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„Der Himmel so weit“: Landschaftsmalerei vom Niederrhein

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Die Wolken gehören dazu: Jan van Goyens „Ansicht von Arnheim“ ist in der Ausstellung auf Schloss Moyland zu sehen.
Die Wolken gehören dazu: Jan van Goyens „Ansicht von Arnheim“ ist in der Ausstellung auf Schloss Moyland zu sehen. © Museum

Von Ralf Stiftel BEDBURG-HAU - Zwei Drittel der Bildfläche von Jan van Goyens „Ansicht von Arnheim“ nimmt der Himmel ein. Der niederländische Meister hat sein Gemälde so realistisch ausgeführt, dass heute ein Meteorologe daran ablesen kann, woher 1646 der Wind wehte: aus Osten. Eine Hochdrucklage.

Wo ist der Himmel höher als über Flachland? Die Vorläufer von van Goyen und Salomon Ruysdael liebten noch zerklüftete Berge, dramatische Wälder. Die Niederländer entdeckten ihre Umgebung als malenswert. Mit ihnen setzt auch die Ausstellung „Der Himmel so weit“ im Museum Schloss Moyland ein. Das Wetter war damals, im 17. Jahrhundert, dem Goldenen Zeitalter der niederländischen Malerei, wichtig geworden. Im ausgehenden 16. Jahrhundert hatte die „kleine Eiszeit“ Europa im Griff, erläutert Franz Ossing in einem lesenswerten Katalogbeitrag. Der Blick in den Himmel war von existenziellen Sorgen gelenkt. Das Land schrumpfte zu einem schmalen Streifen am Bildrand unter mächtigen Wolken. Der Maler Gérard de Lairesse unterstrich die Bedeutung dieses Themas in seinem „Großen Mahler-Buch“: „Eine schöne Lufft ist ein Prob-Stück eines guten Meisters.“

Mit rund 120 Bildern vom Barock bis in die Gegenwart widmet sich die Schau den sehr speziellen Landschaftsdarstellungen der Niederrheinlande, jener Grenzregion zwischen Venlo und Kleve, die man auf dem Weg zum Schloss durchfährt. Und wenn es auch die Autobahn 3 nach Arnheim gibt, dann und wann einen Baumarkt und einige Windräder: So viel hat sich hier nicht geändert. Man findet Ruysdaels Niederrhein durchaus noch wieder.

Die Werkgruppe der Barockdarstellungen mit Arbeiten Ruysdaels und van Goyens, den Pionieren dieser Landschaftskunst, entliehen unter anderem aus dem Rijksmuseum Amsterdam und der Nationalgalerie in Berlin, aber auch von Aelbert Cuyp, Jan Lievens und anderen lohnt allein schon die Fahrt zum Museum. Da sind die Orte des alten Herzogtums Kleve, reiche Handelsstädte wie Nimwegen und Arnheim, die die Künstler anlocken. Auch weil es hier Erhebungen gab, von denen man die Rheinebene überblicken konnte. Abraham Begheyn zeichnete 1696/97 mit der Feder ein mehr als zweieinhalb Meter langes Panorama, in dessen Zentrum Schloss Moyland stand.

In diesen Bildern ist nicht das Drama gefragt, sondern Genauigkeit und der Blick für das Detail. Da bildet Paulus von Hillegaerts Blick über die Stadt Kleve von 1635 eine Ausnahme, denn bei ihm gibt es im Vordergrund ein wildes Handgemenge unter Reitern, vielleicht ein Überfall auf einen Zug mit Händlern, den man etwas weiter hinten erblickt. Die Künstler bereisten die Region und hielten ihre Eindrücke in Skizzen fest, von denen man ebenfalls einige sieht, zum Beispiel eine ganze Serie Kreide-Miniaturen von Jan van Goyen.

Die alten Meister gaben ein Bildideal vor, das über Jahrhunderte gültig blieb. In der Schau sieht man Gerhard Richters 1969 gemalte „Landschaft bei Hubbelrath“: flaches Land unter hohem Himmel. Und Andreas Gurskys Fotografie „Rhein II“ (1999) folgt dem selben Prinzip: Der per Fotoshop von Bauten und Menschen befreite Fluss samt grünen Uferstreifen hat als Streifenmuster so viel Platz wie der graue Himmel. Und der Maler Ulrich Erben fotografierte im letzten Jahr gleich nach oben, nichts als Wolken vor strahlendem Blau.

Dazwischen entfaltet sich noch die Malerei des 19. Jahrhunderts, wo die Rheinlandschaft als Thema eine erste Renaissance feierte. Niederländische Maler wie Barend Cornelis Koekkoek, der die große Buche vor Schloss Moyland gleichsam porträtiert (1840), kamen hierher ebenso wie die Romantiker der Düsseldorfer Malerschule. In ihren Werken klingt noch das Ideal von Ruysdael und seinen Zeitgenossen nach. Van Goghs Mentor Anton Mauve malt Kühe an der Tränke bei Oosterbeek (1858) und eifert dem großen Paulus Potter nach. Und auch der Düsseldorfer Carl Seibels schaut dem Vieh beim Grasen zu (1869). Pieter Franciscus Peters zeigt eine Schleuse im Mondschein (1846), wunderbar romantisch.

Andere folgen in die „unendliche Weite, scheinbar eintönig und gleichförmig“, wie es der Autor Ludwig Mathar 1935 formulierte. Die rheinischen Expressionisten zum Beispiel, Walter Ophey und Hellmuth Macke. Und die berühmten Fotografen wie August Sander und Albert Renger-Patzsch. Von ihnen allen findet man in dieser so stimmigen Schau Bilder, die den besonderen Reiz dieser Landschaft einfangen. Und für besonders Unternehmungslustige bietet das Museum noch eine Handy-App und Infomaterial, mit dem man exakt die Orte aufsuchen kann, an denen ein van Goyen oder Koekkoek gemalt haben. Da kann man das alte Bild mit der gegenwärtigen Realität vergleichen.

Bis 24.8., di – fr 11 – 18, sa, so 10 – 18 Uhr, Tel. 02824/ 95100, www.moyland.de, Katalog, Kerber Verlag, Bielefeld, 29 Euro

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