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Wirtschaft Stefan Heinig

Der KiK-Chef sagt, warum weniger Lohn besser ist

KiK-Gründer Stefan Heinig ist dazu verurteilt worden, Arbeitskräften mehr Geld zu zahlen. Im Interview mit WELT ONLINE wehrt sich der Unternehmer gegen den Vorwurf der Lohndrückerei. Er rechnet vor, warum weniger Einkommen besser sei – und kündigt eine Marken-Offensive des Textil-Discounters an.

WELT ONLINE: Herr Heinig, Sie sind gerade in der zweiten Instanz zur Lohnnachzahlung verurteilt worden, sprechen dabei aber von zwei Einzelfällen. Heißt das, Sie bezahlen ihre übrigen 14.000 Mitarbeiter nach Recht, Gesetz und den guten Sitten entsprechend?

Stefan Heinig: KiK bezahlt fair, marktüblich und pünktlich. Und das schon seit Jahren. Im Übrigen geht es hier nicht um alle unsere 14.000 Mitarbeiter, sondern allenfalls um die Gruppe der 3500 so genannten 400-Euro-Kräfte.

WELT ONLINE: Zumindest in diesen beiden Fällen müssen Sie jetzt statt eines Stundenlohns von 5,20 Euro 8,21 Euro zahlen. Es gibt Leute, die Ihre Praktiken Lohndumping nennen.

Heinig: Genau das ärgert mich, denn es ist in Wahrheit nichts dergleichen. Wir werden in der Öffentlichkeit falsch verstanden, vielleicht sogar mit Absicht. Jedenfalls kann man nicht behaupten, dass Ver.di die Angelegenheit fair darstellt. Die Wahrheit ist: Die Mitarbeiterinnen bekommen nach dem Urteil faktisch weniger Geld als vorher. Aber in der Berichterstattung werden äußerst unfair Netto- und Bruttolöhne durcheinender geworfen, da werden Äpfel mit Birnen verglichen.

WELT ONLINE: Sortieren Sie mal: Was sind die Äpfel, und was sind die Birnen?

Heinig: Beginnen wir mit dem, was wir in den beiden strittigen Fällen gezahlt haben, nämlich 6,80 Euro pro Stunde. Davon haben wir – was bei den 400-Euro-Jobs möglich ist – pauschal 30 Prozent für Steuer und Sozialversicherungsabgaben abgezogen und weitergegeben, dann müssen sich die Mitarbeiterinnen darum nicht mehr kümmern. Sie haben also 5,20 Euro ausbezahlt bekommen. Das ist der Nettolohn. Von dem geht nichts mehr runter.

WELT ONLINE: Aber 5,20 Euro sind wenn Sie gestatten – weniger als die 8,21 Euro, die Sie jetzt zahlen müssen.

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Heinig: Glauben Sie mir: In diesem Fall sind 5,20 Euro am Ende mehr als 8,21 Euro, auch wenn das seltsam klingt. Denn da die beiden Klägerinnen nach dem Gerichtsurteil brutto deutlich mehr verdienen als vorher, fallen sie aus den Sonderregelungen für 400-Euro-Verträge heraus. Das hat zur Folge, dass sie ihre Einkünfte ganz normal versteuern müssen. 95 Prozent unserer Geringbeschäftigten sind verheiratet und arbeiten in der ungünstigen Steuerklasse fünf. Dadurch gehen schon mal 48 Prozent des Stundenlohns für die Steuer ab. Ebenfalls abgezogen wird der Arbeitnehmeranteil für die Sozialversicherung. Das hat dann zur Folge, dass von den 8,21 Euro brutto am Ende bei den Mitarbeiterinnen 3,20 oder 3,50 Euro netto ankommen. Und das ist deutlich weniger als die 5,20 Euro, die sie bisher bekamen.

WELT ONLINE: Klingt absurd.

Heinig: Ist es auch. Wir hatten vorher schon vergleichbare Urteile, die gegen uns ausgefallen waren. Da haben selbst die Richter den Klägerinnen ganz deutlich gesagt, dass sie wirtschaftlich durch ihren juristischen Erfolg nur Nachteile haben und dass sie sich überlegen sollten, ob sie das Urteil nicht ausschlagen. Viele haben das auch getan.

WELT ONLINE: Welche Vorteile bringt Ihnen das System mit dem pauschalen Steuerabzug für 400-Euro-Kräfte?

Heinig: Keine. Es ist nur für die Arbeitnehmer einfacher. Sie haben dann netto für netto.

WELT ONLINE: Wenn Sie durch diese Art der Abrechnung nur Ärger haben – warum ändern Sie sie dann nicht?

Heinig: Das fragen wir uns inzwischen auch. Wir warten jetzt die schriftliche Urteilsbegründung ab. Dann entscheiden wir, ob wir weitere rechtliche Schritte unternehmen oder ob wir die Verträge ändern.

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WELT ONLINE: Sie sind gar nicht der böse Lohndrücker?

Heinig: (Lacht) Wir haben unseren Mitarbeitern gerade zugesagt, dass wir in diesem Jahr keine Kurzarbeit einführen, keine Jobs abbauen und haben das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld garantiert. Es gibt nicht sehr viele Unternehmen, die so etwas zu Beginn der Krise im März für das Gesamtjahr können. Vielleicht müssen unsere Mitarbeiter mehr tun als andere – aber dafür haben sie einen sichereren Job. Wir stellen jedes Jahr 3500 Leute ein und eröffnen 300 Läden, schon seit fünf Jahren. Und die Mitarbeiter werden pünktlich bezahlt, was heutzutage nicht mehr überall üblich ist. Wir sind nicht das böse Ausbeuterunternehmen, als das uns einige darstellen wollen.

WELT ONLINE: Die Gewerkschaft hat Sie als Zielscheibe ausersehen?

Heinig: Nicht nur uns. So macht es Ver.di gern bei Discountern: sie picken sich einen raus und werfen ihm alles Mögliche vor. Jetzt ist gerade KiK dran, vorher war es mal Schlecker, dann Lidl oder andere. Bin gespannt, wer der nächste ist. Mir kann niemand erzählen, dass das nicht auch etwas mit Mitgliederwerbung für die Gewerkschaft zu tun hat: Nach dem Motto: Seht her, liebe Mitarbeiter, wir kämpfen für Euch, wenn Ihr bei uns Mitglied werdet!

WELT ONLINE: In dieser Auseinandersetzung täte den Chefs der Discounter ein wenig klassische Arbeitersolidarität vielleicht ganz gut?

Heinig: Ja vielleicht. Ich habe manchmal den Eindruck, jeder ist froh, wenn sich die bösen Schlagzeilen über den anderen ergießen statt über das eigene Unternehmen. Dabei haben alle Discounter weitgehend dieselben Probleme. Am Tag nach dem Urteil hatte ich sieben Anrufe aus anderen Discountunternehmen, bei denen Kollegen wissen wollten, wie wir mit dem Urteil umgehen. Daraus könnte man schließen, dass sie ähnliche Probleme haben.

WELT ONLINE: In der großen Krise können Sie diese Diskussion nicht gebrauchen.

Heinig: Mir geht es nicht um die Umsätze der nächsten sechs oder acht Wochen, sondern ums Grundsätzliche. Ich lasse mir unser Image nicht kaputt machen und will zu diesen Attacken nicht länger schweigen.

WELT ONLINE: Bisher haben Sie aber fast immer geschwiegen und sich so gut wie nie in die Öffentlichkeit gewagt. Dieses ist erst Ihr zweites Interview.

Heinig: Ja, das stimmt. Aber ich habe gelernt, dass ich das ändern muss. Ich habe jahrelang vor allem das Wachstum des Unternehmens im Blick gehabt. Jetzt haben wir eine Größe erreicht, bei der ich verstärkt auch auf die Außendarstellung achten muss. KiK wird deshalb offener werden, wir haben ja nichts zu verbergen. Und wenn die Öffentlichkeit mehr über uns weiß, fällt sie auch nicht mehr so leicht auf schlichte Kampagnen herein.

WELT ONLINE: Spüren Sie die Konsumkrise?

Heinig: Ja, wir haben leicht an Umsatz verloren, aber längst nicht so viel wie der Gesamtmarkt. Die Kunden kaufen zwar mehr Ware, aber weil die Preise gefallen sind, ist nicht mehr Geld in unserer Kasse. Aber mehr Ware macht uns mehr Arbeit und bringt mehr Kosten.

WELT ONLINE: Ihre Konkurrenz lichtet sich seit einigen Monaten durch Insolvenzen wie die von Wehmeyer, Hertie, SinnLeffers. Profitieren Sie davon?

Heinig: Wir gewinnen inzwischen Kunden mit dickerem Portemonnaie aus dem mittleren Preissegment, die bisher nicht bei uns gekauft haben. Bei denen gibt es jetzt keine Scheu mehr. Es ist so ähnlich wie bei Aldi: Erst kommen diese neuen Kunden noch zaghaft, aber dann immer öfter. Wir profitieren stark von den Smart Shoppern, die teure Markenware und Produkte von KiK kombinieren.

WELT ONLINE: Was tragen Sie denn heute aus dem eigenen Haus?

Heinig: Eigentlich etwa aus jeder Produktgruppe für Herren: (zieht das Hosenbein hoch) Socken, Unterhose, T-Shirt. Businesshemden und Anzüge haben wir ja nicht, die kaufe ich woanders. Wir bieten die modische Grundversorgung. Aber unser Niveau wird immer besser. Gerade haben wir die Sockenmarke Ergee gekauft. Im April kommen die ersten Produkte in die Läden. Bei KiK wird es künftig verstärkt Marken geben.

WELT ONLINE: Könnte KiKs neue Markenliebe über den Knöchel hinausgehen?

Heinig: Durchaus. Ich könnte mir vorstellen, dass Ergee irgendwann eine Marke für Unterwäsche ist. Auch darüber hinaus suchen wir derzeit Marken, die wir übernehmen oder mit denen wir kooperieren können. Eigentümer sind herzlich eingeladen, sich zu melden.

WELT ONLINE: In ein paar Monaten gibt es die günstig beim Konkursverwalter. Zum Beispiel Schiesser.

Heinig: Schiesser haben wir uns angeschaut. Aber ich glaube, die kommen auch ohne uns aus dem Tal wieder heraus.

WELT ONLINE: Wie geht KiK denn grundsätzlich mit der Krise um?

Heinig: Wir fahren in den nächsten beiden Jahren eine Strategie des Angriffs, um weitere Marktanteile zu gewinnen. Wir wollen denen, die noch nicht bei uns kaufen, zeigen, was wir können. Deshalb steigern wir unsere Werbeausgaben massiv, schalten Fernsehspots, ganzseitige Zeitungsanzeigen. Auch in türkisch- und russischsprachigen Medien in Deutschland. Das sind attraktive Kundengruppen für uns.

WELT ONLINE: Was ist Ihr Wachstumsziel fürs laufende Jahr in Deutschland?

Heinig: Ich wäre sehr glücklich, wenn wir unseren Umsatz auf vergleichbarer Fläche halten könnten.

WELT ONLINE: Stagnation? Sie haben doch gesagt, dass Sie angreifen wollen.

Heinig: Der Umfang des Textilmarktes in Deutschland ist von 64 auf 56 Mrd. Euro gesunken. Und ich denke, dass er in diesem Jahr um ein bis zwei Mrd. Euro schrumpfen wird. Da ist es ein ehrgeiziges Ziel, konstant zu bleiben. Aber mit unseren Neueröffnungen und dem Europageschäft erwarte ich abermals einen Umsatzzuwachs von mehr als zehn Prozent für die gesamte Gruppe.

WELT ONLINE: Wie geht es im Textilmarkt weiter?

Heinig: Wir werden weitere Insolvenzen sehen, der Markt bereinigt sich. Am Ende dürften zwei Handvoll große Textilhändler übrig bleiben. Die werden sich einen sehr harten Preiskampf liefern. Aber das beunruhigt mich nicht. Mit hart kalkulierten Preisen und niedrigen Kosten kennen wir uns aus.

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