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Neuer Roman: Bernhard Schlink über "Das späte Leben"

Es sind große Fragen, die Bernhard Schlink (79) in seinem neuen Roman "Das späte Leben" aufwirft: Wie gehe ich mit einer Diagnose um, die mir nur noch ein halbes Jahr Lebenszeit voraussagt? Was hinterlasse ich der nächsten Generation? Wie wichtig sind mir Wahrheit und Ehrlichkeit in dieser Situation? Durchgespielt werden diese Fragen anhand einer kleinen Familie: der 76-jährige Martin, seine viel jüngere Frau Ulla und sein sechsjähriger Sohn David.

Bernhard Schlink schrieb über 'Das späte Leben'
Bernhard Schlink schrieb über 'Das späte Leben'

Die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs wirft wohl jeden aus der Bahn. Das geht auch dem pensionierten Professor so, den Schlink zum Protagonisten seines Buches auserkoren hat. Doch Martin fühlt sich ohnedies bereits reich vom Leben beschenkt, seit ihn eine attraktive Studentin zu ihrem Lebenspartner auserwählt hat. Es beginnt eine Phase des Abschiednehmens, an der nur wenig außergewöhnlich erscheint. Schlink unternimmt auch nicht viel, sie aus vergleichbaren Schicksalen herauszuheben. Es geht ihm ums Exemplarische, um nachvollziehbare Gefühle und Situationen, die jeden von uns betreffen (könnten).

"Die Geschichten, die zu mir kommen, enthalten Themen, Stoffe, Fragen, die für mich zu der Zeit, zu der die Geschichten zu mir kommen, wichtig sind. Was es damit, anderen etwas zu hinterlassen, auf sich hat, was es mit dem Festhalten und dem Loslassen in der Liebe auf sich hat - das waren für mich schon immer Themen. Sie stellen sich im Alter nur noch einmal ein bisschen anders", hat Schlink im APA-Interview über sein Buch gemeint, als er vor wenigen Wochen seinen Millionen-Bestseller "Der Vorleser" als Wiener Gratis-Buch präsentierte.

Martin beschäftigt weniger die Frage, wie er seinem Sohn schonend beibringen kann, dass er bald vaterlos aufwachsen wird, als die Frage, was er ihm für sein Leben hinterlassen möchte. Keine leichte Antwort, wie er feststellt, als er sich zu einer Art Abschiedsbrief hinsetzt. Noch schwieriger ist es, für sich zu beantworten, ob er sich Eifersucht gestatten darf, als er zu ahnen beginnt, dass seine Frau eine Affäre begonnen hat, oder ob er erleichtert sein sollte, dass sie offenbar nicht alleine und ungetröstet zurückbleiben wird, wenn es soweit ist. Was sagt der Verstand dazu - und was das Herz?

Der einstige Spitzenjurist Schlink, der Spezialist für Verfassungsrecht war, hat sich auch als Schriftsteller immer schon über Grundsatzfragen Gedanken gemacht. Auch in "Das späte Leben" lässt er spüren, dass es ihm nicht einfach darum geht, eine Geschichte zu erzählen. Das macht es nicht einfacher - für die handelnden Personen nicht, und auch nicht für die Leser. Doch am Ende bedeutet Glück ein Blick auf die untergehende Sonne und die Nähe eines Menschen. Viele Worte braucht es dafür nicht mehr.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Bernhard Schlink: "Das späte Leben", Diogenes Verlag, 240 Seiten, 26,80 Euro)

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