Geheimaktion: Josef F. öffnete für Lokalaugenschein Kellerverlies
AMSTETTEN. Als Untersuchungshäftling kehrte gestern Josef F. zu einem Lokalaugenschein in das „Horrorhaus“ in der Ybbsstraße zurück. Bereitwillig gab der Techniker über den Schließmechanismus des Kellerverlieses Auskunft.
Kamerateams umlagerten gestern Vormittag den Gerichtssaal in Korneuburg, in dem die Schuldfrage am Kindstod des kleinen Luca verhandelt wurde (Siehe Seite 26). Der Prozess mit großem Medienecho war die gefundene Ablenkung für eine Geheimaktion: Kurz nach zehn Uhr riegelten Polizeiautos die Amstettner Dammstraße ab, in der im April Fernsehstationen aus aller Welt Stoßstange an Stoßstange ihre Wagen geparkt hatten. Zu dem grauen Betonbunker fuhr ein Kleinbus der Justizwache vor. Dann kletterte ein älterer Herr mit grauem Haar und Schnurrbart in lichtem Sakko und Blue Jeans aus dem Wagen - Josef F. Den Rentner schirmte ein Schwarm Kripo-Leute gegen die Blicke etwaiger Zaungäste ab.
Nach vier Monaten in der Justizanstalt St. Pölten war Josef F. an den mutmaßlichen Tatort des Verbrechens zurückgekehrt. Der Mann, der seine Tochter Elisabeth F. 24 Jahre in ein Kellerverlies gesperrt, vergewaltigt und sieben Kinder gezeugt haben soll, führte zwei Gutachtern, Staatsanwältin Christiane Burkheiser und dem Haftrichter vor, wie das Gefängnis in seinem eigenen Haus funktioniert hat. „Der Angeklagte hat mit den Ermittlern geredet und sich kooperativ verhalten“, sagt der leitende Staatsanwalt Gerhard Sedlacek über den Verlauf der gestrigen Begehung. Beantragt soll den Lokalaugenschein Josef F.s Verteidiger haben, um Fluchtmöglichkeiten aus dem Verlies im Notfall vorzuzeigen. Dem Gericht war die jetzige Begehung lieber als eine spätere Verhandlungsunterbrechung. Laut Sedlacek könnte die Anklageschrift im Oktober fertig sein, dann wäre ein Prozessbeginn im Dezember wahrscheinlich. Bei den Ermittlungen haben sich die Kinder von Elisabeth F. der Aussage aus seelischen Gründen entschlagen. „Unsere Position in der Anklage schwächen wird diese Tatsache aber sicher nicht“, sagte Sedlacek gestern den OÖN.
Nach eineinhalb Stunden stieg Josef F. ohne Handschellen wieder in den Bus. Noch gilt die Unschuldsvermutung für ihn.