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Wie Bäume sich Gegenstände einverleiben

Im Fantasyfilm "Herr der Ringe" geht es blitzschnell: Eine riesengroße Weide verschluckt Frodos Gefährten. Doch was im Studio mit Hilfe des Computers generiert wurde, funktioniert tatsächlich: Wenn Bäume in Not geraten, können sie Fremdkörper verschlucken, oder überwallen – alles nur eine Frage der Zeit.

Es ist ihre einzige Möglichkeit, mit festsitzenden Fremdkörpern fertig zu werden. So kommt es auch im eigenen Garten manchmal zu Überraschungen, wenn Bäume gefällt und zersägt werden müssen.


Bäume in Hausnähe tragen gern Nägel in sich, an denen vielleicht die Wäscheleine oder ein Vogelhäuschen befestigt war. Auch Drähte, Schaukelringe, Kabel, Latten von Baumhäusern und Reste von Hochsitzen verschwinden in Stämmen.


Gegenstände in sich einzuschließen ist eine Notmaßnahme der Bäume. Sich gegen die Fremdkörper wehren, sie abschütteln oder abstoßen können sie nicht. Ihre einzige Möglichkeit, mit ihnen fertig zu werden, ist, sie sich einzuverleiben. Denn verschwindet der Fremdkörper tief in ihrem Innern, behindert er ihre Wachstumsschicht, das Kambium, nicht mehr.


Das Kambium, das als feine grüne Zone zwischen Holz und Rinde verläuft, ist der Ort der Zellteilung. Dort entsteht in einem fortwährenden Prozess nach innen hin das Holz, das Xylem, und nach außen hin der Bast, das Phloem, aus dem die harte Rinde wird. Die Zellteilung im Kambium geschieht während der Vegetationszeit. Im Winter legen die Bäume eine Ruhephase ein. Durch diesen Wechsel bilden sich die Jahresringe und der Baum wird Jahr für Jahr dicker. Um dem Wachstum Raum zu geben, wird die alte Rinde abgestoßen.


Mit Hilfe des Kambiums kann der Baum Verletzungen heilen, die bis ins Holz hinein dringen. Damit das Holz nicht zu lange dem Angriff von Pilzen und Bakterien ausgesetzt ist, bildet das Kambium undifferenziertes Gewebe, das sogenannte Kallus, das sich von den Seiten her über die Verletzung schiebt.

Strukturen wie normale Rinde zeigt der Kallus-Wulst nicht. Daher wird er hin und wieder als Beginn einer Baumerkrankung interpretiert. Das Gegenteil ist der Fall. Auch wer im Garten einen Ast entfernen musste, entdeckt bald rund um die Wunde den glatten Wulst, der die Verletzung überwallt, wie die Fachleute sagen. Verschließt das Kallus schließlich die Verletzung, kann das Kambium auch über der ehemaligen Wunde wieder normale Zellen bilden.

Aber nicht immer sind es Verletzungen, die das Kambium vor gewaltige Aufgaben stellen. Mindestens ebenso häufig behindern Gegenstände das Dickerwerden des Baumes. Das kann ein Zaun sein, der ursprünglich vor dem Baum herlief, ein Torpfosten oder ein Straßenschild. Lässt das Hindernis sich bei zunehmendem Wachstum nicht beiseite drücken, wird es schließlich überwallt.


Trotz seiner Langsamkeit ist die Fähigkeit des Kambiums, Dinge zu überwallen, enorm. Eine Vorstellung davon gibt der „Balzer Herrgott“ in Gütenbach im Schwarzwald, der sich im Internet unter www.baumwunder.de bestaunen lässt. Der Torso des Gekreuzigten wurde Anfang des 20. Jahrhunderts an einer Buche aufgehängt. 30 Jahre später begann der Baum den Sandstein-Leib zu überwallen. 1986 war das so weit fortgeschritten, dass nur noch Teile von Kopf und Brust zu sehen waren. Schließlich wurde die Überwallung in Herzform zurückgeschnitten und der Herrgott als Brustbild freigelegt. So dient der Balzer Herrgott noch immer als Ausflugs- und Wallfahrtsziel.

Ganz so glimpflich geht es in Sägewerken nicht immer ab. „Die Sägebänder werden schadhaft oder zersplittern völlig, müssen nachgearbeitet oder ersetzt werden, wenn sie auf Metall stoßen“, erklärt Norbert Burkart vom Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie in Wiesbaden. Daher besitzen Sägewerke in Regionen, aus denen Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg bekannt sind, in der Regel Metallsuchgeräte. Mit ihnen lassen sich Einschlüsse orten und ohne Gefahr für die Säge entfernen.

dpa/oc

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