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Hirst-Schau in der Tate Modern Schnapp Dir die Kohle, Hai!

Damien Hirst verscherbelt auf einer Schau in London Kopien seiner Werke für Tausende Pfund als Souvenirs. Ist der britische Künstler nun ein zynischer Finanzhai oder ein kreativer Selbstvermarkter? Wir wollten es genauer wissen - und zeigen Hirsts Welt in zehn Zahlen.

London/Hamburg - Der Brite Damien Hirst gilt als einer der einflussreichsten Gegenwartskünstler - und gleichzeitig als einer der umstrittensten. Hirst hat in einem seiner Werke den Tanz ums goldene Kalb kritisiert, indem er ein in Formaldehyd eingelegtes Rindvieh mit goldenen Hörnern ausstaffierte.

Dennoch wird ihm oft vorgeworfen, dass er trotz seiner demonstrativ zur Schau getragenen Anti-Kunstmarkt-Haltung die Sammler, Galerien und Auktionshäuser in Wahrheit doch sehr gern hat. Denn die haben ihn zu einem der reichsten Künstler der Gegenwart gemacht.

Der Vorwurf ist vielleicht nicht ganz unberechtigt. Auch mit seiner am Mittwoch startenden Werkschau in der Tate Modern in London soll offenbar auf jedem erdenklichen Wege Kasse gemacht werden. Merchandise-Artikel zu seinen Werken werden dort für Wucherpreise unters Volk gebracht. Hirst freilich verteidigt auch dies: "Das Kunstwerk ist die eine Sache, die andere ist, es bekannt zu machen", sagt er. "Ich war immer zwischen beiden Seiten hin- und hergerissen."

Fotostrecke

Damien Hirst in der Tate Modern: Ein Souvenir für 44.000 Euro

Foto: Matt Dunham/ ASSOCIATED PRESS

Hin- und hergerissen ob der Mischung aus Kunst und Kommerz dürften auch die Besucher der Ausstellung sein. Anlass genug, eine kleine Bilanz zu Hirst und seinem Werk zu ziehen. Und zwar wie es sich für eine richtige Bilanz gehört, in Zahlen. Was könnte passender sein bei einem Kunst-Unternehmer?

44.000
Die Preise der Souvenirs, die es bei der Hirst-Schau zu kaufen gibt, haben es in sich. Ein bunt lackierter Plastikschädel in Anlehnung ans Original-Werk "For the love of God" kostet 36.800 Pfund, rund 44.000 Euro. Erschwinglicher: Für 700 Pfund gibt es, immerhin in limitierter Auflage, eine Tapetenrolle mit einem Schmetterlingsmotiv des Künstlers. Für 480 Pfund: ein gepunktetes Skateboard.

8601
"Diamonds are forever"? Von wegen. Dass Reichtum vergänglich ist, soll Hirsts berühmter Diamantschädel verkörpern - Glitzern auf der Schädelglatze, sozusagen. Das Werk "For the love of God" ist mit 8601 Diamanten besetzt, die den gesamten Platinum-Abguss eines echten Totenschädels bedecken. Auf der Stirn thront ein 52-Karat-Diamant.

5617
Ein echter Hirst? Da erscheinen selbst leidenschaftlichen Autogramm-Jägern die Pfundnoten in den Augen. Ein Taxifahrer konnte sein Glück offenbar kaum fassen, als ihm sein berühmter Fahrgast eine Hai-Skizze hinterließ - zum Dank für "A great Drive" - "Eine tolle Fahrt". Das fand der Chauffeur auch. Er versteigerte sein Autogrammbuch mit der Kritzelei und erzielte dabei laut BBC eine stattlich Summe: 4664 Pfund, umgerechnet etwa 5617 Euro!

500
Greift die Kommerz-Kritik an Hirst vielleicht doch zu kurz? Die "Huffington Post" berichtet , dass der Künstler in seiner Wahlheimat, der britischen Grafschaft Devon, 500 Eco-Häuser bauen lassen will. Aber geht es ihm dabei wirklich darum, ein Zeichen für nachhaltige Entwicklungen in Großbritannien zu setzen? Oder werden, wie in dem Bericht spekuliert, auch die Türen dieser Gebäude mit Diamanten besetzt sein?

15
Ebenfalls bei Hirsts Werkschau in London  zu sehen: Sein in Formaldehyd eingelegter Tigerhai aus dem Jahr 1991, ein knapp vier Meter langes weibliches Exemplar in einem Aquarium voller Chemikalien. Das Werk trägt den Namen "The Physical Impossibility of Death in the Mind of Someone Living", also etwa: "Die physische Unmöglichkeit des Todes in der Vorstellung eines Lebenden". Der Hai begründete den Ruhm des Künstlers, hatte aber nur eine kurze Lebensdauer von rund 15 Jahren: Im Jahr 2006 begann das präparierte Tier, sich aufzulösen. Hirst ersetze es. Solange es noch Haie gibt, fließt also weiterhin Geld in die Kasse. Oder anders formuliert: Hirsts unkompliziertes Verständnis von der Austauschbarkeit von Kunst kann offenbar kein Wässerchen trüben.

Zehn
Hirst hat sich zuletzt auch als Cover-Künstler versucht - für die Platte "I'm with you", das Studio-Album Nummer zehn der US-Band Red Hot Chili Peppers: Mit dem Foto einer dicken Fliege, die auf einer rot-weißen Pille sitzt.

Fünf
Die Entfernung vom Studenten bis zum Kunstmillionär beträgt rund fünf britische Meilen. So weit - gut 8000 Meter - ist der Weg von der Tate Modern zu den Londoner Docklands, wo Hirst als 23-Jähriger im Juli 1988 mit Kommilitonen die Ausstellung "Freeze" organisierte und damit den fabelhaften Ruf der Young British Artists begründete. Mit dabei war mit einigen Frühwerken die heute ebenfalls international gefragte Künstlerin Sarah Lucas.

Drei
Damien Hirst lebt zusammen mit Maia Norman, früher Surf-Punk-Lady, heute Designerin für das Mode-Label Mother of Pearl. Nach Jahren wilder Partys wohnt das Paar heute eher zurückgezogen mit seinen drei Söhnen Connor, Cassius und Cyrus in einem Bauernhaus im britischen Devon.

Eins
Moderne Kunst ist Müll? Zumindest fällt die Unterscheidung von trash und art nicht immer ganz leicht - und so überdauert ein Werk schon mal nur eine einzige Nacht: Als der Putzmann Emmanuel Asare im Herbst 2001 eines Morgens zur Arbeit kam, warf er laut "Guardian" einen Aschenbecher in die Tonne, der in der Galerie "Eyestorm" nebst leeren Bierflaschen und halbvollen Kaffeetassen arrangiert war. Asare hielt ihn für das Überbleibsel einer Party. Damit hatte er sogar recht. Aber Hirst, damals war er 35 Jahre alt, hatte den Ascher am Abend zuvor spontan als Teil einer Installation arrangiert - und dessen Preis damit auf Tausende Pfund vervielfacht.

Null
Die Zahl der Bilder seiner Werke, die Damien Hirst zum Abdruck frei gegeben hat, nachdem er eine Geschichte im Kunstmagazin "Monopol" nicht im Vorfeld lesen durfte: null.

"Damien Hirst", Tate Modern Gallery, London, 4. April bis 9. September, www.tate.org.uk 

mit Material der dpa