Der wahre Star ist eine rare Möwe

Am Zürcher Utoquai fliegt zurzeit eine Schwalbenmöwe herum. Diese hocharktische Art wird hierzulande nur alle paar Jahre gesichtet; so pilgert nun mancher Hobbyornithologe zum Seeufer.

Urs Bühler
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Grosses Interesse der Ornithologen an der Zürcher Seepromenade. (Bild: NZZ / Christoph Ruckstuhl)

Grosses Interesse der Ornithologen an der Zürcher Seepromenade. (Bild: NZZ / Christoph Ruckstuhl)

Es braucht weder rote Teppiche noch einen Polanski oder Penn, um in Zürich Paparazzi auf den Plan zu rufen. Das zeigt an diesem Montag ein Stelldichein der stilleren Sorte am Seeufer, wo in einer kleinen Menschentraube Fotokameras mit gewaltigen Teleobjektiven und Feldstecher auszumachen sind.

Die 18. Schwalbenmöwe in der Schweiz: Ein ungewöhnlich zahmes Exemplar. (Bild: Michael Gerber)

Die 18. Schwalbenmöwe in der Schweiz: Ein ungewöhnlich zahmes Exemplar. (Bild: Michael Gerber)

Weder den nackten Menschenleibern, die vor dem Bad Utoquai aus dem Wasser ragen, noch den paar Schwänen, die leicht dümmlich aus der weissen Wäsche schauen, gilt das Interesse der Menge. Was also ist es, das sie gebannt in den Himmel und den See schauen lässt? «Eine Schwalbenmöwe», raunt uns ein Herr in grüner Jacke zu und rückt den Feldstecher vor der Brust zurecht. Aha. Wir geben uns Mühe, beeindruckt zu wirken, doch das Gegenüber erkennt unsere Ratlosigkeit und fügt an: «Ganz selten bei uns.» Er selber sehe zum ersten Mal eine. Dabei ist Kurt Räz immerhin 62 Jahre alt und kein blutiger Laie, sondern Hobbyornithologe wie einige andere Anwesende. Auf www.ornitho.ch haben sie von der Entdeckung gelesen, die ein Vogelfreund hier am Sonntag gemacht hatte. «Protokollpflichtige Beobachtung» steht auf der Homepage hinter dem Eintrag – so wichtig ist das Ereignis. Und wirklich: Es ist gemäss offizieller Statistik erst die 18. Schwalbenmöwe, die in den letzten 111 Jahren hierzulande gesichtet worden ist, wie eine Nachfrage bei der Vogelwarte Sempach ergibt.

Der Jungvogel hebt ab. (Bild: Michael Gerber)

Der Jungvogel hebt ab. (Bild: Michael Gerber)

Unser Tier hält sich gerade versteckt, vielleicht ruht es sich auf einem Floss aus. Die Frage, ob das Aussehen auffällig sei, verjeint unser Gewährsmann sozusagen: Nur wenn man wisse, worauf zu achten sei. Aber gross sei sie nicht, eher kleiner als die hier verbreitete Lachmöwe. Räz zückt ein Büchlein mit dem Titel «Der Kosmos-Vogelführer» und blättert vor bis zur Schwalbenmöwe (Xema sabini). «Hocharktischer Brutvogel Nordsibiriens und Nordamerikas» liest man dort – und dass dieser als sogenannter Sturmgast im Herbst auch an der Nordsee zu finden sei. Nun haben Winde also ein Exemplar, dem Vernehmen nach ein junges, nach Zürich «verdriftet», wie es Fachleute nennen. Und seine Fans hoffen, dass es noch ein paar Tage bleibt – länger vielleicht sogar, als es Stars am Filmfestival zu tun pflegen.