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OWL Crime - mit Podcast

„Den Teufel im Haus gehabt“: Warum eine Mindenerin wegen Hexerei enthauptet wurde

1669 wird Margarethe Rockemann in Minden verurteilt. Der Grund: Sie soll eine Hexe gewesen sein. In der aktuellen Podcastfolge spricht der Gütersloher Stadtarchäologe Johannes W. Glaw über Verurteilungen von Menschen, die als Hexen verfolgt und bezichtigt wurden.

Hexen standen im Verdacht, mit dem Teufel in Kontakt zu stehen - wie auch in diesem historischen Holzschnitt zu erkennen ist. | © Alexandra Golfinger

Hexen standen im Verdacht, mit dem Teufel in Kontakt zu stehen - wie auch in diesem historischen Holzschnitt zu erkennen ist. | © Alexandra Golfinger

11.01.2024 | 08.02.2024, 13:14

Minden. Im 17. Jahrhundert überrollte die Welle der Hexenverfolgung und auch der damit verbundenen Hinrichtungen Europa - und machte auch vor OWL nicht halt. Margarethe Rockemann war eine von vielen, die als Folge der Vorwürfe ihr Leben lassen musste.

Rockemann lebte nahe der Mindener Stadtmitte und war mit einem angesehenen Händler verheiratet. Sie hatte zwei Kinder und wurde im Jahr 1660 Witwe. Sie war als Bürgerin im Stadtregister eingetragen und damit vollständig im gesellschaftlichen Leben der Stadt integriert. 1669 wurde sie dann der Hexerei beschuldigt - die Anschuldigungen kamen aus ihrem Bekannten- und Freundeskreis.

Hexenverfolgungen - Alle Fakten im Überblick

  • Hexen wandten der Anklage zufolge schadenstiftende Magie an Leib und Leben und Hab und Gut von Menschen an, außerdem sollen sie einen Pakt mit dem Teufel gehabt haben und sich von Gott abgekehrt haben.
  • Vorrangig wurden Frauen als Hexen verfolgt, auch Männer wurden jedoch angeklagt.
  • Die Anklage beruhte fast immer auf Denunziation, also einem Vorwurf aus niederen Beweggründen heraus.
  • Als Grund für die Anklagen wird die gesellschaftliche Gesamtsituation zwischen 1400 und 1700 betrachtet. Für verheerende Pestepidemien, Kriege aufgrund von territorialen Ansprüchen, gesellschaftliche Unruhen, etc. wurde ein "Sündenbock” gesucht: Laut römischer Kirche waren dies Hexen.
  • Da eine Verurteilung nur nach einem Geständnis erfolgen durfte, wurden die Geständnisse von Hexen durch Folter erpresst.
  • Die Befragung der Angeklagten unter Folter wird als „peinliche Befragung" bezeichnet. Man unterscheidet sie von der „gütlichen Befragung" - dem Versuch, eine einvernehmliche Vereinbarung zu treffen.

Rockemanns Fall war besonders

Margarethe Rockemann wurde vorgeworfen, dass sich in ihrem Haus ein feuriger Drache, ein Sinnbild Satans, befände, „sie soll den Teufel im Haus gehabt haben", sagt Glaw. Vermutlich handelte es sich dabei jedoch nur um ein flackerndes Licht, das man von außen habe erkennen können. Auch des Mordes an ihrer Enkelin wurde Rockemann später beschuldigt; außerdem wurde ihr Schadenszauber, also die Zauberei zum Nachteil Dritter, vorgeworfen.

Hinrichtung: Die historische Zeichnung zeigt eine Frau, die beschuldigt wird, eine Ehexe zu sein. - © unbekannt
Hinrichtung: Die historische Zeichnung zeigt eine Frau, die beschuldigt wird, eine Ehexe zu sein. | © unbekannt

In Rockemanns Fall hatte sich der Mindener Rat Hilfe geholt bei der juristischen Fakultät in in Rinteln. Zunächst sei das nicht ungewöhnlich gewesen, erklärt Glaw, zumal Rockemann eine angesehene Bürgerin war und man sicher gehen wollte, mit einer Anklage auf der Seite des Rechts zu sein.

Die Fakultär hatte in Rockemanns Fall zunächst eine Hausdurchsuchung empfohlen. „Ein Indiz, auf das man dabei hätte stoßen können, wäre ein Schmiertopf unter ihrem Bett gewesen", sagt Glaw. In diesem hätte sich dann eine Salbe befinden sollen, mit der Rockemann zum Hexensabbat hätte fliegen können, hätte sie die Salbe auf ihre Haut aufgetragen.

Durch einen Fehler wurde Rockemann schnell aufgefunden

Die Angeklagte blieb während der gütlichen Befragung eisern, weil sie darauf beharrte, dass sie sich nichts zu schulden habe kommen lassen. Rockemann war nicht unvermögend und konnte sich zunächst gegen die Vorlage einer Kaution aus dem Gefängnis begeben. Sie setzte sich zu Verwandten nach Bremen ab.

Der Plan, nach Bremen zu flüchten, gelang zunächst. Rockemann begang jedoch einen für sie folgenschweren Felher. Sie informierte ihre Kinder per Brief darüber, dass sie gut in Bremen angekommen war. Den Brief fingen die Behören in Minden ab und beantragten beim Bremer Rat die Auslieferung zurück nach Minden. Rockemann wurde zunächst wieder gütlich befragt und verlangte daraufhin die Durchführung einer Wasserprobe. Dabei wären ihre Hände und Füße auf dem Rücken zusammengebunden worden und man hätte sie ins Wasser geworfen, erklärt Glaw. Wäre sie untergegangen, wäre sie unschuldig gewesen. Wäre sie oben getrieben, hätte man ihr die Hexerei nachgewiesen.

Die Wasserprobe wurde ihr verwehrt, man bot ihr aber die Nadelprobe an. Dabei wurde mit Nadeln in mehrere Leberflecken gestochen. Fließt kein Blut heraus - wie es in der Regel bei Leberflecken der Fall ist -, ist der Pakt mit dem Teufel nachgewiesen. Rockemann wurde also für schuldig erklärt.

Folter führte zu Geständnissen - gezwungenermaßen

Auf die Schuldigsprechung folgte die peinliche Befragung unter Folter, die Schritt für Schritt angewendet wurde. Zunächst wurden Daumenschrauben angelegt, um die Finger zu zerquetschen. Im nächsten Schritt wurden die Beine mit eisengespickten Beinschienen gequetscht. Die Angeklagten durften nur einmal gefoltert werden, überstanden sie das, durften sie nicht mehr schuldig gesprochen werden. Diese Regelung umging die Kirche allerdings, in dem der Prozess der Folter lediglich immer wieder unterbrochen wurde.

Bei einigen Foltermetoden schritt der Scharfrichter vorab ein. Wurden Menschen zur Vierteilung verurteilt, veranlasste der Scharfrichter zumeist, dass sie vorher schon erwürgt wurden. - © Systemadministrator
Bei einigen Foltermetoden schritt der Scharfrichter vorab ein. Wurden Menschen zur Vierteilung verurteilt, veranlasste der Scharfrichter zumeist, dass sie vorher schon erwürgt wurden. | © Systemadministrator

Die Hinrichtungen, die auf die Befragungen folgten, und auch die Folterungen führte ein Scharfrichter durch. Das war auch in Rockemanns Fall so, die schlussendlich enthauptet wurde. Scharfrichter galten als unerhlich, weil sie mit dem Tod arbeiteten. Sie wurden jedoch gut bezahlt mit einem Grundgehalt, zu dem für jede angewendete Foltermethode ein zusätzlicher Betrag hinzukam.

Bestrafung von Zauberei um 1200 erstmals festgelegt

Um 1220 bis 1230 gab es zum ersten Mal eine schriftliche Aufzeichnung im Sachsenspiegel, in dem das sächsische Stammesrecht festgehalten wurde. Darin ging es nicht um Hexerei, aber es steht laut Glaw darin, dass Zauberei zu bestrafen gewesen sei, auch auf dem Scheiterhaufen. Die Verbindung zur Ketzerei und zum Teufel war dort jedoch nicht schriftlich festgehalten.

Johannes W. Glaw ist Stadtarchäologe in Gütersloh und setzt sich in seinem Buch unter anderem auch mit der Verfolgung und Verurteilung von Frauen auseinander, die der Hexerei beschuldigt wurden. - © Ludger Osterkamp
Johannes W. Glaw ist Stadtarchäologe in Gütersloh und setzt sich in seinem Buch unter anderem auch mit der Verfolgung und Verurteilung von Frauen auseinander, die der Hexerei beschuldigt wurden. | © Ludger Osterkamp

Als nächstes erschien der „Hexenhammer" im Jahr 1486. Er wurde von Henricus Institoris, bürgerlich Heinrich Kramer, verfasst. Kramer war Jesuitenpater und machte in seiner Schrift deutlich, dass es aus wissenschaftlicher Sicht Hexen gegeben haben muss. Außerdem schildert er laut Glaw, wie man der Hexen habhaft wird und wie der Prozess vonstatten gehen muss. Henricus Institoris habe sein ganzes Leben dem Kampf der Hexerei gewidmet.

Und gab es Gegner der Praxis? „Wenn es sie gegeben hätte, wären sie auch verbrannt worden", sagt Glaw. Wirkliche Kritik gab es erst rund 150 Jahre nach Veröffentlichung des Hexenhammers. Erst in den 1630er Jahren hat nämlich wieder ein Jesuitenpater eine anonyme Erwiderung darauf geschrieben. Er hat in seiner Schrift verdeutlicht, dass Geständnisse, die unter der Folter erfolgt sind, niemals zur Hinrichtung führen dürfen.