Cem Özdemir dafür, Italien dagegen

Nutri-Score: Kommt die Lebensmittelampel für die ganze EU?

Nesté will seine Produkte nach und nach mit dem «Nutri-Score» kennzeichnen.

Der Nutri-Score soll die Nährwerte von Lebensmitteln kennzeichnen.

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Von tiefgrün bis dunkelrot: Wer im Supermarkt nach einem Produkt greift, stößt dabei immer häufiger auf den Nutri-Score. Die fünfstufige Lebensmittelampel soll Verbraucherinnen und Verbraucher darüber informieren, welche Nährwerte der Joghurt, das Müsli oder die Tiefkühlpizza haben.

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Geht es nach Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne), soll die Kennzeichnung auch EU-weit zum Einsatz kommen. Er setze sich in Brüssel für einen „EU-weiten Nutri-Score ein“, sagte er im Dezember bei einer Rede vor dem Lebensmittelverband.

Der Vorstoß kommt nicht zufällig. Die EU-Kommission diskutiert über eine einheitliche Kennzeichnung für Nahrungsmittel. Allerdings gibt es auch nach einem Treffen der Agrarminister im Dezember 2022 noch Uneinigkeit darüber, welches Logo künftig Produkte von Lissabon bis Stockholm kennzeichnen soll. Im Gespräch ist dabei auch der Nutri-Score, der in Ländern wie Deutschland, Frankreich oder der Schweiz angewandt wird.

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Entschiedener Gegner ist allerdings Italien. Laut einem Bericht der „Lebensmittel Zeitung“ muss der deutsche Bonbonhersteller Vivil nun sogar ein Bußgeld von 10.000 Euro zahlen, weil seine Produkte in Italien mit dem Nutri-Score gekennzeichnet waren, ohne das Logo mit weiteren Erklärungen zu versehen. Die italienische Wettbewerbsbehörde argumentiert laut der Zeitung, dass der Nutri-Score zur Annahme verleiten könne, dass es sich bei den dargestellten Produkten um absolut gesunde Lebensmittel handele.

Über die jeweilige Lebensmittelkategorie hinaus hat der Nutri-Score keine Bedeutung.

Manon Struck-Pacyna,

Expertin vom Lebensmittelverband

Eine Kritik, die nicht zum ersten Mal aufkommt. Denn der Nutri-Score zeigt nicht an, ob ein Lebensmittel per se gesund ist oder nicht. Vielmehr geht es darum, ob ein Produkt innerhalb seiner Produktkategorie gut abschneidet. Beispiel Joghurt: Ein Joghurt wird dann als grün angezeigt, wenn er besser abschneidet als etwa ein Joghurt mit deutlich höherem Zuckergehalt.

Das gilt dann auch für Lebensmittel, die nicht als gesund gelten. Der Nutri-Score treffe eine Aussage darüber, ob beispielsweise eine Spinatpizza oder eine Pizza Margherita das günstigere Nährwertprofil habe, sagt Manon Struck-Pacyna vom Lebensmittelverband. „Über die jeweilige Lebensmittelkategorie hinaus hat der Nutri-Score deshalb keine Bedeutung.“

Teils irreführende Bewertungen

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Lebensmittel wie etwa Olivenöl schlecht abschneiden, weil sie auf 100 Milliliter einen extrem hohen Fettanteil haben. Allerdings werden die wenigsten 100 Milliliter Olivenöl auf einmal zu sich nehmen.

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Carolin Krieger, Referentin für Ernährungspolitik beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), verweist noch auf einen anderen Aspekt: „Wenn kein Zucker drin ist, schneidet das Produkt besser ab. Dann bekommt die Cola light eine bessere Bewertung als die klassische Cola. Denn Süßstoffe werden von dem Algorithmus nicht bedacht.“

Weil der Nutri-Score dennoch eine Orientierung bietet, befürworten Verbraucherschützer die Kennzeichnung. „Es ist ein verbraucherfreundliches Hilfsmittel, das Orientierung beim Einkauf bietet“, sagt Krieger. Natürlich sollte es noch zusätzliche Informationskampagnen geben, findet sie. Doch bislang sei der Nutri-Score das beste System, das auch funktioniere.

„Der Nutri-Score wirkt und er ist wissenschaftlich erarbeitet“, sagt sie mit Blick auf Studien aus den Ländern, wo er bereits angewandt wird. Dort gebe es ein wissenschaftliches Gremium, das die Nährstoffampel bewertet und weiterentwickelt. „Wir sind dafür, dass der Nutri-Score EU-weit verpflichtend eingeführt wird, damit er auf allen Lebensmitteln zu finden ist“, so Krieger.

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Auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch sieht darin ein „wichtiges Instrument gegen Adipositas und die damit in Verbindung stehenden Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Krebs“, sagte eine Sprecherin. Er solle „so schnell wie möglich“ verbindlich EU-weit eingeführt werden. Denn seine Wirkung könne der Nutri-Score erst entfalten, wenn alle Produkte im Supermarkt damit gekennzeichnet seien. Vor allem Hersteller von Fast Food und Zuckerbomben würden allerdings verzichten, so die Sprecherin weiter.

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Das von Özdemir geführte Ministerium will sich nun in Brüssel für den Nutri-Score starkmachen. Künftig solle er noch aussagekräftiger werden, sagte ein Sprecher dem RND. Im vergangenen Sommer seien bereits erste Änderungen vorgestellt worden, durch die die Bewertung noch präziser ausfallen soll. Weitere Vorschläge – in dem Fall für Getränke – sollen bald vorgestellt werden.

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