„Absolut Lang“, „Absolut Galliano“, „Absolut Blahnik“: Als Helmut Newton 1995 seine Schwarz-Weiß-Serie für die schwedische Wodka-Marke Absolut, bei der es sich genauso um eine Fotostrecke in einem Hochglanzmagazin handeln könnte, mit diesen Slogans beschrieben ließ, waren die Bereiche Werbung und Editorial eigentlich noch strikt getrennt. Doch Helmut Newton unterschied kompositorisch und stilistisch nicht zwischen beidem. In der Berliner Helmut Newton Foundation widmet sich nun die neue Ausstellung „Helmut Newton. Brands“ diesem Teil der Karriere des großen Künstlers.
Was den Modefotografen, der 1920 in Berlin geboren wurde, an der Werbung gereizt hat, weiß Matthias Harder, Direktor der Foundation: „Wenn er für die französische und insbesondere amerikanische ‚Vogue‘ fotografiert hat, wurden ihm bei der Inszenierung eher Fesseln angelegt, bei der Werbung bekam er eine Carte Blanche.“
Um als Modefotograf in Paris arbeiten zu können, hielt sich Helmut Newton schon in den Vierzigern und Fünfzigern auch mit kommerziellen Arbeiten über Wasser. Nachdem er sein Ziel erreicht hatte und Modestrecken für die französische „Vogue“ realisiert und sein künstlerisches Image etabliert hatte, kehrte er in den Neunzigern zunehmend zur kommerziellen Arbeit zurück, mit der er inzwischen wesentlich mehr Geld verdienen konnte.
Selbstironisch nannte er sich auch „a gun for hire“, was man mit Auftragskiller übersetzen kann, und so hieß auch die Ausstellung seiner kommerziellen Fotografie, die kurz nach seinem Tod 2005 zunächst im Grimaldi Forum in Monaco und anschließend in der Berliner Stiftung zu sehen war. Die aktuelle Ausstellung knüpft an diese an und zeigt über 200 Aufnahmen, die vor allem in den 1980er- und 1990er-Jahren für zahlungskräftige Werbeagenturen und Industriekunden entstanden sind, meist in und um Monaco.
Mit etwa 10.000 DM Tagesgage galt er damals als teuerster Werbefotograf der Welt. Zu seinen Kunden zählten Tabakwarenfirmen wie Philip Morris und Dannemann, der Turiner Kaffeeröster Lavazza, der italienische Winzer Ca‘ del Bosco oder der österreichische Heimwerkermarkt Bauwelt.
Egal für welchen Kunden, Newton blieb immer nah an seiner Bildsprache. Überraschend, originell, provokant und manchmal ironisch selbstzitierend, das zeichnete Newton aus, und das wurde explizit auch in der Werbung gewünscht. Gut zu erkennen etwa in den Aufnahmen für Wolford: Die Models, ausschließlich mit hauchzarten Strumpfhosen bekleidet, inszenierte er zusammen mit Ölfässern auf Betonblöcken vor der Küste von Monaco. „Als naughty boy durfte er das“, sagt Harder, „eine extreme Spannung aufbauen und komplett auf luxuriöses Interieur verzichten.“
Auch bei einer Fotografie, die er 1991 im Auftrag von Yves Saint Laurent realisierte, spielt viel von dem Charakter seiner Arbeit hinein. Newton erzählt hier eine ganze Geschichte zu einem goldenen Kleid: Das Model, in einem mit rotem Teppich ausgekleideten Zimmer telefonierend, könnte aus einer Filmszene von Alfred Hitchcock stammen.
Und eine Werbe-Serie für die Viagra-Alternative Levitra weist deutliche Referenzen an Stanley Kubricks Verfilmung von Arthur Schnitzlers erotisch aufgeladener Traumnovelle auf: ein spärlich bekleidetes Model, Geldscheine, leere Pillenblister und eine handgeschriebene Notiz „Liebling, es war wunderbar“. Sofort geht der Film im Kopf los und verankert alles im Gedächtnis. „Er war generell unglaublich nah an der Kinematografie“, erklärt Harder, „was er auch in die Werbefotografie übersetzte“.
Sein Stil hat oft auch Auswirkungen auf das Image der Marken, die ihm vertraut zu haben scheinen. Bei einer Kampagne für Chanel blitzt ein Brustansatz im ungewöhnlich tief ausgeschnittenen Tweedjäckchen hervor – überraschenderweise geduldet von der Traditionsmarke, die lieber bedeckte, als offenzulegen. Bei einem Motiv für eine Uhr von Paul Picot zerkratzt eine Frau mit ihren lackierten Findernägeln den Rücken eines Mannes. Und mit diesem bisschen Sex gelingt es ihm sogar, Kaffee aufregend zu inszenieren.
Dass Helmut Newton noch mit 81 Jahren so zeitgenössisch gearbeitet hat, gehört zum großen Erfolg des Fotografen. Teilweise nahm er mit seinen Arbeiten sogar eine gewisse Ästhetik vorweg. Er nahm sie bevorzugt bei Tageslicht auf und in Kulissen seiner direkten Umgebung, etwa in seiner Wohnung in Monte Carlo, der Tiefgarage, in den Prachtvillen seines gut betuchten Freundeskreises. Diese Ästhetik kennt man heute von Instagram, wo die Nutzer versuchen, mit authentischem Storytelling sichtbarer zu werden. Dort bleiben die Bilder allerdings eher selten im Gedächtnis, denn dazu braucht es eben auch die ein oder andere Provokation. Oder zumindest ein Paar Brüste, und die werden bei Instagram ja sofort gepixelt.