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„Zeugnis der Herforder Industriegeschichte“ – Angebot auf Immobilienportal

Alte Fabrik steht zum Verkauf

Herford (WB/ram). Als der Architekt Jörg Preckel vor einigen Jahren durch Herford lief und an dem alten Fabrik-Gebäude in der Komturstraße 18/20 vorbeikam, sagte er spontan: „Da haben Sie ja ein Schmuckstück. Da ließe sich etwas draus machen.“

So sieht die alte Fabrik heute aus. Im Hintergrund ist das Fitness-Center im Altstadt-Centrum zu erkennen.
So sieht die alte Fabrik heute aus. Im Hintergrund ist das Fitness-Center im Altstadt-Centrum zu erkennen. Foto: Ralf Meistes

Preckel war seinerzeit in Herford, weil das Münsteraner Büro Pfeiffer, Ellermann, Preckel die Pläne für das archäologische Fenster am Münster entworfen hat. Das „Schmuckstück“, von dem der Münsteraner Architekt sprach, ist in den vergangenen Jahren aber zunehmend verfallen. Jetzt soll es verkauft werden. Das alarmiert die Denkmalschützer in der Stadt, denn in der Vergangenheit sind immer mal wieder alte Häuser erst verkauft und dann abgerissen worden.

Angebot im Internet

Auf die Bedeutung des Backsteingebäudes macht Stadtarchivar Christoph Laue aufmerksam. Zurzeit findet sich im Internet eine Immobilienanzeige mit dem Titel „Grundstück mit altem Gebäude in der Innenstadt zu kaufen“ (www.immobilien-besserwohnen.de). Für einen Kaufpreis von 250.000 Euro werden 492 Quadratmeter Grundstücksfläche angeboten. „Es handelt sich aber nicht nur um ein altes Gebäude, es ist das älteste Zeugnis der Herforder Industriegeschichte, das 1858 errichtete erste als Fabrikgebäude genutzte Gebäude in Herford in der Komturstraße 18/20“, betont Laue. Es steht seit 1985 unter Denkmalschutz und ist in sehr schlechtem Zustand. „Mehrfacher Besitzerwechsel hat dem Gebäude nicht gut getan.“

Hier, an der Komturstraße, liegt ein Ursprung der Familie Ernstmeier: Die Brüder Gustav und Wilhelm Ernstmeier, beide kaufmännisch textilwirtschaftlich aufgestellt, übernehmen die Blaufärberei Budde & Münter. Für die Brüder Ernstmeier wird es bald eng am ersten Unternehmensstandort. In der Herforder Komturstraße entsteht eine erste kleine Fabrik mit zwölf Mitarbeitern.

Erinnerung an Jazz-Club

Und in den 1960er Jahren hatte hier der Jazz-Club Herford sein Quartier: „Schließlich wurde man mit der Firma Leder Kunst einig und mietete die zweite Etage der alten Bonbonfabrik in der Komturstraße an. Für die jüngere, aber auch zur Erinnerung für die ältere Generation sei angeführt, dass der rote Backsteinbau, der heute unter Denkmalschutz steht, eines der Kleinode war. Dazu gehörten die etwas später zugeschüttete Bo-Werre mit der Anbindung an den Stadtgraben, die Brücke über die Bo-Werre mit der funktionstüchtigen Wassermühle, das Friedrichsgymnasium und die katholische Volksschule, ebenfalls ein rotes Backsteingebäude.

„Ein einmaliges Altstadtensemble, das gänzlich der Stadtsanierung für den Kaufhof und anderen nicht wieder gut zu machenden Stadtplanungssünden weichen musste“, schreibt Stadtarchivar Laue. Von all den genannten Gebäuden steht nur noch das Gebäude, das den Jazz Club beherbergte, damals in einem typischen Herforder Hinterhof.

Typischer Hinterhof

Den Hinterhof gibt es heute auch nicht mehr. Im Erdgeschoss befand sich zu jener Zeit noch eine Strickerei; das erste Geschoss stand leer. Ende 1962 wurde der Mietvertrag unterschrieben. Die Etage wurde von den Mitgliedern des Jazz Club vollständig renoviert. Im März 1963 dann gab es eine große Eröffnungsveranstaltung. Die Jazz Club-Jugendlichen fühlten sich als Revoluzzer, als etwas Besonderes. Sie waren in der Regel Gymnasiasten. Sie wollten ihren Club nicht jedermann öffnen und installierten am Eingang eine Klingel und eine Sprechanlage. 1970 wurde den Mietern des Jazz Club gekündigt. Vermieter Kunst wollte die Jugendlichen in seinem Haus nicht mehr ertragen.

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