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Ernährung

Gesünder essen mit der Lebensmittelampel

Eine farbige Kennzeichnung von Lebensmitteln könnte eine bewusstere Ernährung einfacher machen. Doch in Deutschland werden Unternehmen, die die französische Kennzeichnung einführen wollen, gestoppt

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Eine Ampel-Kennzeichnung zeigt bei diesen Lebensmitteln ihren Nährwert an. | © picture alliance

Eine Ampel-Kennzeichnung zeigt bei diesen Lebensmitteln ihren Nährwert an. | © picture alliance

16.05.2019 | 16.05.2019, 08:00

Berlin. Wie können Kunden im Supermarkt erkennen, wie gesund Pizza, Kuchen oder andere Lebensmittel sind? Die französische „Lebensmittel-Ampel", die über Nährwerte informiere, das farbige Logo „Nutri-Score" auf der Vorderseite der Verpackungen, helfe am besten, zeigte jetzt ein Test mit 1.000 Verbrauchern in Deutschland. Er ist Teil eines groß angelegten internationalen Forschungsprojektes. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat ihn Mittwoch vorgestellt. Doch ausgerechnet gegen diese Art der Kennzeichnung wehren sich Lebensmittelunternehmen vehement - allerdings nicht alle. In der Branche werden die Messer gewetzt.

Vom grünen "A" bis zum roten "E"

Beim Nutri-Score-System werden günstige Nährwertelemente wie Obst, Gemüse, Proteine und Ballaststoffe gegen ungünstige wie gesättigte Fettsäuren oder Gesamtzuckergehalt aufgerechnet – und dann in fünf Stufen bewertet mit Buchstaben, die farblich unterlegt sind - vom grünen A für günstige Nährwerte, bis zum roten E für lieber die Finger davon lassen. Dahinter steckt auch ein von unabhängigen Wissenschaftlern entwickeltes Punktesystem.

Mediziner wie Joachim Spranger, Professor für Stoffwechselmedizin an der Charité in Berlin, halten es für entscheidend, das Verbraucher besser erkennen können, wie gesund ein Lebensmittel ist. Spranger erklärte am Mittwoch, dass gut jeder zweite Einwohner in Deutschland übergewichtig sei und acht Millionen Menschen hierzulande unter Diabetes litten. Wer aber beginne, im Supermarkt sich an einem Nährwertlabel zu orientieren, habe sieben Jahre später ein geringeres Erkrankungsrisiko.

Studie zeigt eindeutiges Ergebnis

Nur: Zur Zeit wissen viele Verbraucher nicht, was in ihrer Mahlzeit steckt. Die Hersteller vorgefertigter Produkte sind zwar dazu verpflichtet, auf der Packung den Gehalt an Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz anzugeben. Doch die entsprechenden Tabellen auf der Packungsrückseite sind für viele Verbraucher schwer verständlich.

Für die neue Studie haben nun Forscher der Universität Paris-Nord und der Curtin University Australien insgesamt fünf verschiedene Label gekennzeichnet, die schneller erkennen lassen sollen, wie gut ein Lebensmittel für einen ist. Das Ergebnis sei eindeutig, erklärte die Ernährungswissenschaftlerin Chantal Julia, die die Untersuchung maßgeblich betreut hat. Sind Produkte mit dem Nutri-Score gelabelt, verstehen die Kunden in Deutschland am besten, was die die gesündeste Auswahl ist. So stiegen in der Kategorie "Pizza" die richtigen Antworten beim Nutri-Score gegenüber nicht gekennzeichneten Produkten um 56 Prozent.

Das Problem: Unternehmen, die ihre Produkte mit dem Nutri-Score labeln wollen, haben es in Deutschland nicht leicht - anders als in Frankreich oder Belgien, wo die Regierungen eine Empfehlung für die Nutri-Score-Ampel abgegeben haben und sie schon etabliert ist. Bestes Beispiel: Der Tiefkühlkosthersteller Iglo. Während Bundesernährungsministerin Julia Klöckner sich immer wieder gegen eine Ampel ausspricht, lieber ein eigenes Modellentwickeln will, hat sich Iglo wie Danone, Bofrost und andere kleinere Unternehmen, entschieden und will nicht mehr warten. Er hat begonnen, seine Produkte Schritt für Schritt mit dem Nutri-Score zu labeln. Doch im April stoppte ihn das Hamburger Landgericht.

Iglo ist in Berufung gegangen

Dahinter steckte offiziell der Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft e.V. mit Sitz in München. Er erwirkte eine einstweilige Verfügung. Er bezog sich auf die europäische Health Claims Verordnung und bemängelte, das Grün und Gelb demnach unzulässige gesundheitsbezogene Angaben seien. Wer hinter dem Verband steht, ist unklar.

Ob beabsichtigt oder nicht, er hilft jenen Unternehmen der Lebensmittelindustrie, die die gut verständlichen Ampelfarben auf ihren Verpackungen nicht wollen – wie der zuständige Branchenverband, der Bund für Ökolebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, BLL, auch nicht. Iglo ist in Berufung gegangen und hat vor allem vor wenigen Tagen den BLL verlassen, weil ihm die „strategische Ausrichtung auf die Herausforderungen der Zukunft der Branche" fehlt.

Kommentar der Redaktion
Bevormundung? Ach was!
Gesundheitsberater statt Ernährungspolizei


Keinen Staat als „Geschmacks-Nanny", „keine Ernährungspolizei" - das ist, was CDU Bundesernährungsministerin Julia Klöckner alles nicht will. So weit, so gut, kein Widerspruch. Nur: Klöckner tischt die falschen Argumente auf. Denn: Werden Pizza, Gummibärchen, Knuspermüsli mit einer Nährwert Ampel gekennzeichnet, wie jetzt von Forschern empfohlen, geht es nicht um staatliche Bevormundung. Das ist stattdessen sinnvolle Gesundheitsvorsorge.

Der Griff zur Chipstüte oder Schokolade – er bleibt ja erlaubt. Aber vielleicht zögern die einen oder anderen mal, wenn sie auf einen Blick erkennen, wie viel Zeug mit billigem Zucker, Fett, Salz sich wie selbstverständlich in ihrem Korb anhäuft. Oder ahnen Sie, was für eine Zuckerbombe im Knuspermüsli stecken kann, wenn auf der Schachtel pralle Trauben, frisch geknackte Nüsse und fließende Milch abgebildet sind? Eben.

Ärzte, Krankenkassen, Verbraucherschützer mahnen seit langem ein Umdenken in der Politik an. Es hat mehr als ein Geschmäckle, wenn Iglo, Danone oder Bofrost ihren Widerstand jetzt schneller gegen die neue Einkaufshilfe aufgegeben als Ministerin Klöckner. Die Unternehmen erkennen, was gefragt ist. Und es ist nicht das erst Mal, dass ihnen die Politik zu langsam ist. Den Kunden ist Tierwohl wichtig? Aldi, Edeka und Co gehen mit einem Label voran. Das führt zu einem Grundrezept für eine Politik mit Zukunft: Sich nicht an den großen Verbänden orientieren, die nicht nur Klasse, sondern auch die Masse vertreten - und damit meist die Bremser.

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