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Darum kippen Nestlé, Coca-Cola und Co. den Ampel-Test

Freier Korrespondent Handel und Konsumgüter
Ampel-Kennzeichnung für Lebensmittel zur Nährwertkennzeichnung (hier auf einem Tiefkühlprodukt) Ampel-Kennzeichnung für Lebensmittel zur Nährwertkennzeichnung (hier auf einem Tiefkühlprodukt)
Ampelkennzeichnung für Lebensmittel zur Nährwertkennzeichnung (hier auf einem Tiefkühlprodukt)
Quelle: picture-alliance/ dpa
Eigentlich wollten die Lebensmittelgiganten in Kürze eine Nährwertampel testen. Doch weil sich die EU bei der Optik nicht einig wird, wurde der Versuch abgesagt. Zumal sich Brüssel auch in einem weiteren Punkt nicht entscheiden kann.

Eine Gruppe von internationalen Lebensmittelkonzernen kippt einen geplanten Test mit dem Ziel, den Nährwert ihrer Produkte in Europa mit einer Lebensmittelampel zu kennzeichnen. Als Hauptgrund gibt sie an: Frust über die Unfähigkeit der europäischen Institutionen, sich auf eine einheitliche Darstellungsmethode auf den Packungen zu einigen. Verbraucherschützer hatten dagegen von vornherein einen untauglichen Ansatz der Industrie kritisiert.

„Wir hätten wirklich gerne den Test mit farbcodierten Informationen für die Verbraucher durchgeführt“, versicherte der für den Bereich zuständige Nestlé-Manager Bart Vandewaetere am Montag vor Journalisten am Stammsitz des weltgrößten Lebensmittelkonzerns im schweizerischen Vevey. „Aber letztlich haben wir dafür nicht genug Unterstützung gefunden.“

Zu den Firmen zählen einige der weltweit größten Unternehmen der Branche, darunter neben Nestlé auch Unilever (Knorr, Langnese), Mondelez (u.a. Milka, Kraft), PepsiCo (Lay’s-Chips, Softdrinks) und Coca-Cola. Die Begründung der Firmen, wonach aus den Ländern mangelnde Unterstützung komme, klingt zunächst verblüffend, fordern doch Verbraucherschutzorganisationen quer durch Europa seit Langem, dass die Konzerne auf den ersten Blick erkennbare Warnsignale in Form einer roten Nährstoffampel beispielsweise für Nahrungsmittel mit hohem Fett- oder Zuckergehalt drucken.

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In Großbritannien sind Farbkennzeichnungen für den Gehalt an Fett, Zucker und Salz zudem beim Überschreiten bestimmter Grenzwerte schon seit Längerem üblich – zusätzlich zu den obligatorischen Zahlenangaben für Inhaltsstoffe.

Auf dem europäischen Kontinent scheitere eine farbige Kennzeichnung in Grün, gelb und Rot aber an der Unfähigkeit der Regierungen, sich auf eine einheitliche Gestaltung zu einigen, machen die Unternehmen nun geltend. Italien etwa fordere eine Darstellung in Form einer stilisierten Batterie. Auch könnten sich die Staaten und Organisationen nicht darauf einigen, wie groß eigentlich eine „Portion“ sei, beispielsweise bei Frühstückszerealien. Die farbige Warnkennzeichnung solle sich jedoch an einer Portion orientieren, so die Hersteller.

„Nur auf den ersten Blick ein Durchbruch“

Die Briten haben sich stattdessen entschieden, jeweils 100 Gramm eines Nahrungsmittels als Maßstab zu wählen, unabhängig davon, ob es sich um ein Grundnahrungsmittel oder beispielsweise um einen süßen Snack für zwischendurch handelt. Der deutsche Bundesverband für die Verbraucherzentralen (vzbv) etwa hatte diese Lösung von vornherein gefordert und die Orientierung an Portionsgrößen als Ablenkungsmanöver kritisiert.

„Der nun vorliegende Vorschlag ist nur auf den ersten Blick ein Durchbruch und ein Entgegenkommen auf den lange bestehenden Verbraucherwunsch für mehr Transparenz in Sachen Nährwerte“, argwöhnte Vzbv-Vorstand Klaus Müller schon im Frühjahr letzten Jahres bei der Vorstellung der Pläne.

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Denn schon damals sei klar gewesen, dass es kein einheitliches Verständnis darüber gebe, was eine „Portion“ eigentlich genau sein solle. „Die von den Herstellern vorgeschlagene Systematik ist daher nicht geeignet, Verbraucher nachvollziehbar über den Nährstoffgehalt eines Lebensmittels zu informieren“, so die Verbraucherschützer. Der Vergleich des Nährstoffgehalts verschiedener Lebensmittel werde vielmehr erschwert und könne in die Irre führen, kritisierte Müller.

Eine weiterentwickelte Nährstoffkennzeichnung soll die Verbraucher mit validen und leicht verständlichen Informationen über das versorgen, was sie gerade essen. Nach einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem vergangenen Jahr kann allein durch eine Lebensmittelampel die Zahl der Konsumenten, die gesunde Waren wählen, um 18 Prozent gesteigert und die Kalorienausnahme um vier Prozent reduziert werden.

Doch Deutsche, Franzosen und andere Kontinentaleuropäer müssen darauf einstweilen verzichten. „Wir bleiben jetzt erst einmal bei der einfarbigen Kennzeichnung“, kündigte Vandewaetere an und spielte den Ball an die Brüsseler Institutionen weiter: „Gleichzeitig fordern wir von der EU-Kommission, dass sie nun endlich Vorschläge vorlegt.“

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