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Friedensnobelpreis an Kampagne zur atomaren Abrüstung

Vor dem Hintergrund der Konflikte um den Iran und Nordkorea erhält in diesem Jahr die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, ICAN, den Friedensnobelpreis. Die Organisation werde für ihren Kampf für eine atomwaffenfreie Welt gewürdigt, teilte das Nobelpreis-Komitee am Freitag in Oslo mit.

Der Friedensnobelpreis ging heuer an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ican). Geschäftsführerin Beatrice Fihn mit ican-Koordiantor Daniel Hogstan und ihrem Ehemann Will Fihn Ramsay.
Der Friedensnobelpreis ging heuer an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ican). Geschäftsführerin Beatrice Fihn mit ican-Koordiantor Daniel Hogstan und ihrem Ehemann Will Fihn Ramsay.
Beatrice Fihn und Grethe Ostern.
Beatrice Fihn und Grethe Ostern.
Keine 20 Quadratmeter misst das Büro, in dem die Internationalen Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (Ican) in Genf sitzt. Vier Leute teilen sich die unscheinbaren Räumlichkeiten.
Keine 20 Quadratmeter misst das Büro, in dem die Internationalen Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (Ican) in Genf sitzt. Vier Leute teilen sich die unscheinbaren Räumlichkeiten.
Friedensnobelpreis an internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung.
Friedensnobelpreis an internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung.
Daniel Hogstan und Beatrice Fihn.
Daniel Hogstan und Beatrice Fihn.
Die Chefin des norwegischen Nobel-Komitees, Berit Reiss-Andersen, gab am Freitag um 11 Uhr in Oslo bekannt, wer heuer den Friedensnobelpreis erhält.
Die Chefin des norwegischen Nobel-Komitees, Berit Reiss-Andersen, gab am Freitag um 11 Uhr in Oslo bekannt, wer heuer den Friedensnobelpreis erhält.
Chefin des norwegischen Nobel-Komitees, Berit Reiss-Andersen.
Chefin des norwegischen Nobel-Komitees, Berit Reiss-Andersen.
Der Friedensnobelpreis ging heuer an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ican). Geschäftsführerin Beatrice Fihn mit ican-Koordiantor Daniel Hogstan und ihrem Ehemann Will Fihn Ramsay.
Der Friedensnobelpreis ging heuer an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ican). Geschäftsführerin Beatrice Fihn mit ican-Koordiantor Daniel Hogstan und ihrem Ehemann Will Fihn Ramsay.
Der Friedensnobelpreis ging heuer an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ican). Geschäftsführerin Beatrice Fihn mit ican-Koordiantor Daniel Hogstan und ihrem Ehemann Will Fihn Ramsay.
Der Friedensnobelpreis ging heuer an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ican). Geschäftsführerin Beatrice Fihn mit ican-Koordiantor Daniel Hogstan und ihrem Ehemann Will Fihn Ramsay.

Das Bündnis von rund 450 Mitgliedsorganisationen hat maßgeblich am UN-Verbotsvertrag von Nuklearwaffen mitgewirkt, der im Juli unterzeichnet wurde und von 122 Staaten - darunter Österreich - unterstützt wird. "Wir leben in einer Welt, in der das Risiko, dass Atomwaffen eingesetzt werden, so groß ist wie schon lange nicht mehr", sagte die Vorsitzende des Nobelpreis-Komitees, Berit Reiss-Andersen. "Einige Staaten modernisieren ihre nuklearen Arsenale, und die Gefahr, dass sich weitere Länder Atomwaffen beschaffen, ist real, wie es Nordkorea zeigt."

ICAN erhalte die Auszeichnung für ihre Arbeit, mit der sie auf die "katastrophalen humanitären Folgen" von Atomwaffen aufmerksam mache und für ihre "bahnbrechenden Bemühungen", ein Verbot solcher Waffen auf Basis eines Vertrags zu erreichen. Der diesjährige Friedensnobelpreis sei auch ein Aufruf an alle Atommächte, "ernsthafte Verhandlungen mit dem Ziel einer schrittweisen, ausgewogenen und sorgfältig überprüften Vernichtung der fast 15.000 Atomwaffen in der Welt zu beginnen", sagte Reiss-Andersen.

Die ICAN-Vorsitzende Beatrice Fihn bezeichnete die Auszeichnung als "große Ehre" und rief zur nuklearen Abrüstung auf. Angesichts der "großen Spannungen in der Welt" sei "jetzt der geeignete Moment, dass die Nationen unmissverständlich Nein zu Atomwaffen sagen", erklärte sie am Sitz der Organisation in Genf. "Abrüstung ist kein frommer Wunsch, sondern eine dringende humanitäre Notwendigkeit", so Fihn.

Nadja Schmidt, Obfrau der österreichischen ICAN-Sektion, erklärte gegenüber der APA, die Auszeichnung sei "ein Tribut für den jahrzehntelangen Einsatz der Zivilgesellschaft sowie für die Opfer von Hiroshima und Nagasaki und die Opfer von Atomtests". Als die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen im Jahr 2007 mit der Idee gestartet sei, einen Verbotsvertrag für Atomwaffen zu verwirklichen, sei "die Idee eher belächelt worden", so Schmidt. Durch die in diesem Jahr erfolgte Verabschiedung eines UN-Verbotsvertrags von Nuklearwaffen habe man aber gezeigt, dass das Engagement sehr wohl eine Auswirkung haben könne.

ICAN war im Jahr 2007 am Rande einer Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag in Wien von mehr als 300 Nichtregierungsorganisationen gegründet worden. Sie setzte sich unter anderem für das Verbot von Atomwaffen ein, das am 7. Juli von 122 UN-Mitgliedstaaten beschlossen worden war. Der Vertrag tritt in Kraft, wenn 50 Staaten ihn ratifiziert haben. ICAN hofft, dies bis Ende 2018 zu erreichen. Initiiert wurden die Verhandlungen über den Vetrag in der UNO 2014 von einer kleinen Staatengruppe, zu der unter anderen Österreich und Irland zählten.

Kritiker sehen die Vereinbarung als symbolisch an, weil die Atommächte sie nicht unterzeichnet haben. Atomkraftgegner hatten den Vertrag dagegen als "historisch" bezeichnet. Er verbietet erstmals die Entwicklung und Lagerung von Atomwaffen und untersagt auch bereits die Drohung mit einem Atomschlag.

"Der Glaube einiger Regierungen, dass Atomwaffen eine legitime und wesentliche Quelle für Sicherheit sind, ist nicht nur fehlgeleitet, sondern auch gefährlich", erklärte ICAN. "Alle Nationen sollten diese Waffen vollständig ablehnen - bevor sie jemals wieder benutzt werden." Derzeit sind neun Staaten im Besitz von Atomsprengköpfen: die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Indien, Pakistan, China, Nordkorea sowie Israel.

Nach mehreren nordkoreanischen Atomwaffen- und Raketentests war in den vergangenen Monaten die Sorge vor einem Atomkonflikt gestiegen. US-Präsident Donald Trump hatte Nordkorea Ende September mit "völliger Zerstörung" gedroht. Außerdem ist Trump ein Gegner des Nuklearabkommens, das die fünf UN-Vetomächte und Deutschland 2015 mit dem Iran abgeschlossen hatten. Diplomaten fürchten eine Abkehr der USA von dem Abkommen.

Nach Auffassung von ICAN wirft die Präsidentschaft von Donald Trump in den USA ein "Schlaglicht" auf die Bedrohung der Welt durch Nuklearwaffen. Die ICAN-Vorsitzende Beatrice Fihn sagte am Freitag in Genf, viele Menschen fühlten sich nach Trumps Wahl im vergangenen Jahr "sehr unwohl" bei dem Gedanken, dass "er allein den Einsatz von Atomwaffen genehmigen" könne. Die Schwedin merkte kritisch an, dass der US-Präsident nicht immer auf Experten zu hören scheine. Seine Präsidentschaft zeige, wie bedrohlich atomare Waffen seien. Diese böten "keine Sicherheit und keine Stabilität", fügte Fihn hinzu und stellte damit das Prinzip der atomaren Abschreckung infrage.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die wegen ihrer Beteiligung am Atomdeal mit dem Iran selbst für den Friedensnobelpreis gehandelt worden war, begrüßte die Auszeichnung für ICAN. "Wir teilen ein starkes Engagement, das Ziel einer atomwaffenfreien Welt zu erreichen."

Bundespräsident Alexander Van der Bellen gratulierte der Organisation am Freitag. "Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, für eine Welt ohne Atomwaffen einzustehen", schrieb Van der Bellen auf Twitter.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) begrüßte die Auszeichnung der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen und erklärte, ICAN sei "ein großartiges Beispiel, dass die Zivilgesellschaft auch international Großes erreichen kann, wenn sie für eine gute Sache entschieden eintritt". Kurz dankte der NGO "für die phantastische Partnerschaft, die wir auch nach der Vertragsunterzeichnung am 20. September natürlich fortsetzen, um möglichst viele Länder für den Verbotsvertrag zu gewinnen und auch darüber hinaus auf eine Eliminierung von Atomwaffen hinzuarbeiten".

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg reagierte zurückhaltend. Der von der Organisation maßgeblich unterstützte UNO-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen bringe das Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen nicht näher, kritisierte der Norweger in einer Stellungnahme. In Wahrheit gefährde er sogar die Fortschritte bei der Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen. "Die NATO bedauert es, dass die Voraussetzungen für nukleare Abrüstung derzeit nicht vorteilhaft sind", kommentierte Stoltenberg. Solange Atomwaffen existierten, werde die Allianz ein atomares Bündnis bleiben.

Der Friedensnobelpreis wird seit 1901 verliehen und wurde vom Erfinder des Dynamits, dem schwedischen Industriellen Alfred Nobel, gestiftet. Die Auszeichnung ist mit umgerechnet 945.000 Euro dotiert und wird am 10. Dezember in Oslo überreicht.