Kleine Racker mischen das Kaninchengehege auf

Mahlzeit! Am Familientisch haben neben zwei Kaninchenkindern auch (v.l.) die Mama, der Papa und die „Tante“ Platz genommen. © Jörg Gutzeit
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Kaninchen gehören seit Jahrzehnten zum Inventar des Tierparks. Viele Eltern, die heute mit ihren Kindern vor dem Gehege ausharren, haben schon selbst als Steppkes davor gestanden und gebettelt: „So eins will ich auch!“ Dass im kleinen Zoo im Stadtgarten gerade sechs Racker das Kaninchengehege aufmischen, ist nur ein Grund, warum das Langohr unser Tier der Woche ist. Denn: Was ein Kaninchen braucht und andererseits gar nicht mag, wissen die wenigsten Menschen.

Elisabeth Schüller, leitende Tierpflegerin, hat das beste Lockmittel mitgebracht: einen Teller, randvoll mit appetitlich angerichtetem, frischem Gemüse. Der Fotograf schaut ein wenig neidisch auf die bunte Platte und gesteht: „Ein bisschen Balsamico dazu würde mir genügen.“ Doch diese Vitaminbombe hat Elisabeth Schüller für die Kaninchen geschnippelt. Oder besser gesagt, zwei davon. Denn nebenan wohnen die Meerschweinchen, und die äußern laut fiepsend ihren Hunger. Damit die lärmende Meute Ruhe gibt, bekommt sie zuerst ihre Portion.

Meerschweinchen sind keine Gesellschaft

Den Kaninchen geht die Aufregung am Stummelschwänzchen vorbei. „Sie verstehen die Sprache der Meerschweinchen einfach nicht“, erklärt Elisabeth Schüller. Darum sei es auch ein Irrglaube, dass die beiden Rassen sich perfekt ergänzen würden. „Sie können zwar ohne Weiteres in einem Gehege gehalten werden, aber sie bilden keine Gemeinschaft, sondern leben nebeneinander her.“

Als der vor zehn Jahren gegründete Förderverein des Tierparks als erstes großes Spendenprojekt ein neues Haus für die Kaninchen und Meerschweinchen finanzierte, wurde die Zweck-WG daher auch räumlich getrennt.

Elisabeth Schüller stellt die zweite Gemüse-Platte ins Außengehege. Die drei Erwachsenen kommen sofort durchs Schlupfloch aus dem Stall heraus: „Das sind unsere Holländer“, stellt die Tierpflegerin vor, „so heißt die Rasse, die übrigens ursprünglich aus Groß-Britannien stammt.“ Bei jedem der drei mischt sich eine andere Fleckenfarbe zum weißen Fell. „Der Bock ist gelb-braun, in der Fachsprache heißt diese Farbe Madagaskar“, erklärt Elisabeth Schüller und zeigt auf den stattlichen Rammler. Das kleinere und auch noch jüngere Weibchen hat orange-schwarze „Ringel“ und ist damit eine „Japanerin“. Das schwarz-weiße Kaninchen ist die Mutter der sechs kleinen Fellknäuel, denen Elisabeth Schüller erst einen kleinen Schubs geben muss, damit sie sich nach draußen trauen. Und bis auf eines sind alle Kinder ganz der Papa.

Die Kaninchen im Tierpark sind es von klein auf gewohnt, auch Kohl zu fressen und vertragen ihn problemlos. © Jörg Gutzeit © Jörg Gutzeit

Rohkost statt Fastfood

Ein kleiner „Fitschendopp“ legt einen Spurt ein, schnappt sich ein Kohlblatt und setzt sich mümmelnd an die Seite. „Unter Haustierhaltern heißt es oft, dass Kaninchen von Kohl Blähungen bekommen“, nennt Elisabeth Schüller einen zweiten Irrglauben. „Aber unsere Tiere fressen täglich Kohl und vertragen ihn problemlos.“ Heu und zwei Teller Frischzeug am Tag reichen, um die Familie satt und zufrieden zu machen. „Darum sind Kaninchen auch günstig als Haustiere zu halten“, erklärt die Expertin. Leckerli oder Futtermischungen aus dem Handel seien überflüssig: „Die Kaninchen fressen das gern, aber es ist wie Fastfood für uns Menschen: macht dick und ist nicht wirklich gesund.“

Noch keine drei Wochen alt sind die Kleinen, aber an ihnen ist alles dran: „Sie werden nackt und mit geschlossenen Augen geboren. Schon nach wenigen Tagen haben sie den ersten Flaum, und dann geht es rasend schnell.“ Wie in der freien Wildbahn säugt die Mutter die Kinder nur einmal am Tag: „Auch ausgewachsene Kaninchen sind leichte Beute. Darum halten die Häsinnen sich tagsüber vom Bau fern, damit Fressfeinde die Jungen nicht entdecken“, erläutert Elisabeth Schüller.

Die Recklinghäuser Kaninchenkinder sind in einem Alter, in dem sie durchaus wissen wollen, was draußen los ist. Sie hoppeln durchs Gehege, sobald sie sich erschrecken, legen sie einen Zahn zu und verstecken sich in den Betonröhren, von denen einige im sandigen Grund liegen. Sobald die Luft rein ist, geht das Spiel von vorn los. „Kaninchen brauchen Platz, sie müssen sich bewegen können“, betont die Tierpflegerin. Ein großzügiger Auslauf im Freien sei ideal, „aber man kann die Kaninchen in der Wohnung laufen lassen“. Der klassische enge Kaninchenstall, in denen die Tiere sich kaum rühren können und schlimmstenfalls noch allein sind, sei hingegen Quälerei. „Das widerspricht ihrer Natur. Sie brauchen Gesellschaft und Bewegung.“ Und natürlich buddeln sie gern. „Sie würden bei uns auch ein richtiges Tunnelsystem anlegen, wenn wir nicht ständig alles wieder zuschütten würden.“

In einigen Wochen heißt es Abschied nehmen: „Wir geben den Nachwuchs ab: an andere Zoos, aber auch an Privatleute.“ Keine Frage, dass die künftigen Besitzer nachweisen müssen, dass sie die Tiere artgerecht halten. Und dann wäre da noch ein Irrglaube, mit dem Elisabeth Schüller aufräumen muss: „Kaninchen lassen sich zwar streicheln, aber in der Regel kuscheln sie nicht gerne mit Menschen, sondern nur mit ihresgleichen.“ Daher seien für Kinder, die mit einem Tier spielen und es im Arm halten wollen, doch Meerschweinchen die „besseren Kaninchen“. Und niedlich sind die natürlich auch.

Info: Der Eintritt in den Tierpark im Stadtgarten ist frei. Der Förderverein leistet einen großen Anteil, damit die Anlage fortlaufend für die Tiere und Besucher modernisiert wird. Tierpatenschaften und/oder Spenden helfen dabei.

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