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Digitalisierung Nach 142 Jahren: Schweiz stellt das gedruckte Telefonbuch ein – in Deutschland ist es noch lange nicht so weit

Telefonbuch
Telefonbuch: in Deutschland noch kein Auslaufmodell
© Alexander Rüsche / DPA / Picture Alliance
Aus für eine Institution: In der Schweiz stellt der Hersteller des gedruckten Telefonbuchs die "Weissen Seiten" ein. Hierzulande wird es die Wälzer noch einige Zeit geben.

Das erste erschien 1880 in Zürich, mit gerade einmal 98 Einträgen. Das letzte wird in diesem Jahr erscheinen – zumindest in der gedruckten Version. Die Schweiz stellt das Erscheinen des Telefonbuchs nach 142 Jahren ein, wie der Hersteller "Localsearch" bekannt gab. Private Telefonnummern sollen damit ab 2023 nur noch online veröffentlicht werden.

Telefonbuch habe an Relevanz verloren

Grund für den Schritt ist vor allem die Digitalisierung der Gesellschaft. "Mit dem Beginn des digitalen Zeitalters und der Zunahme von unerwünschten Werbeanrufen möchten immer weniger Menschen, dass ihre Telefonnummer in einem öffentlichen Verzeichnis geführt wird", so das Unternehmen. Verstärkt werde diese Entwicklung durch einen Rückgang von Festnetzanschlüssen und durch einer Gesetzesänderung 1997. Seither ist die Veröffentlichung einer Telefonnummer in der Schweiz freiwillig.

"Dieser Wandel macht deutlich, weshalb die Relevanz der 'Weissen Seiten' (so werden die Telefonbücher in der Schweiz genannt; Anm. d. Red.) in den vergangenen Jahren stark abgenommen hat", sagt der CEO von "Localsearch". Das Branchen-Telefonbuch "Gelbe Seiten" solle jedoch in überarbeiteter Form erhalten bleiben.

Auch andere europäische Länder haben das Telefonbuch auf Papier inzwischen abgeschafft, die Niederlande etwa im Jahr 2018.

In Deutschland bleibt alles beim Alten

Und in Deutschland? Bleibt erstmal alles beim Alten. Hierzulande haben gedruckte Telefonbücher noch eine (rückläufige) Auflage von etwa 60 Millionen Stück, so der Verband Deutscher Auskunfts- und Verzeichnismedien laut Nachrichtenagentur DPA. Genutzt werden sie demnach insbesondere von Älteren und Menschen auf dem Land.

Das erste deutsche Telefonbuch erschien 1881 in Berlin, wurde später von der Bundespost und anschließend von der Telekom herausgegeben. Inzwischen erscheinen "Das Telefonbuch", "Das Örtliche", "Gelbe Seiten" und die entsprechenden Online-Ausgaben bei einem Konsortium aus rund 100 Verlagen.

Viele Jahre war die jährliche Herausgabe "eines von der Bundesnetzagentur gebilligten gedruckten öffentlichen Teilnehmerverzeichnisses" in Deutsch verpflichtend. Nach einer Novelle des Gesetzes im vergangenen Jahr müssen keine gedruckten Telefonbücher mehr veröffentlicht werden. Der Europäische Kodex für die elektronische Kommunikation sehe dies nicht mehr vor, teilte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur auf stern-Anfrage mit. "Der deutsche Gesetzgeber hat daher davon abgesehen, diese verpflichtend zu machen."

Doch ein Auslaufmodell sind die Wälzer deswegen noch lange nicht. Sie dienen den Telefonbuchverlagen immer noch als millionenfach gedruckte Werbefläche zum Geldverdienen – ein Aus steht daher zurzeit nicht zur Debatte.

Quellen: "Localsearch", Europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation, Bundesnetzagentur, Nachrichtenagentur DPA

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