10.09.2004 - 00:00 Uhr

Immer mehr Deutsche absolvieren Fahrkurs in Tschechien - MPU kann umgangen werden: Führerschein zum Dumping-Preis

Auf den "Tank-Tourismus" folgt der "Führerschein-Tourismus": Tschechische Fahrschulen verzeichnen einen Ansturm deutscher Führerschein-Bewerber auf ihre Kurse. Der tschechische Führerschein ist ungefähr um die Hälfte billiger - und nach der EU-Osterweiterung auch in Deutschland uneingeschränkt gültig.

Fahrerlaubnis

In den tschechischen Grenzstädten boomt das Geschäft mit den Fahrschülern aus Deutschland. Während der Auto-Führerschein in der Oberpfalz zwischen 1500 und 1800 Euro kostet, ist er in Karlsbad schon für 300 Euro zu haben. Zwar kommen 500 Euro für einen vereidigten Dolmetscher dazu, "insgesamt zahlen die meisten jedoch nicht mehr als die Hälfte", berichten tschechische Medien.

Sehr zum Argwohn der bayerischen Fahrschulen. Der Vorsitzende des Fahrschullehrerverbandes Gerhard von Bressendorf warnt ausdrücklich davor, bei der Fahrausbildung zu sparen. "Es ist absolut nicht zu empfehlen, den Kurs in einer fremden Sprache zu absolvieren. Wer das tut, spielt mit seiner Sicherheit." Noch seien es nur ganz wenige, die das Angebot der tschechischen Kollegen nutzten. "Die jungen Leute sind da sehr vernünftig."

Mehr Sorgen bereiten Bressendorf die Verkehrssünder, die mit einer Führerscheinprüfung in Tschechien die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU), den so genannten "Idiotentest", umgehen wollen. Zu MPU samt neuer Führerscheinprüfung werden zum Beispiel Autofahrer verdonnert, die mit mehr als 1,6 Promille Alkohol im Blut erwischt werden. Die Kosten allein für diese Unterschung belaufen sich auf bis zu 400 Euro. 60 Prozent der MPU-Kandidaten fallen durch. Da flüchten viele nach Tschechien: Dort ist eine solche Untersuchung nicht vorgesehen.

Umwandlung möglich

Der Europäische Gerichtshof hat im April dieses Jahres noch einmal bekräftigt, dass EU-Staaten grundsätzlich alle EU-Führerscheine anerkennen müssen - unabhängig davon, in welchem Land der Führerscheininhaber gerade wohnt. Dieses Urteil ist auch in der Führerscheinstelle des Landratsamtes Neustadt/Waldnaab bekannt. "Wenn ein tschechischer EU-Führerschein später erweitert werden soll, kann er ohne Weiteres in einen deutschen umgewandelt werden", heißt es dort. Die deutschen Regelungen zur Probezeit gelten natürlich auch für Inhaber des tschechischen Dokuments. Genauso wie MPU-Sünder mit der Prüfung in Tschechien warten müssen, bis die Sperrfrist für die Neuerteilung abgelaufen ist.

Aus dem Führerschein-Schlupfloch hat sich mittlerweile ein eigenständiger Wirtschaftszweig entwickelt. Mehrere Firmen bieten im Internet Kompaktkurse für den tschechischen Führerschein unter Umgehung der MPU an. Das Angebot sei "seriös", heißt es auf den Web-Seiten, was der Bayerische Fahrlehrerverband bezweifelt. Er verweist darauf, dass der Führerschein nur dort erworben werden kann, wo man wohnt.

Auch hierzu gibt es nach Angaben von Bressendorf klare Vorgaben von der EU. Nur wer nachweisen kann, dass er sich mindestens 185 Tage pro Jahr im Nachbarland aufhält, dürfe dort auch die Führerscheinprüfung absolvieren. "Bei einem Angebot, den Führerschein binnen 14 Tagen zu machen kann es nicht mit rechten Dingen zugehen", sagt er. Die Anbieter halten dagegen: In Tschechien sei die besagte EU-Richtlinie zur Wohnsitzregelung noch nicht umgesetzt. "Die Inhaber eines tschechischen EU-Führerscheins haben einen legalen Führerschein, ungeachtet dessen, wie lange sie sich im Land aufgehalten haben", heißt es von Seiten des Anbieters.

"Nicht in Zweifel ziehen"

Das bayerische Innenministerium stellte klar, dass niemand Probleme bekommt, wenn er erst einmal einen tschechischen Führerschein hat. "Wir gehen davon aus, dass die tschechischen Behörden bei der Ausstellung der Führerscheine alle Vorschriften beachten", erklärt Ministeriumssprecherin Ursula Willschek. "Wir haben das nicht in Zweifel zu ziehen."

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