Zehn Fakten in fünf Bundesländern

Raubopfer reihenweise betäubt: Polizei klärt Serie

Mittwoch, 20. März 2024 | 12:51 Uhr

Die Polizei hat eine Raubserie geklärt, bei der Ende 2023 die männlichen Opfer reihenweise betäubt wurden. Über Dating-Plattformen wurde der Kontakt zu den Männern im Alter von 56 bis 85 Jahren hergestellt. Bei einem Treffen wurde Betäubungsmittel in das Getränk gemischt. Zwei Frauen und ein Mann sind in Haft. Eine weitere Frau soll bei einem Faktum dabei gewesen sein. Zehn Delikte wurde der ungarischen Bande bisher zugeordnet. Der Schaden beträgt laut Polizei 90.000 Euro.

Die Opfer wurden über die einschlägige Online-Dating-Seiten kontaktiert. Die Tätergruppe erstellten dafür Profile mit Fotos von fremden Frauen. Wenn sich ein Mann meldete, wurden Telefonnummern ausgetauscht. Die Opfer erhielten ungarische Telefonnummern, die nicht mehr rückverfolgt werden können. Danach wurde ein Treffen in der Wohnung bzw. im Haus der Männer vereinbart. Zu diesen Verabredungen kamen eine oder zwei Frauen und es wurde auch etwas getrunken. Dass die Frau bei dem Treffen dann nicht so aussah, wie auf ihrem Profil, ignorierten die Männer. Kommuniziert wurde in ungarischer Sprache und mittels einem Übersetzungstool gedolmetscht. Wenn die Opfer abgelenkt waren oder auf die Toilette gingen, wurde von den Frauen das mitgebrachte Betäubungsmittel in das Getränk gemischt. Das Pulver, bestehend aus Benzodiazepin, Clonazepam Metabolit und 7-Aminoclonazepam, wurde in Saft, Wein oder Bier aufgelöst.

Nach etwa einer Stunde – je nach körperlicher Konstitution – fielen die Männer in eine tiefe Bewusstlosigkeit. Wenn die Opfer betäubt waren, holten die Frauen ihre Komplizen, die währenddessen vor der Tür gewartet hatten. Die Verdächtigen durchsuchten die Räumlichkeiten und rafften dann alles an sich, “was nicht niet- und nagelfest war”, sagte Armin Kuric, stellvertretender Leiter der Außenstelle Nord in Wiener Landeskriminalamt, am Mittwoch bei einem Pressegespräch in Wien. Schmuck, Geld, Uhren nahmen die mutmaßlichen Täter mit, einmal wurde sogar ein Tresor aus der Wand gerissen, so Scheidl. Bei einem Coup erbeuteten die Verdächtigen sogar Wertsachen in der Höhe von 33.500 Euro. Bei einem Raub im Wiener Bezirk Döbling mussten sie sich mit 50 Euro zufrieden geben.

Danach wurde das bewusstlose Opfer zurückgelassen, das erst nach Stunden, manchmal auch am nächsten Tag völlig benommen wieder erwachte. Oft stürzten die Männer aufgrund ihres verwirrten Zustandes und verletzten sich. Manche mussten sogar mehrere Tage in stationärer Behandlung, so die Ermittler. Ein Opfer meinte, er habe bis heute immer noch Schwindelerscheinungen.

Die ungarische Tätergruppe war Mitte September bis Ende Oktober 2023 in fünf Bundesländern – Wien, Burgenland, Oberösterreich, Kärnten und Graz – aktiv, sagte Gerald Scheidl von der Außenstelle Nord im LKA Wien. Im Zuge der Ermittlungen wurde das Lichtbild einer Verdächtigen ausgehoben; mithilfe der Budapester Kriminalpolizei konnte die Identität der Frau festgestellt werden. Im Dezember 2023 wurde dann die 43-Jährige in Wien festgenommen, wo sie bei einem Mann – ohne sich anzumelden – Unterschlupf bekam. Sie war umfangreich zu mehreren Fakten geständig, sagte Scheidl. Kurz vor Weihnachten konnten dann die anderen Verdächtigen in einer Wohnung in Linz dingfest gemacht werden, wo sie unter falschem Namen wohnten. Es handelt sich um einen 52-jährigen Mann und seine 28-jährige Lebensgefährtin. In dieser Wohnung hielt sich auch eine 23-Jährige auf, die bei einem Faktum dabei gewesen sein soll. Während die 43-Jährige und die 23-Jährige geständig waren, verweigerte das Pärchen bisher die Aussage.

Bei der Hausdurchsuchung wurden allerdings Wertgegenstände, die von den Raubdelikten stammen könnten, sichergestellt. Zudem fanden die Ermittler ein Fläschchen mit genau dem Betäubungsmittel, das im Blut von sieben der zehn Opfer gefunden wurde. Durch fortführende polizeiliche Ermittlungen wurden zudem Spuren der Verdächtigen an den Tatorten sichergestellt.

Damit wurde die Raubserie, “durch akribische Kleinstarbeit aufgeklärt”, sagte Kuric. Neben der Außenstelle Nord im LKA Wien waren auch das Bundeskriminalamt, die Kriminaldirektion Budapest, die LKA Oberösterreich, Kärnten sowie Burgenland an den Ermittlungen beteiligt. Die drei Hauptverdächtigen sitzen bereits in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Josefstadt. Die Ermittler rechnen damit, dass die Staatsanwaltschaft Wien bald gegen sie Anklage wegen schweren Raubes erheben wird.

Die Polizei vermutet, dass es weitere Opfer geben könnte, die aus Scham noch keine Anzeige erstattet haben, sagte Ermittler Reinhard Hauer von der Außenstelle Nord im LKA Wien. “Die Dunkelziffer wird relativ hoch sein.” Er empfahl, bei Dating-Plattformen eine gewisse Vorsicht walten zu lassen. Es sei ein großes Risiko, wenn der Erstkontakt in der eigenen Wohnung bzw. im eigenen Haus stattfinde, weil die Gefahr bestehe, dass dort strafbare Handlungen passieren. Kuric appellierte an weitere Opfer, sich bei der Polizei zu melden, denn nur eine Anzeige würde zum Erfolg führen. “Wir wollen ihnen sagen, dass sie sich nicht schämen sollen. Es kann jedem passieren”, so Kuric.

Von: apa

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