Leicht missverständlich

Lebensmittelampel – die fünf größten Irrtümer über den Nutri-Score

Seit fast zwei Jahren gibt es in Deutschland den Nutri-Score als freiwillige Kennzeichnung für Lebensmittel.

Seit fast zwei Jahren gibt es in Deutschland den Nutri-Score als freiwillige Kennzeichnung für Lebensmittel.

Der Nutri-Score, auch Lebensmittelampel genannt, soll uns dabei helfen, gesunde von ungesunden Lebensmitteln zu unterscheiden. Laut einer aktuellen Studie der Universität Göttingen ist der Nutri-Score auch tatsächlich geeignet, um zum Beispiel zuckerreiche Lebensmittel besser zu erkennen. Wem es wirklich darum geht, sich ausgewogen und gesund zu ernähren, der sollte sich aber trotzdem nicht allein auf die Lebensmittelampel verlassen. Wir klären die wichtigsten Irrtümer zum Nutri-Score auf.

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Irrtum eins: Jedes Lebensmittel mit Nutri-Score wurde von Expertinnen und Experten bewertet

Welche Kennzeichnung jedes einzelne Lebensmittel auf der fünfstufigen Farbskala von A bis E erhält, wird nicht in jedem Einzelfall von Expertinnen und Experten bestimmt, sondern von einem Algorithmus. Zwar wurde die Berechnungsgrundlage von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Frankreich und Großbritannien im Auftrag des französischen Gesundheitsministeriums entwickelt. Die Berechnung übernimmt die Lebensmittelindustrie nun aber selbst: auf der Basis der ohnehin anzugebenden Nährstofftabelle und Zutatenliste ihrer Produkte und mithilfe des Algorithmus.

Bei der Ermittlung des Nutri-Scores werden als günstig und ungünstig geltende Nährstoffe nach einem Punktesystem miteinander verrechnet, dabei gilt: je niedriger die Gesamtpunktzahl, desto besser. Sind vor allem als gesund geltende Inhaltsstoffe wie Eiweiß, Ballaststoffe, Obst, Gemüse und Nüsse enthalten, ergibt sich eine niedrige Punktzahl. Lebensmittel mit vielen Kalorien, wie Zucker, gesättigte Fettsäuren und Salz, erhalten höhere Punktzahlen. Die Farbskala von grün bis rot hilft bei der Orientierung: Ein grünes A entspricht der niedrigsten Punktzahl und damit der besten Bewertung, ein rotes E der höchsten Punktzahl und damit der schlechtesten Bewertung.

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Irrtum zwei: Beim Nutri-Score werden alle Inhaltsstoffe berücksichtigt

Mit dem Nutri-Score werden nicht alle gesunden oder ungesunden Inhaltsstoffe eines Lebensmittels berücksichtigt. So fließt in die Berechnung nicht mit ein, wie viele Zusatzstoffe, also zum Beispiel Konservierungsmittel, Farbstoffe oder künstliche Aromen, zugesetzt sind. Dabei werden bei einigen dieser Stoffe negative Auswirkungen für die Gesundheit vermutet – und viele Verbraucher und Verbraucherinnen würden sie lieber meiden. Auch der Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen wird bei der Bewertung nicht berücksichtigt. Zwar wirkt es sich positiv auf den Nutri-Score aus, wenn Obst und Gemüse enthalten sind. In Fertigprodukten sind Gemüse und Früchte aber oft so stark verarbeitet, dass viele Vitamine verloren gehen.

Irrtum drei: Die Bewertung gilt für eine Portion des Produkts

Der Nutri-Score wird nicht etwa für Portionen, sondern für 100 Gramm beziehungsweise 100 Milliliter eines Produkts berechnet. Das soll der besseren Vergleichbarkeit dienen. So sind Portionsgrößen nicht immer leicht zu definieren. Manche Hersteller geben zum Beispiel auf der Packung ihrer Produkte den Kaloriengehalt für einzelne Portionen an. Dabei werden Portionen absichtlich klein angesetzt, um auf einen niedrigen Kaloriengehalt zu kommen. Dies sollte beim Nutri-Score vermieden werden. Dass Portionsgrößen nicht berücksichtigt werden, kann aber auch zu Missverständnissen führen. Olivenöl zum Beispiel bekommt eine schlechte Bewertung, weil 100 Milliliter davon einen hohen Kaloriengehalt haben. In der fertigen Mahlzeit – zum Beispiel einem Salat mit Olivenöl – wäre der aber nicht mehr ausschlaggebend.

Irrtum vier: Mit dem Nutri-Score lassen sich alle Lebensmittel miteinander vergleichen

„Label wie der Nutri-Score eignen sich vor allem für komplex zusammengesetzte und stark verarbeitete Lebensmittel“, heißt es dazu in einer Veröffentlichung der Verbraucherzentrale. Gleichartige Produkte innerhalb einer Kategorie wie zum Beispiel verschiedene Joghurts ließen sich damit auch gut vergleichen. „Verschiedene Produktgruppen wie Joghurt und Müsli anhand des Nutri-Scores miteinander zu vergleichen ist hingegen nicht sinnvoll“, so die Verbraucherschützer. Auch für Produkte, die unverarbeitet sind oder nur aus einer Zutat bestehen wie zum Beispiel Olivenöl, sei der Nutri-Score „nicht sinnvoll und auch nicht gedacht“.

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Tatsächlich soll durch den Nutri-Score vor allem deutlich werden, dass es oft gesündere Alternativen gibt: Ein ungesüßter Joghurt schneidet daher besser ab als einer mit Zucker, eine herkömmliche Coca-Cola sehr viel schlechter als eine kalorienfreie Coca-Cola. Eine Coca-Cola mit einem Orangensaft zu vergleichen ist hingegen schwieriger: Auch hier würde die kalorienfreie Coca-Cola besser abschneiden, weil sie keinen Zucker enthält. Dafür enthält der Orangensaft aber Vitamine und keine künstlichen Zusatzstoffe, was bei der Bewertung nicht berücksichtigt wird. Und wenn ein Produkt mit nur einer Zutat wie Öl negativ bewertet wird, ist auch das irreführend, weil sich die Bewertung auf 100 Milliliter bezieht und sich nicht an der fertigen Mahlzeit orientiert (siehe oben).

Irrtum fünf: Der Nutri-Score entspricht dem neuesten Stand der Wissenschaft

Gesättigte Fette, die vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Eiern und Milchprodukten enthalten sind, werden mit der Lebensmittelampel grundsätzlich negativ bewertet. Sind größere Mengen davon enthalten, führt das zu einer hohen Punktzahl auf der Nutri-Score-Skala. Auch kalorienreiche Lebensmittel bekommen eher eine Negativbewertung, wobei Fett einen besonders hohen Energiegehalt hat. Das führt dazu, dass fetthaltige Lebensmittel insgesamt eher abgewertet werden. Auch für zugesetzten Zucker gibt es schlechte Werte, nicht aber für leicht verdauliche Kohlenhydrate aus Weißmehl, die in Nudelgerichten, Teigwaren und Pizza stecken, also in etlichen Fertiggerichten. Dass Fette grundsätzlich schlecht für die Ernährung seien und Kohlenhydrate grundsätzlich gut, ist aber überholt.

Selbst zu den gesättigten Fetten gibt es neue Erkenntnisse. So sorgte 2017 eine Veröffentlichung im Wissenschaftsmagazin „Lancet“ für Aufsehen. Forschende hatten 135.000 Menschen nach ihren Ernährungsgewohnheiten befragt und deren Gesundheit sieben Jahre lang beobachtet. Diejenigen, die mehr Fette und weniger Kohlenhydrate zu sich nahmen, hatten ein geringeres Sterberisiko. Das galt auch, wenn sie viele gesättigte Fette aus Fleisch und Milchprodukten zu sich nahmen. Standen hingegen viele kohlenhydrathaltige Lebensmittel auf dem Speiseplan, ging das mit einem höheren Risiko für Infektionen und Krebserkrankungen einher. Seitdem ist in der Ernährungswissenschaft zumindest umstritten, ob und wie ungesund gesättigte Fettsäuren im Vergleich zu Kohlenhydraten nun überhaupt sind.

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