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Komplexe Technologie Die Chronologie der Atom-Havarien

Die Katastrophe von Tschernobyl vor fast 25 Jahren ist unvergessen. Doch in den vergangenen Jahrzehnten kam es auch in Japan, den USA und Großbritannien zu bedeutenden Störfällen in Atomkraftwerken. Ein Überblick über Unglücke in den vergangenen Jahrzehnten.
Ein Arbeiter im AKW Grafenrheinfeld (Unterfranken): Revision der Messsonden im Reaktordruckbehälter

Ein Arbeiter im AKW Grafenrheinfeld (Unterfranken): Revision der Messsonden im Reaktordruckbehälter

Foto: David Ebener/ dpa

September 1957: Von einer der größten Atomkatastrophen der Geschichte erfährt die Welt erst Jahre später. In der sowjetischen Plutoniumfabrik Majak explodiert ein unterirdischer Betontank mit flüssigen, radioaktiven Abfällen. Mindestens 1000 Menschen sterben, 10.000 werden verstrahlt. Verlässliche Zahlen gibt es bis heute nicht. Ein 300 Kilometer langer und bis zu 40 Kilometer breiter Landstreifen ist seitdem verseucht. Der Fall wird erst 1976 durch einen emigrierten Wissenschaftler bekannt, 1990 offiziell bestätigt.

Oktober 1957: In einer Anlage bei Windscale in Großbritannien bricht in einem zur Herstellung von Bombenplutonium genutzten Reaktor ein Feuer aus. Radioaktive Gase verseuchen ein Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern. Mindestens 39 Menschen sterben an den Folgen.

28. März 1979: Im Atomkraftwerk Three Mile Island im US-Bundesstaat Pennsylvania kommt zu einer teilweisen Kernschmelze, durch den im Reaktor Radioaktivität freigesetzt wird. 140.000 Menschen werden vorübergehend in Sicherheit gebracht.

August 1979: Aus einer geheimen Atomanlage nahe Erwin im US-Bundesstaat Tennessee tritt Uran aus. Etwa 1000 Menschen werden verstrahlt.

Januar bis März 1981: Vier Mal tritt in dem Zeitraum Radioaktivität aus dem Atomkraftwerk Tsuruga in Japan aus. Nach offiziellen Angaben werden 278 Menschen verstrahlt.

26. April 1986: Im ukrainischen Tschernobyl ereignet sich die bislang schwerste Reaktorkatastrophe überhaupt. Nach einer Explosion im Reaktor Nummer 4 wird eine riesige radioaktive Wolke freigesetzt. Der Unfall wird erst öffentlich, als in Nordeuropa erhöhte Radioaktivität gemessen wird. Hunderttausende Menschen wurden nach Schätzungen verstrahlt, vor allem in den damaligen Sowjetrepubliken Ukraine, Weißrussland und Russland.

April 1993: Durch eine Explosion in einer geheimen Wiederaufbereitungsanlage Tomsk-7 in Westsibirien wird radioaktives Material freigesetzt, darunter Uran-235, Plutonium-237 und verschiedene andere Spaltmaterialien. Das Ausmaß der Schäden ist unbekannt.

November 1995: Beim Abbau von Brennmaterialien aus einem Reaktor in Tschernobyl wird Radioaktivität von großem Ausmaß freigesetzt. Erst nach Versuchen, den Vorfall geheimzuhalten, wird er doch öffentlich gemacht.

11. März 1997: Nach einem Brand und einer Explosion in der japanischen Aufbereitungsanlage in Tokaimura im Nordosten von Tokio sind 37 Menschen Strahlung ausgesetzt. Teilweise werden die Arbeiten deshalb vorübergehend stillgelegt.

30. September 1997: Um Zeit zu sparen, geben Angestellte in Tokaimura zuviel Uran in einen Fülltank. Daraufhin ereignet sich der schwerste Atom-Unfall seit Tschernobyl, es ist zudem der bis dahin schwerste in der Geschichte Japans. Mehr als 600 Menschen werden verstrahlt. Rund 320.000 Menschen werden aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht. Zwei verantwortliche Mitarbeiter sterben Monate nach dem Unglück.

9. August 2004: Einer der drei Reaktoren der Atomanlage in Mihama westlich von Tokio schaltet sich automatisch ab. Daraufhin tritt nicht verseuchter, aber extrem heißer Wasserdampf aus. Vier Arbeiter werden getötet, sieben weitere erleiden schwerste Verbrennungen. Es ist der tödlichste Zwischenfall in einem japanischen Kraftwerk.

Aktuell (Fukushima 1): Störfälle prägen die Geschichte der Atomanlage in Fukushima, 200 Kilometer nordöstlich von Tokio: Nach einem Erdbeben im Juni 2008 war zuletzt radioaktives Wasser aus einem Becken geschwappt, in dem verbrauchte Brennstäbe lagerten. 2006 trat radioaktiver Dampf aus einem Rohr, 2002 wurden Risse in Wasserrohren entdeckt. Im Jahr 2000 musste ein Reaktor wegen eines Lochs in einem Brennstab abgeschaltet werden. 1997 und 1994 gab es ähnliche Vorfälle, bei denen etwas Radioaktivität freigesetzt wurde.

Der erste Reaktor des Atomkraftwerks Fukushima 1 (Daiichi) ging im März 1971 in Betrieb. Es besteht aus sechs Siedewasserreaktoren und ist damit eines der größten der Welt. Das Werk Fukushima 2 (Daini) mit vier Siedewasserreaktoren nahm den Betrieb im April 1982 auf. Beide sind etwa zwölf Kilometer voneinander entfernt und liegen am Meer.

kst/dpa/rtr/dapd