Teil 2 - Röhrenarten - Grundlagen der Bildqualität

Die Röntgenröhre im medizinischen Einsatzbereich (2)

Karl-Heinz Szeifert 10 Dec, 2018 03:00

In dem Vortrag von Dr. Heinrich Behner werden in gut verständlicher Weise Funktionen und Zusammenhänge der Röntgenröhre beschrieben und erklärt. Eine empfehlenswerte Lektüre - nicht nur für MTA-R-Schüler.

D. Ausführungsbeispiele Röhrenarten

1. Röntgenröhre mit Festanode

In diesem Röhrentyp sind alle o.g. Kernkomponenten in einfachster Bauform Art realisiert:

Als Kathode wird eine Standardbauform verwendet (mit einer oder mehreren Wendeln, mit oder ohne Gittersteuerung).

Der Glaskolben übernimmt die Funktion der Isolation und Komponentenhalterung. Auf der Anode ist ein Strichbrennfleck auf dem in den Kupferträger eingelöteten Wolframtarget realisiert. Die entstehende Abwärme wird durch eine Flüssigkeitskühlung im massiven Kupferschaft nach außen abgeführt.
Durch die physikalischen Gegebenheiten der Wärmeleitfähigkeit der einzelnen Materialien ist die Leistungsfähigkeit dieser Röntgenröhren beschränkt.

2. Röntgenröhre mit Drehanode

Die Kathode sitzt asymmetrisch zur Röhrenachse, um den Strichbrennfleck möglichst weit außen auf der rotationssymmetrischen Anode zu erzeugen.
Als wesentlicher Unterschied ist die Anode hier drehend gelagert, um eine gleichmäßige Verteilung der Wärme auf einer kreisförmigen Brennbahn zu erreichen – dies kann entweder durch ein herkömmliches Kugellagersystem oder ein Flüssigmetall-gelagertes Gleitlagersystem erreicht werden.

Da aus geometrischen Gründen hier keine kontinuierliche Wärmeableitung der drehenden Anode durch direkte Flüssigkühlung möglich ist, wird die Wärme zwischengespeichert und während der Röhrenkühlpause bzw. dem Patientenwechsel durch Wärmestrahlung an das umgebende Kühlmedium abgegeben.
Der Antrieb der Anode wird durch ein Rotor-Stator System realisiert (Drehstrom Asynchron-Motor), die Antriebsfrequenzen variieren zwischen 20 Hz und 300 Hz.


3. Drehkolbenröhre (Rotating Envelope Tube RET)

Das Prinzip der Drehkolbenröhre ermöglicht eine direkte, äußerst effiziente Direktkühlung eines drehenden Anodentellers. Dies wird dadurch erreicht, dass der gesamte Röhrenkolben im Kühlmedium rotiert. Die Kathode ist geometrisch auf der Drehachse angeordnet. Strahlablenkung und Strahlformung werden durch ein komplexes, mehrpoliges Spulensystem realisiert. Die Röntgenstrahlung tritt durch ein umlaufendes Röntgen-Fenster aus.

So können höchste Belastungen ohne nennenswerte Abkühlzeiten appliziert werden.
Der Röhrenaufbau selbst ist einfach, kommt vakuumseitig ohne bewegliche Teile aus und ist dadurch robust und im Betrieb extrem zuverlässig. Die variable Elektronenstrahlsteuerung (ähnlich wie in einer Fernsehröhre, der Strahl trägt bei der Röntgenröhre allerdings fast 1 Ampere!) macht darüber hinaus einen sog. Springfokus in z-Richtung (Orientierung der Patienten-Längsachse) möglich. Durch die so realisierbaren 2 unterschiedlichen z-Projektionen konnten erstmals in der Computertomographie
isotrope räumliche Auflösungen von weniger als 0,4 mm erreicht werden (z-Sharp™-Technologie).


4. Gehäuse

Allen Röhrentypen gemeinsam ist ein sog. Strahler- oder Röhrenschutzgehäuse. Die Röntgenröhre inklusive Gehäuse und darin enthaltenen Baugruppen wird Röntgenstrahler genannt. Das Gehäuse dient mehreren Zwecken:

a. Abschirmung der Leckstrahlung

Da Röntgenstrahlen im Gegensatz zu sichtbarem Licht nicht ablenkbar sind, treten sie ausgehend vom Ort der Entstehung (Fokus) radial in den kompletten Halbraum über der Anode ein. Patientennutzbar ist allerdings nur ein kleiner Ausschnitt im Strahlenaustrittsfenster bzw. Blendöffnungsbereich; der weitaus größte Teil der erzeugten Röntgenstrahlung wird in Bleiabschirmungen, die im Inneren des Strahlergehäuses angebracht sind, absorbiert.

b. Kühlung der Röntgenröhre

Die Abwärme in der Anode wird durch Abstrahlung gemäss dem Stefan Boltzmann’schen Gesetz (proportional der 4. Potenz der Temperatur) von der Oberfläche in das die Röntgenröhre umgebende Kühlöl transportiert. Im Fall des Drehkolbenprinzips erfolgt der
Wärmetransport direkt durch Wärmeleitung ins Kühlöl. Dieses hochspannungsisolierende Öl wird kontinuierlich umgepumpt und die entstandene Wärme über Wärmetauscher an sekundäre Kühlsysteme abgegeben.

c. Halterung für Baugruppen

Zum sicheren Betrieb der Röntgenröhre sind eine Vielzahl von Einzelbaugruppen, wie Überwachungssensoren und –schalter, Stator zum Antrieb der Anode, Hochspannungszuführungen, Kühlölführungen und letztendlich die präzise Halterung der Röhre selbst notwendig. Dieses wird durch entsprechendes Design innerhalb des Gehäuses ermöglicht.


E. Grundlagen der Bildqualität

1. Brennfleck-Geometrie

Der Zusammenhang zwischen optischem (= für den Anwender wirksamen) und elektronischem (= physikalisch wahren) Brennfleck ist an folgendem Beispiel dargestellt:

Die Referenzachse ist der Zentralstrahl, der üblicherweise senkrecht zur Röhrenlängsachse in Richtung des optischen Brennflecks zeigt. Ausnahme bilden beispielsweise Aufnahmetechniken in der Mammographie (brustwandnahe Objektdarstellung).
Der optische Brennfleck hat Einfluss auf die Bildgüte (Auflösung), während der elektronische Brennfleck leistungswirksam ist.

2. Heel-Effekt

Die auf die Anodenoberfläche auftreffenden Elektronen dringen aufgrund ihrer kinetischen Energie einige μm tief in die das Material ein, d.h. die Röntgenstrahlung wird erst im Inneren der Oberflächenschicht erzeugt.
Je nach Austrittswinkel der Röntgenquanten müssen diese deshalb eine unterschiedlich lange Strecke im Material zurücklegen und werden dementsprechend geschwächt. Diese Auswirkung wird als Heel-Effekt bezeichnet.
Eine der Einflussgrößen ist das Tellerdesign bzgl. Anodenwinkel: beispielsweise nimmt die richtungsabhängige Intensitätsverteilung von 85% bei 5° zu auf 100% bei 13° Abstrahlwinkel.

Die zweite Einflussgröße ist die Alterung des Tellers, da mit zunehmender Aufrauung der Oberfläche die mikroskopisch kleinen, durchstrahlten Volumenelemente eine zunehmende Schwächung der Nutzstrahlung verursachen. Die abnehmenden Dosisleistungen werden durch höhere Röhrenströme oder längere Belichtungszeiten kompensiert, was wiederum zu ansteigendem Verschleiß führt.
Dem möglichen Folgeverlust an Bildqualität durch gesteigerte Objekt-Bewegungsunschärfe wird bei modernen Verbundanoden durch spezielle Rhenium-Legierungen in der Oberfläche, die ein deutlich reduziertes Verschleißverhalten zeigen, begegnet. Damit sind problemlos flache Tellerwinkel bis minimal ca. 6° möglich.

3. Brennfleck-Astigmatismus

Je nach Abstrahlrichtung variiert der optische Brennfleck in Größe und Form. In Richtung der Referenzachse (Zentralstrahl) ist er z.B. quadratisch, anodenseitig verkleinert er sich zum Strich, kathodenseitig vergrößert er sich zum Rechteck. Bei seitlicher Betrachtung (wichtig bei außenliegenden Detektorkanälen in CT-Anwendungen) verzerrt er sich zum Parallelogramm.
Dies bedeutet, dass eine höhere Bildauflösung sich grundsätzlich anodenseitig bemerkbar macht und Bildschärfevergleiche möglichst mittig durchgeführt werden sollten.

Anwendungsbeispiel:
Thorax-Aufnahme mit oberem Bauchraum bei Anodenposition „oben“ bedeutet, dass Lungenstrukturen besser erkennbar sind. Die dann geringere Auflösung im Bauchraum spielt dabei eine untergeordnete Rolle bei jedoch höherer Dosisausbeute (siehe Heel-Effekt) in diesem Objektbereich.
Aufgrund der Objektsymmetrie bei Lungenaufnahmen ist die Strahlerachse grundsätzlich parallel zur Patientenlängsachse anzuordnen (geräteseitig berücksichtigt).

4. Extrafokalstrahlung

Hierbei handelt es sich um energieärmere Röntgenstrahlung, die durch rückgestreute oder vagabundierende Elektronen außerhalb des eigentlichen Brennflecks entsteht. Der Anteil dieser Extrafokalstrahlung beträgt zwischen 4% und 10% der Gesamtstrahlung und hat einen relativ geringen Einfluss auf die Bildgüte, da sie innerhalb des achsnahen Nutzstrahlkegels praktisch nicht zu erkennen ist.
Wirksame Reduzierungsmöglichkeiten der EFS sind fokusnahe Ausblendungen am Röhrengehäuse oder fokusnahe Lamellen parallel zur Strahlerlängsachse.
Bei CT-Geräten kommen auch spezielle Formfilter in der Blendeneinheit in Verbindung mit angepassten Rekonstruktionsalgorithmen zum Einsatz.



Das Script wurde uns freundlicherweise von Herrn Dr. Heinrich Behner von der Siemens AG zur Verfügung gestellt.

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