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Politik Politikerkritik

Roman Herzog, der ewige Ruck-Redner

Roman Herzog. Roman Herzog.
Roman Herzog kritisiert zum zweiten Mal die deutsche Politik
Quelle: DPA
Alt-Bundespräsident Roman Herzog war schon immer ein Freund deutlicher Worte. In seiner Ruck-Rede vor über zehn Jahren kritisierte er schon einmal Deutschlands Elite. Wenn er das aktuelle politische Personal sehe, dann wisse er nicht, ob er "lachen oder weinen soll", sagte er dieses Mal. In seiner Partei kommt das nicht gut an.

Roman Herzog ist vermutlich das, was der Philosoph Odo Marquard unter einem „Revoltiergreis“ versteht. In dem Buch, das morgen offiziell erscheint – „Mut zum Handeln“ (Campus Verlag) – geht der Alt-Bundespräsident hart mit dem politischen Personal der Gegenwart ins Gericht. Auch das Volk gerät nicht zur Zufriedenheit Herzogs: es „bewegt sich nicht“. „Wenn ich mir das aktuelle Personal anschaue“, so der CDU-Politiker in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung, „dann weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll“.


Erst in der vergangenen Woche hatte der 74-Jährige die Republik mit der Warnung vor der „Rentnerdemokratie“ aufgeschreckt, in der die Alten die Jungen ausnähmen. Der „Konvent für Deutschland“, ein „Beratergremium“ dessen Vorsitzender Herzog ist, hat sich einer Art „permanenten Revolution“ verschrieben: es gehe nicht um „Reformen in einzelnen Bereichen“, heißt es einer Selbstbeschreibung, sondern „um eine grundlegende ‚Reform der Reformfähigkeit', eine so genannte ‚Mutter aller Reformen'“, mit deren Hilfe Deutschland wettbewerbsfähiger werden soll.


Von der „Bild“ befragt, welches denn die dringendste Maßnahme wäre, die Großmutter aller Reformen quasi, fordert der Alt-Bundespräsident, jeder Antrag an eine Behörde solle als genehmigt gelten, wenn nicht binnen drei Monaten über ihn entschieden wäre.

Nicht die erste Ruck-Rede

Der 1934 in Landshut geborene Jurist hatte schon seiner berühmten „Ruck-Rede“ von 1997 („Meine Jahre in der Politik“) zur großen Jeremiade angesetzt: „Ich vermisse bei unseren Eliten in Politik, Wirtschaft, Medien und gesellschaftlichen Gruppen“, so hatte Roman Herzog damals im Berliner Hotel Adlon gesagt, „die Fähigkeit und den Willen, das als richtig Erkannte auch durchzustehen.“ Es könne ja sein, dass einem einmal der Wind der öffentlichen Meinung ins Gesicht bläst. „Unser Land befindet sich aber in einer Lage, in der wir es uns nicht mehr leisten können, immer nur den Weg des geringsten Widerstands zu gehen.“

Wen er mit den Eliten meint, die nun zu „charismatischer Führung“ aufgerufen sind, kann man früheren Schriften Herzogs entnehmen. In seinen Erinnerungen „Jahre der Politik“ erklärt er, „wenn ich mich in meinem Leben auch mitunter überschätzt habe, so ging ich doch davon aus, dass ich besser als viele andere imstande gewesen wäre, eine große Koalition zu erzwingen und auch über einen ausreichenden Zeitraum aufrechtzuerhalten. Zusammen mit einem Staatsvolk, das auf mich hörte, hätte ich das mit ziemlicher Sicherheit bewirken können.“

Die Schelte des ängstlichen, sich an den Staat klammernden Volkes – früher ein Privileg der Linken – betreibt gelegentlich auch Amtsnachfolger Horst Köhler. Auch er präsentiert sich oft als Anti-Politiker über den schmuddeligen Wassern des Betriebs, als Zuchtmeister eines erschlafften Gemeinwesens ohne Richtung. Er kann dafür auf ähnliche Beliebtheitswerte verweisen wie Johannes Rau. In der Rede zum 50. Bestehen der Führungsakademie der Bundeswehr war in jedem dritten Satz von „Elite“ und „Führung“ die Rede. Köhler, der wie alle Bundespräsidenten vor ihm sein Amt nicht zuletzt einer politischen Absprache zwischen den Parteien verdankt, forderte zur allgemeinen Überraschung vor einiger Zeit die Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk.


Sowohl Herzog als auch Köhler sind mit der Reformagenda der Bundeskanzlerin aus ihren wagemutigen Leipziger Tagen verbunden. Die Herzog-Kommission, in der neben dem ehemaligen Bundespräsidenten auch Politiker wie Friedrich Merz und Maria Böhmer saßen, aber auch der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof, formulierte einige der Grundsätze, mit denen dann die CDU bei der Wahl 2005 so viele Stimmen verlor – allen voran die Entkoppelung der Sozialbeiträge von den Einkommen.

Auch Köhler stand für die Reformagenda: er forderte „Vorfahrt für Arbeit“ und kündigte an, da ein notfalls „unbequemer“ Präsident zu sein. Nicht zuletzt deshalb stützt ihn auch die FDP.

Reaktionen auf Herzog

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Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler hat Altbundespräsident Roman Herzog Beleidigung der Rentner vorgeworfen. „Eine Lösung des Problems Alterssicherung kann man nicht erreichen, indem man die Jungen gegen die Alten aufhetzt, sondern nur durch einen Austausch von Argumenten und die Bereitschaft von Jungen und Alten, einen Beitrag zu leisten“, sagte Geißler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Entscheidung für die Rentenerhöhung nannte der 78-Jährige „in Ordnung. Kein Junger ist so dumm zu glauben, seine Zukunft werde durch die Rentenerhöhung von 1,1 Prozent gefährdet. Selbstverständlich werden auch die Älteren wie bisher ihren Beitrag leisten müssen. Aber ständige Nullrunden, Altersarmut und dann auch noch Beleidigungen zum Beispiel durch den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog haben sie nicht verdient.“

Geißler ist Mitglied des „Initiativkreises Zusammenhalt der Generationen“, der sich am Mittwoch im Konrad-Adenauer-Haus konstituiert und dem neben den Vorsitzenden der Jungen Union und der Senioren-Union, Philipp Mißfelder und Otto Wulff, der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, und der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bernhard Vogel, angehören. Der Kreis, der auf einen CDU-Vorstandsbeschluss Anfang Januar in Wiesbaden zurückgeht, soll im nächsten Jahr Ergebnisse vorlegen.

Weder in der CDU-Fraktion noch im Konrad-Adenauer-Haus wollte man Herzogs Einlassungen kommentieren. Im Hintergrund heißt es, Herzog benutze unorthodoxe Methoden, seine Bücher an den Mann zu bringen.

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