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WM 2010 Sieg gegen England

DFB-Torhüter Neuer zwischen Himmel und Hölle

Manuel Neuer legte gekonnt zur Führung von Miroslav Klose auf und reagierte blitzschnell beim nicht gegebenen Treffer der Engländer.

Vor dem Spiel wurde viel über die Torhüter diskutiert. Das lag kurioserweise weniger an dem jungen Manuel Neuer (24), der ein solch wichtiges Spiel noch nie für die Nationalmannschaft bestritten hatte, als vielmehr an David James, mit 39 Jahren ältester WM-Teilnehmer, der aber irgendwie als Wackelkandidat Englands bekannt ist und damit als großer Hoffnungsträger der Deutschen herhalten durfte. Nach dem Spiel wurde über Neuer diskutiert – weil er den 90 Minuten weit mehr seinen Stempel aufgedrückt hatte.

Lange wurde Neuer nicht geprüft, und seine gefährlichste Szene hatte er nach etwa einer Viertelstunde, als er beim Abschlag so viel Gas gab, dass es ihn glatt umhaute im Strafraum. Kaum fünf Minuten später startete einer seiner wahnsinnigen Abschläge den deutschen Achtelfinaltraum gegen England: Es war wieder einmal eine dieser Szenen, in denen Manuel Neuer zeigen konnte, dass an ihm womöglich ein Feldspieler verloren gegangen ist. Er legte sich den Ball für einen Abstoß zurecht und knallte ihn mit unglaublicher Energie nach vorne.

Der Ball flog nicht nur weit, er traf genau die Schnittstelle der englischen Innenverteidigung und fand seinen Weg direkt in den Strafraum. Dort lauerte schon Miroslav Klose, der die Kugel mit dem rechten Fuß an James vorbei ins Netz schlenzte. 1:0 für Deutschland, 1:0 für Neuer. Und James sah man genau so wie man ihn erwartet hatte…

„Das war so mit Miro Klose genau abgesprochen“, sagte Neuer nach dem Spiel. „Miro hat mir ein Zeichen gegeben, dass ich richtig drunter kloppen soll. Wir hatten vorher darüber gesprochen, dass er beim Abschlag nicht im Abseits steht. Wir wussten beide, dass er ihn kriegt.“

So avancierte Neuer zu einer der entscheidenden Personen des Spiels – auch wenn er sich später noch zwei schwere Fehler erlaubte. Seine Vorzüge wurden im Spiel gegen England dennoch offensichtlich. Kaum ein anderer Torwart interpretiert das Spiel so modern wie er – mutig beim Herauslaufen und mit seinen Abwürfen. Dazu Abschläge, die in Weite und Präzision ihres Gleichen suchen. Neuer begründet das gern mit seiner Jugend. Damals, als er seinen ersten Profivertrag erhielt, habe er beim Bolzen mit den Kumpels nicht mehr ins Tor gedurft – also spielte er auf dem Feld. Doch auch im Verein schulte er seine Fähigkeiten mit dem Fuß, in jedem Training. „Irgendwann konnte ich das im Schlaf“, sagt Neuer über das Passtraining, das er stets mit den Feldspielern zusammen absolvierte.

Auch dass er zunächst auf Asche trainieren musste, hat seiner Karriere nicht geschadet. Im Gegenteil: Die Bälle, erinnert sich Neuer, seien damals immer so komisch gesprungen. „Da musste man höllisch aufpassen. Wichtig war dann, dass man nicht zu weit nach vorne gegangen ist“, hat Neuer einmal gesagt – und damit die Flugeigenschaften des WM-Balles „Jabulani“ in der südafrikanischen Höhenluft ziemlich präzise beschrieben.

Trotz dieser Kenntnisse sah Neuer bei einigen Situationen unglücklich aus und zeigte sein anderes Gesicht, das sie auch bei Schalke 04 gut kennen. Denn so brillant Neuer im Spiel nach vorne ist – bei der Strafraumbeherrschung leistete er sich einige Aussetzer. Den schlimmsten ganz sicher beim Anschlusstreffer der Engländer in der 37. Minute: Gerrard hatte nach einer Ecke vom rechten Strafraumeck geflankt, Boateng ließ Mathew Upson aus den Augen, und Neuer ahnte schon beim Herauslaufen, dass er zu spät kommen würde. Er flatterte mit rudernden Armen Upson entgegen – und am Ball vorbei.

Nur eine Minute später stand Neuer zu weit vor seinem Tor und hatte Glück, dass Schiedsrichter Jorge Larrionda aus Uruguay Frank Lampards Schuss aus 16 Metern nicht gelten ließ. Der Ball prallte von der Latte hinter die Linie, doch Neuer fischte ihn beim Aufspringen blitzartig und lief mit dem Ball nach vorn zum Abwurf. „Ich habe schnell versucht, nach vorne zu spielen, damit die Schiedsrichter nicht daran denken, dass der Ball drin war.“ Die clevere Taktik ging auf.

Erst bei der Dopingprobe sah er selbst, dass der Ball deutlich hinter der Torlinie aufsprang. Zum Glück, und das sah auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) so, kam es am Ende nicht darauf an. „Das war ein klarer, gut herausgespielter Sieg. Gut, dass es nicht auf das nicht gegebene Tor angekommen ist. Darüber können wir die nächsten 30 Jahre diskutieren“, sagte er.

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Neuer vielmehr rettete in der zweiten Halbzeit noch einmal glänzend gegen Englands Kapitän Gerrard. „Wir gehen aus diesem Spiel mit einer breiten Brust und wollen natürlich das Halbfinale erreichen“, sagte er deshalb nach dem Spiel.

Und Bundestrainer Joachim Löw fand: „Das hat schon Spaß gemacht, da zuzuschauen. Heute haben wir mit viel Überzeugung gespielt, mit viel Mut. Es war sicher richtig, dass wir nach der Halbzeit auf das dritte Tor gedrängt haben. Wir wussten, dass die Engländer aufmachen mussten – und wir haben zwei tolle Konter gefahren.“ Auch dank Neuers Schnelligkeit.

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