In Würde Altern: Tipps für die grösste Herausforderung des Lebens

Wie meistert man den letzten Lebensabschnitt stilvoll? Von den richtigen Schulterpolstern bis zum Rentenplan – eine Anleitung in 19 Schritten.

Redaktion NZZ am Sonntag Magazin 14 min
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Richtig altern: Worauf es beim letzten Lebensabschnitt wirklich ankommt.

Richtig altern: Worauf es beim letzten Lebensabschnitt wirklich ankommt.

Illustration: Andrew Rae

1. Wie kann ich das nötige Mindset für eine Glatze erlangen?

Liebe Männer mit Haarproblemen: Was für uns Frauen die boshafte Diätbranche ist, ist für euch die Glatzenvermeidungsindustrie. Hurra, endlich Gleichberechtigung! Nein, im Ernst: Im besten Fall möchten sie euch mit wirkungslosem Schnickschnack das Geld aus der Tasche ziehen, im schlimmsten eure Gesundheit schädigen. Unglücklich macht es so oder so. Lasst euch nicht für dumm verkaufen. Macht Sport. Geht raus in die Natur. Legt euch eine angenehme Persönlichkeit zu. Ab einem gewissen Alter interessiert sich niemand mehr für eure Haare. Und das ist eine gute Nachricht. Henriette Kuhrt

2. Was sind häufige Fehler beim Übergang in die Pension?

Wenn die Arbeit den grössten Teil des Lebens ausgemacht hat, ist ihr Wegfallen riskant. Pseudowissenschaftlich sprechen wir vom «retired-husband syndrome» (Ehekrise) und vom «empty-desk syndrome» (Identitätskrise). Letzteres betrifft offenbar vor allem Männer, die Führungspositionen innehatten (ist das ausgleichende Gerechtigkeit für den Frauenmangel in Führungsetagen?). Nach der Pensionierung steigt das Risiko für Trennungen und Depressionen, Studien zeigen sogar eine kurzfristige Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach der Pensionierung. Experten raten, sich schon vor der Pensionierung um ein Leben und eine Identität jenseits der Arbeit zu kümmern: Freundschaften wieder aufleben lassen, sich Hobbys oder ehrenamtliche Beschäftigungen zulegen, die eine Struktur schaffen. Kurz gesagt: in den letzten Arbeitsjahren ein bisschen mehr Gen Z sein! Patrizia Messmer

3. Kann ich mich bereits einfrieren lassen, um in der Zukunft weiterzuleben?

Ja und nein. Einfrieren lassen ist schon möglich. 500 Menschen weltweit haben es schon gemacht, der erste war 1967 James Bedford aus den USA. Er liegt derzeit in Arizona bei der Alcor Life Extension Foundation. Ob er und die anderen nach dem Auftauen weiterleben werden, ist aber noch nicht ausgemacht. Bei der «Kryokonservierung» schliessen die Probanden Wetten darauf ab, ob es eines Tages gelingt. Derzeit ist noch keine Technologie gefunden, die das ermöglichen würde. Doch auch in der Schweiz wird daran geforscht. Der Paypal-Gründer Peter Thiel geht das Risiko ein: Gegen eine Zahlung von rund 200000 Dollar wird sein Blut am Todestag durch eine Art Frostschutzmittel ersetzt und sein Körper in einen Zylinder mit Flüssigstickstoff gesteckt. Man kann übrigens auch nur den Kopf einfrieren. Ist ein ganzes Stück billiger (rund 80000 Dollar). Barbara Höfler

4. Ist Einsamkeit im hohen Alter eine Volkskrankheit, und ist sie therapierbar?

Alleinsein hat zwei Gesichter: Es kann befreien oder bedrücken. Vor allem, wenn es unfreiwillig ist – etwa da alle Weggefährten altersbedingt weggestorben sind. Zwar wird laut einer Erhebung von Pro Senectute Schweiz soziale Isolation mit zunehmendem Alter als weniger belastend empfunden. Man weiss wohl mit steigender Lebenserfahrung mehr mit sich anzufangen, und so sortieren manche Betagte langjährige Freundschaften aus, die ihnen fruchtlos erscheinen. Doch dass heutige Familienstrukturen und unverbindlicher gewordene Sozialgefüge der Ausgrenzung der Grosselterngeneration Vorschub leisten, belastet doch viele Betroffene. Keine Patentlösung, aber etwas Hoffnung bieten neue Wohnformen: Statt etwa mutterseelenallein fünf Zimmer zu bewohnen, könnte doch manche alte Person frischen Lebensmut aus einer WG mit jungen Studierenden schöpfen! Urs Bühler

5. Wie gerate ich nicht in Vergessenheit?

Man muss kein ausgewiesener Narzisst sein, nur weil man mit der Vorstellung hadert, dass man sich an die meisten von uns irgendwann kaum mehr erinnern wird. Achtzig Jahre auf dem Planeten, und dann endet man als Halbsatz: «War das nicht der mit der Brille?», wenn ein Urenkel dereinst nach uns fragt. Haben wir nicht alle geliebt und gelitten, viel gelernt und viel gesehen – gilt es das nicht zu konservieren? Es muss kein Monumentalwerk sein wie beim Schriftsteller Karl Ove Knausgard, aber niederzuschreiben, was einen ausmachte, hilft nicht nur Urenkeln, sondern auch uns selbst. Literarische Ambitionen sind hier fehl am Platz, Aufrichtigkeit reicht. Und wer Unterstützung benötigt, der wende sich an den Verein Edition Unik, der einem hilft, ein schmales Buch über sich selbst zu verfassen, das in den Regalen unserer Nachfahren zwischen den Kochbüchern landet. Das wäre schön. Sacha Batthyany

6. Welcher Hund ist der richtige im Alter?

Auf Hundespaziergängen an der Limmat begegne ich oft einer älteren Dame, die es hält wie einst Queen Elizabeth II. mit ihrer Lieblingshunderasse: Ein Corgie läuft gemütlich neben ihr her. Tatsächlich taucht die Rasse auf Empfehlungslisten für Senioren im Internet auf. Aber Achtung, nicht weil der wurstig aussehende Kurzbeiner ein Hund wäre, der gern auf dem Sofa rumhängt, sondern weil er trotz seinen kurzen Beinen gerne aktiv ist und «der perfekte Begleiter für Wanderungen». Hält man sich nicht genau deshalb einen Hund im Alter: um rauszukommen? Kerstin Netsch

7. Seit wann ist das Alter ein Stigma?

Alt sein bedeutet, diskriminiert zu werden. Die Diskriminierung macht das Alter erst aus. Noch gibt es zwar einen biologisch bestimmten Alterungsprozess, vergleichbar den biologisch bestimmten Geschlech- tertatsachen; er begleitet uns von Geburt an und gerät zunehmend unter Druck. Alt werden wir aber nur, weil wir irgendwann als alt «gelesen» werden, zwangsgebeugt unter eine gesellschaftliche Zuschreibung, die uns von aussen und innen gleichzeitig erfasst – selten zu unserem Wohl.

Das Alter gilt heute als üble Laune der Natur, vergleichbar nur dem Tod. Doch es ist nicht das nahe Ende, das uns alt macht. Jahrhundertelang war das Sterberisiko in der Kindheit höher, und längst tüfteln Zellforscher an der Unsterblichkeit. Trotzdem wird der Mensch mit den Jahren nicht nur älter, sondern irgendwann alt. Wann? Laut dem mittelalterlichen Rechtsbuch «Der Sachsenspiegel» im Moment, da er sein Pferd nicht mehr besteigen kann. Im Jahr 2024 ist Joe Biden alt, weil er gelegentlich aus dem Text gerät, Donald Trump vielleicht nur, weil er nochmals US-Präsident werden will. Rolling Stone Mick Jagger ist älter als Donald Trump, aber nicht alt.

In Verruf steht das Alter nicht zuletzt wegen seiner zwangsverordneten Musse – eine Folge des Wohlstands, der das Arbeiten bis zum Tod überflüssig macht. Im 19. Jahrhundert als sozialstaatlicher Benefit erfunden, gilt der Ruhestand mittlerweile als kränkende Leerstelle im Produktionsprozess. Dabei begann er seine Karriere in der frühen Neuzeit als ideale Lebensform: Rückzug auf ein Landgut, Leitung desselben, daneben geistige Betätigung. Mit dem Übergang von der agrarischen Clan- in die moderne Erwerbswirtschaft entfielen dann aber die hauswirtschaftlichen Ämtli, und den Leumund des Alters bestimmten fortan die explodierenden Pflegekosten.

Denn ja, wir haben es mit einem Massaker zu tun. Das «schlimmste Unglück» nannte schon der ägyptische Dichter Ptahhotep das Alter, eine «schwere Bürde» der griechische Tragödiendichter Sophokles, «unfreundlich in allem, Freund von niemandem». Dabei haben 80-Jährige weniger Allergien als Jüngere! Und während Hirn und Knorpel schwinden, wächst ihr Talent zu Gelassenheit und Mässigung.

Beides ging vor gar nicht allzu langer Zeit noch mit Respekt einher. Politiker wie Konrad Adenauer (deutscher Kanzler bis 87) und Winston Churchill (englischer Premier bis 81) wurden nicht wie Biden oder Trump aus Mangel an jüngeren Kandidaten in höchste Ämter gewählt, sondern weil ihre Erfahrung Kontinuität versprach. Nochmals zweieinhalbtausend Jahre früher galt das Alter sogar als Voraussetzung für staatsmännisches Format. In den Ältestenrat des Stadtstaates Sparta konnte man erst ab 60 Jahren aufgenommen werden, ebenso in den römischen Senat.

Überhaupt die Antike! In Athen war es eine Straftat, die Eltern zu vernachlässigen – es sei denn, sie hätten einen schlecht er­zo­gen oder zur Prostitution gezwungen. Und wo wir heute dem Zwang zur Fitness bis ins Grab unterliegen, vermisste der römische Autor Cicero im Alterswerk «De Senectute» die Kräfte eines jungen Mannes «so wenig wie als junger Mann die Kräfte eines Stiers oder Elefanten».

Ist die Reputation des Alters von Stammvater Abraham bis Greta Thunberg im steten Sinkflug begriffen? Treffender ist von einer Koexistenz verklärender und abwertender Altersbilder auszugehen, mit wechselnden Ausschlägen in die eine oder andere Richtung. So wird die Altersdevotion der Antike durch das Alters-Shaming der attischen Komödie aufgewogen, die Alte als leichtgläubig und habgierig karikiert und zum Gespött macht – ein Muster, das sich später in Molières «Geizigem» wiederfindet oder in Kleists lüsternem Dorfrichter Adam («Der zerbrochene Krug»).

Ein Ass behielten die Alten jedoch quer durch die Jahrhunderte im Ärmel: ihr Weltwissen. Kein Zitatenschatzkästlein, kein Handy konnte die Weisheit der Nestors und Homers, der Sänger, Mönche und Propheten je ersetzen, bis – nun ja, bis zur Erfindung des Buchdrucks und des Handys. Dass das Internet die Autorität des Alters nun auch auf dem Feld der Erfahrung untergräbt, hat aber weniger mit dem technologischen Fortschritt zu tun als mit der zunehmenden Geringschätzung der Vergangenheit. Zur Losung der Stunde ist die Disruption geworden, der ausgerechnet durch Donald Trump verkörperte Bruch mit dem Altbewährten. Trumps Kandidatur ist der Rachefeldzug eines Alten, der das Heer der Altersverächter mit dessen eigenen Waffen zu schlagen versucht. Martin Helg

8. Wie kann ich optisch Haltung bewahren?

Nicht nur das Gesicht zeigt das Alter, auch der Rücken wird runder, die Haltung schlechter. Disziplinierte wirken dem mit Sport entgegen, Faule mit Schulterpolstern, die sie aufrechter erscheinen lassen. Alter Stylistentrick. Dazu eignen sich etwa die dick gepolsterten Oversize-Blazer von Acne. Kerstin Netsch

Wie kann man Haltung bewahren? Schulterpolster tragen!

Wie kann man Haltung bewahren? Schulterpolster tragen!

Illustration: Andrew Rae

9. Was kann ich dafür tun, dass mein Gehirn diensttauglich bleibt?

Sie wollen Ihrem Hirn etwas Gutes tun? Verhindern Sie chronischen Stress. Er schädigt unsere grauen Zellen, macht vergesslich, erschwert das Lernen. Die gute Nachricht: Stresshormone lassen sich durch Bewegung abbauen. Auch genügend Schlaf, soziale Kontakte und Rauchverzicht helfen, das Gehirn gesund zu erhalten. Eine Wunderpille für ein fittes Hirn aber gibt es nicht – auch nicht als Nahrungsergänzung. Entscheidend ist die Ernährung trotzdem, nach dem Grundsatz: Was gut ist für das Herz, ist es auch für das Gehirn. Eine nicht zu kalorienreiche Ernährung mit Vollkornprodukten und pflanzlicher Kost senkt das Risiko für Bluthochdruck und Diabetes, so ist auch die Gefahr für Schlaganfälle und neurodegenerative Krankheiten geringer. All dies schützt auch unser Denkorgan. Der Weg zum Gehirn führt über das Herz. Adrian Ritter

10. Wie geht man mit 50 noch würdevoll clubben?

Als Erstes sollte man nicht mehr «clubben» sagen. Die Neunziger mögen wieder im Trend sein, der Begriff ist es nicht. Wer ihn verwendet, outet sich als Oldie, heute geht man einfach «in den Ausgang». Eine Altersbegrenzung nach oben gibt es dafür nicht, solange man sich wohlfühlt auf der Tanzfläche und dies auch den Leuten zugesteht, mit denen man sie teilt. Warum sollten Menschen, für die Klubs ein Leben lang ein Ort waren, an dem sie sich die Mühen des Alltags von der Seele tanzen konnten, ab 50 darauf verzichten? Tanzen ersetzt Therapiestunden und senkt Gesundheitskosten. In Zürich gibt es diesen grauhaarigen Mann, der, in bunte Hemden gekleidet, bei Konzerten in der vordersten Reihe und an Partys mittendrin so enthusiastisch tanzt, dass seine Glückshormone den Raum fluten. Er soll bitte niemals damit aufhören. Andrea Bornhauser

11. Was hilft dabei, mit den Jahren nicht bitter zu werden?

Da wird man schon alt, und dann soll man auch noch sanftmütig werden? Vielen Dank auch! Der passiv-aggressive Yoga-Sound vom Loslassen, von den Gedanken, die wie Wolken davonziehen – da möchte man sich doch gleich einen Gehstock ins Ohr rammen. Angeblich tut man sich einen Gefallen, wenn man anderen verzeiht. Das ist ja bei kleineren Vergehen okay, aber die richtig furchtbaren Menschen, die falschen Freunde, die grossen Verräter – da hält man es doch besser mit Reese Witherspoon, die als Oberzicke Madeline in «Big Little Lies» sagt: «Ich liebe meine Wut, ich halte sie wie ein Haustier.» Das ist auch für die anderen lustiger. Mit wem möchten Sie lieber im Lift stecken bleiben, dem friedvollen Dalai Lama oder dem teuflisch lustigen Karl Lagerfeld? Okay, hier mein Vorschlag zur Güte: mehr Dalai Lamerfeld wagen. Henriette Kuhrt

12. Warum vergeht im Alter die Zeit schneller,obwohl man mehr davon hat?

Kaum ist die Weihnachtsdekoration verstaut, kann man sie schon wieder hervornehmen. Die Zeit rennt. Gefühlt. Eine gängige These ist, dass dieses Gefühl mit dem Alter zunimmt. Schuld ist das Gehirn: Es kann bis zum jungen Erwachsenenalter mehr Eindrücke in kurzer Zeit erfassen und verarbeiten. Auch brennt es «erste Male» tiefer und detailreicher ein. Davon gibt es in jungem Alter in kurzer Zeit mehr. Je mehr Erinnerungen wir an eine bestimmte Lebensphase haben, desto länger erscheint sie uns rückblickend. Routiniertes wird zusammengefasst, gelöscht, und schon ist wieder Weihnachten. Hannah Hitz

13. Wie bleibe ich informiert über die Welt der Jungen, wenn ich keine Enkel habe?

Die einfache Antwort wäre wohl: Sie müssen da sein, wo die Jungen auch sind: im digitalen Raum. Legen Sie sich einen Tiktok-Account zu (oder welche Plattform auch immer die Aufmerksamkeit junger Leute auf sich zieht). Das Problem wird aber Ihr Algorithmus sein, der ziemlich sicher gemerkt hat, dass Sie kein Teenager mehr sind. Leider nicht zu empfehlen sind Jugendfernsehsendungen. Da ist das Durchschnittsalter der Zuschauer nur unmerklich tiefer als das des «Samschtig-Jass»- oder des «Landfrauenküche»-Publikums. Insofern darf man nicht erwarten, in diesen Sendungen viel darüber zu erfahren, was Junge beschäftigt. Effektiver ist es, vor Schulbeginn oder nach Unterrichtsschluss mit dem öV zu fahren. Denn das Schöne an Teenagern ist ja, dass sie in der Öffentlichkeit so gar nicht damit zurückhalten, was sie umtreibt. Patrizia Messmer

Was tun mit dem ergrauten Haar: Akzeptieren oder vertuschen?

Was tun mit dem ergrauten Haar: Akzeptieren oder vertuschen?

Illustration: Andrew Rae

14. Ist es irgendwann peinlicher, seine Haare zu färben, als sie nicht zu färben?

Debbie Harry zeigt, nein. Das Nachfärben darf aber nicht zum Stress werden, das macht alt. Kompromiss: Beim Grey Shading färbt der Coiffeur nur Strähnen. Das halbiert das Färbeintervall und die Peinlichkeit, jünger wirken zu wollen. Barbara Höfler

15. Wie verhindere ich, dass mein Kleiderschrank von einer beigen Welle erfasst wird?

Keine Sorge – dank der gegenwärtigen kulturellen Faszination für Beige kann einem das heute schon mit 22 passieren. Doch Widerstand ist möglich, obwohl manche Forscher der Meinung sind, «Rentnerbeige» sei wegen seiner Tarneigenschaft seit der Steinzeit in unserer DNA verankert. Ihr Vorteil: Sie wissen, was Ihnen modisch wichtig ist. Vertrauen Sie darauf, aber verschanzen Sie sich nicht dahinter. Erleben Sie Kleidung als Genuss. Suchen Sie sich Stilvorbilder, wie Teenies es tun. Und greifen Sie im Zweifelsfall besser zu Schwarz-Weiss nach dem Vorbild der 78-jährigen Diane Keaton. Passt hervorragend zu grauem Haar. Jana Schibli

16. Was tun, um im Alter nicht zu verarmen?

Das Rezept lautet Aktien kaufen – und zwar möglichst in jungen Jahren. Nehmen wir eine Person, die Ende 2023 in Pension ging: Mit 20, also im Jahr 1978, hätte sie 1000 Franken an der Schweizer Börse investiert. Heute wäre diese Investition etwa 25000 Franken wert. Das Geheimnis hinter der gewaltigen Wertsteigerung ist der Zinseszinseffekt. Je länger die Anlagedauer ist, desto stärker kommt der Effekt zum Tragen. Die jährliche Rendite erreichte in dieser Zeit rund 7,5 Prozent – wobei Gebühren von 1 Prozent bereits berücksichtigt sind.

Natürlich wissen wir nicht, ob uns die Zukunft ähnlich hohe Börsenrenditen beschert. Doch immerhin musste man auch in den letzten Jahrzehnten einige schlimme Krisen durchstehen. Übrigens lohnt es sich ebenso, mit 65 einen Teil des Ersparten in Aktien zu investieren. Etwa zwei Jahrzehnte bleiben ja meistens noch zum Leben. Albert Steck

17. Wie setze ich mich mit dem Tod auseinander?

Seit 300 Jahren hilft uns Johann Sebastian Bach, den Abschied vom Leben zu begreifen. So findet sich laut Annedore Neufeld, Dirigentin des Zürcher Bach-Chors, in seiner Johannespassion Trost auf mehreren Ebenen: «Jesus sorgt für seine Liebsten: Im Choral ‹Er nahm alles wohl in acht› bestimmt er kurz vor seinem Tod einen Vormund für seine Mutter und ordnet die Familienverhältnisse neu. Weiter empfiehlt er uns die Liebe: ‹Gott und Menschen liebe, stirb darauf, ohn’ alles Leid und dich nicht betrübe.› Das ist eine Art Anleitung zum richtigen Sterben. Nach Jesu Tod lässt Bach den Chor singen: ‹Jesu, der du warest tot, lebest nun ohn’ Ende›: Es geht weiter, ‘dort im andern Leben›. Bei Bach wird ‹die Seele mein› von den Engeln in Abrahams Schoss getragen. Ein Bild, das einen auch heute bereits tragen kann.» Johannespassion mit dem Zürcher Bach-Chor: am 9. und 10. März im Fraumünster Zürich. Martin Helg

18. Was kann ich tun, wenn ich gewisse Verpackungen nicht mehr öffnen kann?

Die Firma Thomy ist uns mit einem kleeblattförmigen Mega-Drehverschluss für ihre Tuben zur Hand gegangen. Und jenseits von Mayonnaise? Die Firma Brix Design hat Hilfsmittel zum Öffnen von Flaschen, Büchsen und Gläsern entworfen. Im Shop unter rheumaliga.ch gibt es den elektrischen Dosenöffner «One Touch». Für die fürchterlichen, zähen Sichtverpackungen verwende man «Slitits» von slitit.com, einen Gleitöffner mit scharfer Klinge. Nun gilt es, auf die zentrale Plattform zu warten, die die praktischen Helfer in einer ästhetisch ansprechenden Form anbietet. Ulrike Hug

19. Gibt es Rezepte für ein erfülltes, langes Leben?

Dutzende von betagten bis hochbetagten Menschen habe ich als Journalist in den letzten Jahren interviewt und porträtiert. Ob ich ihre Nähe suche, ihre Erinnerungen und Erfahrungen? Mag sein.

Oft werde ich jedenfalls mit Einsichten belohnt bei diesen Begegnungen auf der Zielgeraden wendungsreicher Lebensgeschichten. Es gibt keine Patentrezepte für ein langes oder ein glückliches Dasein. Aber wenn viele Leute in jüngeren Jahren finden, sie wollten niemals über achtzig werden, sollten sie das nicht zu laut rufen. Spielt die Gesundheit mit, kann das Alter eine der schönsten Lebensphasen sein.

Als ich 2022 den britischen Filmregisseur Peter Greenaway traf, hatte er gerade das achtzigste Lebensjahr vollendet, in dem er laut früheren Andeutungen eigentlich hätte Schluss machen wollen. Nun sagte er, noch immer ein vitaler Schnelldenker und -redner: «Das Leben ist durchaus noch angenehm, ich denke nicht daran, es mir demnächst zu nehmen.»

Der amerikanische Psychoanalytiker und Autor Irvin D. Yalom («Und Nietzsche weinte») fühlte sich mit über achtzig freier, kreativer, angstfreier als je zuvor, wie er mir 2014 verriet. Sein Rat fürs Glücklichsein: «Versuchen Sie, Ihr Leben so zu leben, dass Sie möglichst wenig Grund zur Reue haben.» Das lindere auch die mit der Furcht vor dem Altern verwandte Todesangst, gegen die er mir ein weiteres Rezept mitgab, nämlich enge Freundschaften zu pflegen: «Kostbare Beziehungen mässigen den Schmerz der Vergänglichkeit.»

Solch griffige Formeln erhielt ich selten geliefert, auch wenn ich oft mehr oder weniger direkt nach dem Geheimnis eines langen, erfüllten Daseins fragte. Die Zürcherin Ruth Gattiker, eine Pionierin in Anästhesie, verriet mir 2015, sechs Jahre vor ihrem Tod im 99. Altersjahr, dass sie ihre beneidenswerte Gesundheit neben Pilatesübungen dem täglichen Weingenuss zu verdanken glaube: zwei Dezi Weissen am Mittag und zwei Dezi Roten am Abend, exakt abgemessen. Sie sagte: «Ich liebe das Leben, hänge pathologisch an ihm.»

«Über­leben ist das Allerwichtigste», so lautete das Motto von Inge Ginsberg, mehrfach hat sie es erprobt, nachdem sie einst vor Hitlers Häschern aus Wien in die Schweiz geflohen war. Als ich sie traf, war sie 98 und voll unerhörter Energie. Den Tod verlachte sie, und sie wollte mindestens weitere 22 Jahre leben. Ein halbes Jahr nach unserem Gespräch starb sie.

Sie erinnerte mich in vielem an Ruth Westheimer, Amerikas Ikone der Sexualtherapie. Auch sie zog im Leben kein einfaches Los; und als ich sie 2015 interviewte, sprühte die 87-Jährige vor Esprit, Energie und «joie de vivre», die eines ihrer Bücher als Weg zum erfüllten Leben preist.

Der Humor, gepaart mit Pragmatismus, prägt bis heute die Zürcherin Rosmarie Michel, die in vielen Positionen und Gremien die erste Frau war. In ihr ruht noch mit über neunzig Jahren diese innere Kraft. Bei einem Gespräch vor zwei Jahren beantwortete sie meine Frage, wie man gut altere, mit mildem Lächeln und Lakonie: «Ich hatte gar keine Zeit, mir zu überlegen, wie man altert.» So fehlte ihr wohl auch die Zeit, schlecht zu altern. Jedenfalls hatte sie völlig recht, wenn sie sagte: «Ich bin doch noch einigermassen busper!»

Das galt auch für die ehemalige Rektorin Annamarie Schuh. Sie wurde hundert, als ich sie befragte, nahm noch Flöten- und Gymnastikstunden, führte ihren Haushalt im Küsnachter Häuschen, das sie siebzig Jahre zuvor mit ihrer Familie bezogen hatte. In den letzten Lebensjahren offenbarte sie eine Heiterkeit, die sich bis zu ihrem Tod mit 101 Jahren noch steigerte.

Ebenso unvergesslich bleibt mir der einstige Bankier August Götschi selig, in dessen 94-jährigem Körper bei einem schweren Unfall so ziemlich alles zu Bruch ging, was brechen kann. Nicht aber sein Wille. Er hatte sich längst ins Leben zurückgekämpft, als ich den Witwer und seine viel jüngere Lebensgefährtin 2020 vor seinem hundertsten Geburtstag in seinem Haus in Wädenswil traf. Zu seinen Geheimnissen des guten Alterns gehörte, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren. Und seine Gedanken über das Glück mündeten in ein Lob der Genügsamkeit.

Letztere, gepaart mit Neugierde, Beständigkeit, aber gleichzeitig auch Beweglichkeit und vor allem Humor scheinen mir aufgrund all dieser Gespräche beste Voraussetzungen für einen erfreulichen Lebensabend zu sein. Verklären sollte man das Altern nicht, und wie gut es gelingt, hat auch mit Glück und den Genen zu tun. Aber ein bisschen auch mit Können. Urs Bühler

Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»