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Nazi-Slogan CDU stoppt Kampagne "Jedem das Seine"

Die Schüler-Union in Nordrhein-Westfalen wollte gegen Gemeinschaftsschulen protestieren und wählte dafür ausgerechnet das Motto "Jedem das Seine" - einst prangte es über dem KZ Buchenwald. Jetzt machte die CDU eine Notbremsung, die Schüler-Union hat sich entschuldigt.

Das hätte man wissen können, genauer: Das hätte man wissen müssen. Der Slogan "Jedem das Seine" zu einer bildungspolitischen Kampagne der Schüler-Union hat in Nordrhein-Westfalen für beträchtlichen Wirbel gesorgt. Die der CDU nahestehende Organisation hatte sich gegen Gemeinschaftsschulen gewandt und für den Erhalt des gegliederten Schulsystems geworben. Und dafür wählten die Jugendlichen das Motto "Nicht jedem das Gleiche, sondern jedem das Seine".

Dieser Spruch ist historisch extrem belastet - er stand über dem Eingang zum Konzentrationslager Buchenwald nahe Weimar. Ursprünglich wurde er geprägt vom römischen Staatsmann und Philosophen Cato dem Älteren, später von den Nationalsozialisten missbraucht.

Die Jusos in der SPD reagierten mit scharfer Kritik auf den Slogan. Es zeuge von einer "unsäglichen Unkenntnis über unsere eigene Geschichte, dass so etwas in einer politischen Jugendorganisation nicht eingeordnet werden kann", sagte Juso-Landeschef Christoph Dolle.

Auch die Landesschülervertretung fand klare Worte: Die Schüler-Union habe "eine sehr deutliche Beziehung" zum Nationalsozialismus hergestellt; "einen solch geschichtsträchtigen Satz bewusst im Bezug auf ein wünschenswertes Schulsystem zu verwenden, zeugt von außerordentlicher Dummheit".

Die Landes-CDU ließ die Verwendung von "Jedem das Seine" stoppen. "Um jede Form der Missdeutung zu vermeiden, werden wir die Schüler-Union veranlassen, den Text zu ändern", sagte Hendrik Wüst, Generalsekretär der CDU in Nordrhein-Westfalen, am Mittwoch. "Die Kampagne 'Deine Stimme für die Mehrgliedrigkeit' findet unsere volle Unterstützung. Der Plan der Sozialdemokraten, Haupt-, Realschulen und Gymnasien abzuschaffen, wird von uns entschlossen bekämpft", so Wüst weiter.

Kette von Entgleisungen auch bei Firmen

Die Schüler-Union Nordrhein-Westfalen hat sich bereits entschuldigt. "Wir bedauern diesen Fehler sehr und bitten unsere historische Unwissenheit diesbezüglich zu entschuldigen", erklärte der Landesvorsitzende David Winands in Düsseldorf. Am Mittwochnachmittag wurde die entsprechende Internetseite überarbeitet. Die CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union verlangt, dass ihr die überarbeitete Kampagne vor Veröffentlichung zur Genehmigung vorgelegt wird.

Vor der Schüler-Union hatten sich bereits der Kaffee-Konzern Tchibo und die Tankstellenkette Esso blamiert - und das erst vor einigen Wochen. Im Januar verwendeten die beiden Unternehmen den Slogan "Jedem den Seinen" in einer gemeinsamen Werbekampagne. Der Zentralrat der Juden in Deutschland reagierte empört - das Plakat sei entweder eine "nicht zu überbietende Geschmacklosigkeit" oder ein Beispiel "totaler Geschichtsunkenntnis". Die Firmen zeigten sich einsichtig und stoppten die PR-Aktion; die zuständige Werbeagentur habe die historische Bedeutung des Satzes offenbar nicht erkannt.

Rechtzeitiges, simples Googeln hätte sofort geholfen. Schon vor Tchibo und Esso setzten Firmen aus mangelndem Geschichtsbewusstsein auf den Satz "Jedem das Seine" für die Eigenwerbung: 1998 bewarb Nokia damit austauschbare Handy-Gehäuse und überklebte nach heftigen Protesten die Plakate mit dem Titel eines Theaterstück von Shakespeare "Was ihr wollt", berichtete die "Frankfurter Rundschau".

In die gleiche Falle tappte der Handelskonzern Rewe, in einem Werbeprospekt hieß es: "Grillen: Jedem das Seine". Rewe entschuldigte sich. 1999 verbrannte sich ein Burger-King-Restaurant in Erfurt bei einer Handzettelaktion die Finger an dem heiklen Slogan. Zwei Jahre später warb die Münchner Merkur-Bank mit dem Satz "Jedem das Seine" für verschiedene Kontomodelle.

jol, dpa/ddp

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