Online-Werbung und dem sogenannten CRM, dem Management der Beziehungen eines Unternehmens mit seinen Kunden. Das Zauberwort heißt CPO, Cost per Order, Aufwand pro Bestellung; der soll natürlich möglichst gering sein.

Glauben an die digitale Zukunft

"Die meisten Web-Agenturen kommen von der Technik her, von der Programmierung von Seiten. Wir dagegen haben Kommunikations-Know-how, wir können Kampagnen, wir wissen, welche Werbemittel man auf welcher Internet-Seite für wie viel Geld platziert, wie man den Nutzer zu attraktiven Seiten führt, ihn in den Dialog bringt, ihn mit Videos und Infos bedient, möglichst viele Daten über ihn sammelt und wie man den Erfolg dieser Maßnahme am Schluss misst und bewertet."

Der Redefluss zeigt: Florian Haller ist äußerst "online-affin". Ein Viertel der Serviceplan-Honorarumsätze stammen nach seinen Worten inzwischen aus diesem Geschäft. Haller glaubt, dass die Zukunft der Kommunikation digital ist, dass das Internet die Medienplattform der Zukunft sein wird, und zwar für eine ganzheitliche Markenführung.

Das Verständnis von Zielgruppen werde sich ändern, meint Haller: Nicht mehr Altersklassen von Konsumenten sind interessant, sondern das Ansammeln und die Ansprache möglichst vieler individueller Kommunikationsprofile. Und: Wegen des schier unersättlichen Hungers nach bewegten Bildern müssten Agenturen künftig ganz andere Anforderungen an ihre Mitarbeiter stellen und an ihre technischer Infrastruktur. Außerdem: In der globalisierten Welt würden die Inhalte überall abrufbar sein, müssten aber lokal angepasst werden. Schließlich: Statt den Nutzern Werbung aufzuzwingen, müssten unterhaltsame Geschichten erzählt werden, die den Abruf geradezu von selbst geschehen lassen.

Plan für guten Service

Ob das alles so kommt? Immerhin: Das Wachstum von "Online" brachte die Agenturgruppe ohne große Blessuren durch die Wirtschaftskrise und bescherte ihr ein gutes Jahr 2011. Jetzt sind die Kunden wegen der Eurokrise wieder vorsichtiger geworden. Doch Serviceplan beschreibt sich als völlig eigenfinanziert, mit hohen Rücklagen, sehr stabil - ein Verdienst auch von Haller senior.

Florian Haller führt die groß gewordene Firma mit ernsthafter Lässigkeit: "Ich helfe da, wo es Schwierigkeiten gibt. Ich forsche nach neuen Themen und Trends. Und: Ich betreue einzelne Kunden. Das ist wichtig für mich, um nicht abzuheben."

Der Sohn mit dem Image eines Sunnyboys scheint aus dem Schatten des Vaters herausgetreten, hat Profil gewonnen, ist nach eigenem Bekunden "ein relativ erfolgreicher Unternehmer". Der Vater habe es ihm nicht schwer gemacht, habe gut loslassen können, habe nun auch die letzten Anteile an ihn übergeben, sei Geschäftsführer mit 4-Tage-Woche, sammele weiter begeistert Kunst, die er im Unternehmen ausstelle.

Vielleicht ganz gut, dass Haller senior die Firma damals nicht nach sich selbst benannte. Anders als Jung von Matt oder Scholz & Friends oder Springer & Jacoby. Da wusste man gleich, wer dahinter steckt, auch wenn sich das bei einigen von ihnen längst geändert hat. Peter Haller und Rolf Stempel wählten 1970 für ihre Münchner Agentur einen neutralen Namen. Als sie sich damals Gedanken machten, wie gutes Marketing funktionieren sollte, schrieben sie einen ausgeklügelten Plan auf über die optimale Beziehung zwischen Kunde und Agentur. Dieser "Service-Plan" machte damals Furore. Die gemeinsam gegründete Firma erhielt seinen Namen.