Bundes-Angestelltentarifvertrag Abschnitt II (§§ 4-5) § 4 Schriftform, Nebenabreden Erläuterungen 12 Nebenabreden (§ 4 Abs. 2 BAT)

12.2Begriff der Nebenabrede; Beispiele

Nebenabreden i. S. der Tarifvorschrift sind Vereinbarungen der Parteien des Arbeitsvertrags, die weder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers noch die Gegenleistung des Arbeitgebers unmittelbar betreffen (BAG vom 4.6.2008 – 4 AZR 421/07 – NZA 2008, 1360; vom 15.3.2011 – 9 AZR 799/09 – ZTR 2011, 503). § 4 BAT bezieht sich nicht auf die vertraglichen Hauptleistungspflichten (so zu § 2 Abs. 3 TVöD: BAG vom 15.12.2016 – 6 AZR 603/15 – ZTR 2017, 356). Die Rechtsprechung sieht für die Abgrenzung von Hauptpflichten/Hauptrechten einerseits und Nebenabreden andererseits den Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung als entscheidend an. Die Begriffe Hauptabrede und Nebenabrede können nur dahin verstanden werden, dass mit der Hauptabrede die Hauptsache, das Wesentliche des Arbeitsvertrags, mit der Nebenabrede hingegen nur Unwesentliches, d. h. Sekundäres, gemeint ist. § 4 Abs. 1 BAT erfasst somit den Bereich der Hauptrechte und Hauptpflichten des Arbeitsvertrags, insbesondere Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt. § 4 Abs. 2 BAT betrifft demgegenüber sonstige Gegenstände, die entweder Sekundärcharakter oder jedenfalls nicht unmittelbar mit den Hauptrechten und Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag zu tun haben (BAG vom 7.5.1986 – 4 AZR 556/83 – AP Nr. 12 zu § 4 BAT; vom 15.3.2011 – a. a. O.). Eine formbedürftige Nebenabrede i. S. des § 4 Abs. 2 BAT liegt also nicht vor, wenn durch die fragliche Vereinbarung der Bestand oder der Umfang der jeweiligen Hauptrechte und Hauptpflichten aus dem Vertragsverhältnis unmittelbar betroffen sind (BAG vom 15.3.1989 – 7 AZR 264/88 – ZTR 1989, 446).

Beispiele

1Nebenabreden i. S. von § 4 Abs. 2 BAT sind:

1.1

Die Vereinbarung einer pauschalierten Fliegerzulage. Diese Zulage ist keine unmittelbare Gegenleistung für die vom Angestellten zu erbringende Arbeitsleistung. – Der Kläger hatte in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall neben der nach der effektiven Zahl der Flugstunden bemessenen Zulage eine zusätzliche pauschalierte Zulage erhalten. –

(BAG vom 18.5.1977 – 4 AZR 47/76 – AP Nr. 4 zu § 4 BAT)

1.2

Die Vereinbarung von Fahrkostenersatz und Verpflegungszuschuss. Eine solche Zulage stellt – auch nicht mittelbar – keine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung dar, sondern soll Aufwendungen auf Grund besonderer persönlicher Umstände ausgleichen.

(BAG vom 19.2.1972 – 4 AZR 149/71 – AP Nr. 1 zu § 4 BAT; vgl. zu Essenszuschuss auch: BAG vom 9.12.1981 – 4 AZR 312/79 – AP Nr. 8 zu § 4 BAT; zu § 4 Abs. 2 MTB II: BAG vom 26.7.1972 – 4 AZR 365/71 – AP Nr. 1 zu § 4 MTB II)

1.3

Die Vereinbarung einer Zuschusszahlung zu den Beiträgen von Angestellten an einen Kranken- und Unterstützungsverein. Die Zuschusszahlung betrifft weder die Leistung des Arbeitnehmers noch die Vergütung des Arbeitnehmers für diese Leistung. Es handelt sich um eine zusätzliche Zahlung i. S. einer Nebenleistung, die sich vor allem im Beihilferecht i. S. des § 40 BAT auswirkt.

(BAG vom 7.12.1977 – 4 AZR 383/76 – AP Nr. 5 zu § 4 BAT)

1.4

Eine einzelvertragliche Vereinbarung, die ohne Rücksicht auf die tariflich normierten Voraussetzungen (außertariflich) eine Teilnahme am Bewährungsaufstieg zusichert. Es handelt sich um eine Nebenabrede i. S. von § 4 Abs. 2 BAT, weil eine solche Vereinbarung keinesfalls zu den wesentlichen Bestandteilen eines Arbeitsvertrags im öffentlichen Dienst gehört (siehe hierzu die Anm. v. Scheuring zu AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).

(BAG vom 16.8.1978 – 4 AZR 33/77 – AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT; vom 26.11.1969 – 4 AZR 528/68 – AP Nr. 8 zu § 23a BAT)

1.5

Um eine der Schriftform bedürftige Nebenabrede i. S. von § 4 Abs. 2 BAT handelt es sich auch, wenn eine tarifvertraglich geregelte Zulage mit Angestellten vereinbart wird, die die tariflichen Voraussetzungen für den Bezug dieser Zulage nicht erfüllen.

(BAG vom 7.5.1986 – 4 AZR 556/83 – AP Nr. 12 zu § 4 BAT)

1.6

Eine Mankogeldabrede ist eine Nebenabrede i. S. von § 4 Abs. 2 BAT und bedarf daher im Geltungsbereich des BAT der Schriftform.

(BAG vom 27.10.1988 – 6 AZR 177/87 – ZTR 1989, 109)

2

In sonstigen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (außerhalb des BAT) wurden folgende Gegenstände vom BAG als Nebenabreden beurteilt:

2.1

Die Zusage einer unentgeltlichen Beförderung eines unter den BMT-G fallenden Arbeitnehmers vom und zum Arbeitsplatz ist eine Nebenabrede. Der mit ihr verbundene vermögenswerte Vorteil wird nicht als Gegenleistung für die vertraglich geschuldete Leistung des Arbeitnehmers erbracht, sondern aus sozialen Gründen oder, um Arbeitskräfte für eine bestimmte Tätigkeit zu gewinnen. Es handelt sich um eine betriebliche Sozialleistung und nicht um eine vertragliche Hauptpflicht.

(BAG vom 18.9.2002 – 1 AZR 477/01 – ZTR 2003, 194)

2.2

Die Vereinbarung über die Gewährung von Trennungsentschädigung an einen Arbeiter der Bundespost stellt eine Nebenabrede dar, die der Schriftform bedarf. Wird diese Leistung nach langjähriger Gewährung gekürzt oder entzogen, kann die Berufung auf die fehlende Schriftform gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein.

(BAG vom 28.1.1981 – 4 AZR 869/78 – AP Nr. 1 zu § 19 TV Arb Bundespost)

2.3

Eine vertragliche Abrede über eine übertarifliche, dem Arbeitnehmer günstigere Berechnung der Urlaubsdauer fällt als Nebenabrede in den Geltungsbereich des § 4 Abs. 2 MTArb und des § 2 Abs. 3 TVöD/TV-L. Nebenabreden i. S. dieser Tarifvorschriften sind Vereinbarungen der Parteien des Arbeitsvertrags, die weder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers noch die Gegenleistung des Arbeitgebers unmittelbar betreffen.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist keine Gegenleistung des Arbeitgebers für erbrachte oder noch zu erbringende Arbeitsleistungen, sondern eine gesetzlich bedingte Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis, den Arbeitnehmer für die Dauer des Urlaubs von der Arbeitspflicht zu befreien. Das gilt auch für den tariflichen Mehrurlaub.

(BAG vom 15.3.2011 – 9 AZR 799/09 – ZTR 2011, 503)

3Keine Nebenabreden stellen dar:

3.1

Die Zusage einer höheren (übertariflichen) Vergütung betrifft den Arbeitsvertrag selbst, so dass hierfür keine konstitutive Schriftform vorgeschrieben ist.

(BAG vom 9.9.1981 – 4 AZN 213/81 – AP Nr. 7 zu § 4 BAT; vom 6.7.1972 – 4 AZR 422/71 – AP Nr. 2 zu § 4 BAT)

3.2

Bestandteile des Arbeitsentgelts, die auch tarifvertraglich vorgesehen sind, wie beispielsweise Schicht- und Wechselschichtzuschläge, sollen besondere Aufwendungen des Arbeitnehmers ausgleichen und können daher formlos zugesagt werden. Sie stellen auch keine betrieblichen Leistungen mit sozialem Charakter dar, sondern betreffen ein erhöhtes Entgelt für die unter den erschwerten Bedingungen des Schichtdienstes erbrachte Leistung. Damit stehen sie im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung und sind dem eigentlichen Entgelt zuzurechnen.

(BAG vom 3.8.1982 – 3 AZR 503/79 – AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung)

3.3

Die Übertragung zusätzlicher Reinigungsarbeiten an Schulhausmeister bei kommunalen Arbeitgebern in Nordrhein-Westfalen nach dem für sie maßgebenden Bezirks-Zusatztarifvertrag zum BAT über ihr Pflichtpensum hinaus betrifft sowohl die Arbeitsleistung wie auch die Vergütung und damit die beiderseitigen Hauptpflichten. Sie betrifft auch keine tariffremde Leistung, sondern nutzt lediglich eine von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich eingeräumte Gestaltungsmöglichkeit. Dazu bedarf es nicht der Schriftform.

(BAG vom 12.7.1983 – 3 AZR 129/81 – AP Nr. 9 zu § 17 BAT)

Dasselbe gilt für den Anspruch eines Schulhausmeisters (aus betrieblicher Übung), bei außerschulischen Veranstaltungen außerhalb der Arbeitszeit Bereitschaftsdienst gegen Zahlung der tariflichen Vergütung zu leisten.

(BAG vom 26.1.1989 – 6 AZR 566/86 – ZTR 1989, 318)

3.4

Die Vereinbarung einer kürzeren als der in den schriftlichen Verträgen genannten Arbeitszeit stellt keine nach § 4 Abs. 2 BAT formnichtige Nebenabrede dar. Die Vereinbarung der Arbeitszeit betrifft eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis. In den Tarifverträgen ist nur die regelmäßige Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers festgelegt, nicht aber die dem Einzelvertrag vorbehaltene individuelle Arbeitszeit. Eine Arbeitszeitvereinbarung dieser Art kann daher nicht Gegenstand einer Nebenabrede sein.

(BAG vom 28.9.1982 – 3 AZR 188/90 – AP Nr. 1 zu § 117 BGB)

3.5

Bei der in Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT enthaltenen Regelung, nach der „im Arbeitsvertrag zu vereinbaren ist, ob der Angestellte als Zeitangestellter, als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer oder als Aushilfsangestellter eingestellt wird“, handelt es sich nicht um eine formbedürftige Nebenabrede i. S. des § 4 Abs. 2 BAT. Mit der Vereinbarung einer Befristung werden unmittelbar die zeitliche Dauer der Arbeitspflicht sowie der Vergütungspflicht begrenzt. Befristungen des Arbeitsverhältnisses beziehen sich unmittelbar auf den zeitlichen Bestand der beiderseitigen Hauptpflichten. Arbeitsvertragliche Befristungsregelungen sind daher Hauptbestandteile eines Arbeitsvertrags und bedürfen folglich zu ihrer Wirksamkeit nicht der für Nebenabreden vorgeschriebenen konstitutiven Schriftform.

(BAG vom 15.3.1989 – 7 AZR 264/88 – ZTR 1989, 446)

3.6

Bei einer Ballungsraumzulage handelt es sich nicht um eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag, sondern um eine Entgeltgestaltung. Die Zusage eines höheren als des unmittelbar tariflich vorgesehenen Entgelts betrifft eine synallagmatische Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag.

Die Ballungsraumzulage hat also Entgeltcharakter. Das ergibt sich auch aus ihrer Funktion als Ausgleich von regional deutlich erhöhten Lebenshaltungskosten.

(BAG vom 4.6.2008 – 4 AZR 421/07 – NZA 2008, 1360)

3.7

Die Zusage einer übertariflichen Stufenzuordnung betrifft die arbeitgeberseitige Hauptleistungspflicht und wird folglich nicht von § 4 BAT erfasst (so zu § 2 Abs. 3 TVöD).

(BAG vom 15.12.2016 – 6 AZR 603/15 – ZTR 2017, 356)

3.8

Die Verpflichtung zur Zahlung einer Erschwerniszulage zählt als solche zu den Hauptpflichten des Arbeitgebers. Die Vereinbarung über eine Pauschalierung der Zuschläge selbst ist hingegen nur eine Nebenabrede.

(LAG Köln vom 18.1.2017 – 3 Sa 758/16 – ZTR 2017, 488; vgl. auch BAG vom 18.5.2017 – 2 AZR 721/16 – ZTR 2017, 599)